FWF-PROJEKT

»Zu Diensten Ihrer Majestät«

Das Projekt

Organ­i­sa­tion­sriesen wie inter­na­tion­al agierende Großkonz­erne und die staatliche Ver­wal­tung stellen an ihre Organ­i­sa­tion wesentliche Anforderun­gen betr­e­f­fend die inneren Abläufe: Effiziente Abläufe, Trans­parenz zur Ver­mei­dung von Kor­rup­tion und effiziente Kon­trollmech­a­nis­men. Let­z­tendlich soll damit ein ziel‑, zweck­o­ri­en­tiertes und erfol­gre­ich­es Han­deln nach einem charak­ter­is­tis­chen Muster (Fir­men­philoso­phie) ermöglicht wer­den. Kor­rup­tions­fälle und ständi­ge Refor­men ver­rat­en, dass die Suche nach der opti­malen Organ­i­sa­tion­sstruk­tur ein dynamis­ch­er Prozess ohne abschließende Lösung ist. Der Wiener Hof in der Frühen Neuzeit lässt sich eben­falls als Organ­i­sa­tion ver­ste­hen, die ver­schiedene Auf­gaben bewälti­gen musste: Ver­sorgung des Kaisers und sein­er Fam­i­lie, Sitz ein­er zunehmend kom­plex­en Admin­is­tra­tion, poli­tis­ches Zen­trum, Anziehungspunkt für Eliten, Zen­trum des Herrscher­m­i­lieus (Zer­e­moniell, Mäzena­ten­tum etc.). Für die Bewäl­ti­gung dieser Auf­gaben entwick­elte sich rund um den Kaiser eine Organ­i­sa­tion­sstruk­tur, in der im 17. Jahrhun­dert bere­its über 1.000 Per­so­n­en, im 19. Jahrhun­dert ber 3.000 Per­so­n­en beschäftigt waren. Schon alleine die Koor­di­na­tion der Beschäftigten auf den ver­schiede­nen Ebe­nen bedeutete einen großen Organisationsaufwand.

Von 1. Jän­ner 2008 bis 1. Jän­ner 2011 wird am Insti­tut für Öster­re­ichis­che Geschichts­forschung (IG) in Wien das vom Fonds zur Förderung der wis­senschaftlichen Forschung (FWF) getra­gene Pro­jekt „Zu Dien­sten Ihrer Majestät. Geschichte der Organ­i­sa­tion des Wiener Hofes in der Frühen Neuzeit“ durchge­führt. Dieses Pro­jekt wid­met sich eben diesem bis­lang wenig erschöpfend erforscht­en Bere­ich des Wiener Hofes, näm­lich dessen Organ­i­sa­tion, Struk­tur und Entwick­lung in der Frühen Neuzeit (Abstract). Eine Pilot­studie wurde 2007 veröffentlicht:

  • Scheutz, Martin/Wührer, Jakob: Dienst, Pflicht, Ord­nung und gute Policey. Instruk­tions­büch­er am Wiener Hof im 17. und 18. Jahrhun­dert, in: Pangerl, Irmgard/Scheutz, Martin/Winkelbauer, Thomas (Hgg.): Der Wiener Hof im Spiegel der Zer­e­mo­ni­al­pro­tokolle (1652–1800). Eine Annäherung (Forschun­gen zur Lan­deskunde von Niederöster­re­ich 31/Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadt­geschichte 47, Innsbruck/Wien/Bozen 2007) 15–228.

Quellen

Vier in den Bestän­den des Haus‑, Hof- und Staat­sarchivs in Wien sich befind­ende Instruk­tions­büch­er, also früh­neuzeitliche Hand­schriften, die auf ins­ge­samt 1.686 Seit­en Dien­stan­weisun­gen (Instruk­tio­nen) für über 80 ver­schiedene Hofämter vere­ini­gen, dienen als Quel­len­ba­sis für dieses Forschungsvorhaben. Durch ihre Auswer­tung soll gek­lärt wer­den, wie die bis zu 3.000 am Wiener Hof beschäftigten Per­so­n­en des Hof­s­taats ihren Dienst für den Kaiser ver­richteten, nach welchen Grund­prinzip­i­en der Wiener Hof organ­isiert war und welche Entwick­lung diese Organ­i