47. Bruderschaften …

Elis­a­beth Lobenwein/Martin Scheutz/Alfred Ste­fan Weiß (Hg.):
Brud­er­schaften als mul­ti­funk­tionale Dien­stleis­ter der Frühen Neuzeit in Zentraleuropa
(= Veröf­fentlichun­gen des Insti­tuts für Öster­re­ichis­che Geschichts­forschung 70)
Böh­lau: Wien 2018, 546 S
ISBN 978–3‑205–20001‑7

Abstract Verlag

Brud­er­schaften waren nicht nur in der katholis­chen, früh­neuzeitlichen Welt Massenein­rich­tun­gen von Laien mit hun­dert­tausenden männlichen und weib­lichen Mit­gliedern. Mit der Aufk­lärung geri­et das Brud­er­schaftswe­sen in die Kri­tik der Aufk­lär­er – Joseph II. löste die Brud­er­schaften deshalb 1783 fast voll­ständig auf. Neben bre­it­en Forschungsüberblick­en umreißt der Band die vielfälti­gen Tätigkeits­felder der Brud­er­schaften in Zen­traleu­ropa: Bank‑, Medi­enun­ternehmer, Musik‑, Toten­di­en­stleis­ter und Wall­fahrts­büro. Zudem wer­den ein­schlägige Brud­er­schaft­stypen wie etwa die Rosenkranz‑, Lukas‑, Musiker­brud­er­schaften oder die jesuit­is­chen Kon­gre­ga­tio­nen vorgestellt. Ein ver­gle­ichen­der Blick auf griechis­che und jüdis­che Brud­er­schaften unter­stre­icht deren Bedeu­tung in unter­schiedlichen Konfessionskulturen.

Abstract

Das sowohl Män­nern als auch Frauen offen ste­hende, bis cir­ca Mitte des 18. Jahrhun­derts stark flo­ri­erende Brud­er­schaftswe­sen ent­stand angeleit­et von kirch­lichen und adeli­gen Repräsen­tan­ten unter anderem aus ein­er religiösen Laien­be­we­gung des Spät­mit­te­lal­ters und erlebte nach einem Ein­bruch in der Ref­or­ma­tion im Zuge der katholis­chen Reform und der Gegen­re­for­ma­tion bevorzugt in Städten, aber auch in Dör­fern einen starken Auf­schwung im 17. Jahrhun­dert. Im Kern der brud­er­schaftlichen, von vie­len weltlichen, religiösen, materiellen, spir­ituellen, per­sön­lichen und kom­mu­nika­tiv­en Fak­toren bes­timmten Sozi­a­bil­ität stand der frei gewählte Zusam­men­schluss von Gle­ich­gesin­nten, in dessen genossen­schaftlichem Zen­trum sich die sieben Werke der Barmherzigkeit, aber vor allem Totenge­denken, Toten­di­enst und der Erwerb von Ablässen im Sinne des See­len­heils befand. Das Autonomiev­er­lan­gen der Laien in den Brud­er­schaften stieß nach dem Tri­dentinum (Refor­mdekret 22. Sitzung, 17.

Sep­tem­ber 1562) auf bis­chöflich-kirch­liche Kon­trol­lvorstel­lun­gen. So sicherte die Bulle Kle­mens’ VIII. „Quae­cumque“ (1604) bis­chöfliche Kon­trolle über die nahezu bei allen Brud­er­schaften gle­ich oder ähn­lich lau­t­en­den Statuten, des Weit­eren Vis­i­ta­tion­srechte und Kon­trolle der Rech­nungsle­gung. Die tausenden im katholis­chen Europa ver­streuten, in größeren Städten oft dutzend­fach beste­hen­den Brud­er­schaften als zen­trale Ein­rich­tun­gen der Verge­sellschaf­tung und als Man­i­fes­ta­tion der Bedeu­tung der Laien in der Kirche gal­ten als „Rück­grat des sozialen, religiösen und staatlichen Lebens“ in der Vor­mod­erne. Stände- und geschlecht­süber­greifend angelegt kan­nten mit­teleu­ropäis­che Brud­er­schaften in der Regel kein Auss­chließlichkeit­sprinzip, son­dern Män­ner und Frauen kon­nten in mehreren Brud­er­schaften gle­ichzeit­ig Mit­glied sein, was die Spez­i­fi­ka von bes­timmten Brud­er­schaft­stypen (wie die dominikanis­chen Rosenkranzbrud­er­schaften, die Sakra­ments­brud­er­schaften etc.) ver­wis­chte. Die geistlichen Verpflich­tun­gen der Brud­er­schaften ergaben sich oft schon im Namen, Arme-See­len-Brud­er­schaften wid­me­ten sich etwa ein­er angemesse­nen Beerdi­gung der Toten.

Inhaltsverzeichnis

  • Elis­a­beth Loben­wein, Mar­tin Scheutz, Früh­neuzeitliche Brud­er­schaften in Zen­traleu­ropa. Zur Ein­schätzung ein­er Massen­be­we­gung, S. 15–25

(1) Forschungsüberblicke zum Brud­er­schaftswe­sen in Öster­re­ich, Böhmen/Mähren und Ungarn

  • Mar­tin Scheutz, Früh­neuzeitliche Brud­er­schaften im Bere­ich des heuti­gen Öster­re­ich – ein Forschungsüberblick, S. 29–65
  • Zdeněk Orli­ta, Fromme Brud­er­schaften in Böh­men, Mähren und Schle­sien – ein Forschungsüberblick, S. 67–85
  • András Forgó, Brud­er­schaften in Ungarn – eine Forschungs­bi­lanz, S. 87–103

(2) Brud­er­schaften als mul­ti­funk­tionale Einrichtungen

  • Rupert Klieber, Die vie­len Brud­er­schaften und der Organ­i­sa­tion­sty­pus „Fra­ter­nität“: Ange­bote zur Auf­schlüs­selung eines bedeu­ten­den Sek­tors religiös­er Dien­stleis­tung, S. 107–116
  • Thomas Winkel­bauer, Brud­er­schaft und Wall­fahrt im 17. und 18. Jahrhun­dert. Niederöster­re­ichis­che, böh­mis­che und mährische Beispiele für die enge Verbindung zweier Ein­rich­tun­gen der katholis­chen Kon­fes­sion­al­isierung, S. 117–134
  • Thomas Frank, Brud­er­schaften als Bank. Ital­ienis­che Beispiele des 15. und 16. Jahrhun­derts, S. 135–143
  • Vladimír Maňas, Geistliche Brud­er­schaften und ihr Musikschaf­fen am Beispiel des Gesangs von Laien, S. 145–157
  • Ger­ald Hirt­ner, Brud­er­schaften als Auf­tragge­ber von Druck­erzeug­nis­sen am Beispiel von Salzburg­er Brud­er­schafts­briefen. Mit einem Verze­ich­nis von Brud­er­schafts­briefen der Erz­abtei St. Peter, S. 159–187
  • Elis­a­beth Loben­wein, Spät­mit­te­lal­ter­liche und früh­neuzeitliche Brud­er­schaften und ihr Toten­di­enst, S. 189–205

(3) Spezielle Typen von Bruderschaften

  • Chris­tine Trop­per, Die Rosenkranzbrud­er­schaften in Kärn­ten in der Frühen Neuzeit, S. 209–238
  • Zsó­fia Kádár, Die jesuit­is­chen Kon­gre­ga­tio­nen der öster­re­ichis­chen Orden­sprov­inz (von ihren Anfän­gen bis 1671). Typen und Tätigkeits­felder (ein Forschungs­bericht), S. 239–311
  • Mari­na Beck, Die Lukas­brud­er­schaften als Auf­tragge­ber von Kunst­werken, S. 313–337
  • Tobias Daniels, Nationale Brud­er­schaften in Rom (14.‒17. Jahrhun­dert) , S. 339–355
  • Elis­a­beth Hilsch­er, Musiker­brud­er­schaften als Kar­rierenet­zw­erke für Stadt und Hof in Wien, S. 357–372
  • Clau­dia Resch, Die Toten­brud­er­schaft von St. Augustin und ihre Totenkapelle(n) – geziert, gemalt und gedruckt für die Ewigkeit, S. 373–393

(4) Organ­i­sa­tions­for­men von Bruderschaften

  • Irene Rabl, Kloster und Brud­er­schaft – Leitung und Mit­glieder. Die Lilien­felder Josephs­brud­er­schaft im Ver­gle­ich mit ein­er jesuit­is­chen Sodal­ität und drei mar­i­an­is­chen Kon­gre­ga­tio­nen in Wien und Graz, S. 397–418
  • Regine Puchinger, Brud­er­schaft und Pfar­ror­gan­i­sa­tion – eine Verbindung zum gegen­seit­i­gen Nutzen?, S. 419–437

(5) Brud­er­schaften in unter­schiedlichen Religionskulturen

  • Judit Majorossy, The Fate and Use of Medieval Con­fra­ter­ni­ties in the King­dom of Hun­gary dur­ing the Age of Ref­or­ma­tion, S. 441–475
  • Arend Min­der­mann, Katholisch-protes­tantis­che Brud­er­schaften? Die Stad­er Brud­er­schaften im 16. und 17. Jahrhun­dert, S. 477–492
  • Ste­fano Sara­ci­no, Griechisch-ortho­doxe Brud­er­schaften in der Hab­s­burg­er­monar­chie (18. Jahrhun­dert): Mul­ti­funk­tionale Dien­stleis­ter und kar­i­ta­tive Akteure, S. 493–512
  • Sylvie Anne Gold­berg, Jew­ish broth­er­hoods in the Hab­s­burg Lands, S. 513–526

(6) Resümee

  • Andreas Holzem, Wis­sen – Prak­tiken – Emo­tio­nen. Nach­denken über eine kul­turgeschichtliche Weit­er­führung der Brud­er­schafts­forschung, S. 529–546

Verze­ich­nis der Autorin­nen und Autoren, S. 547f.

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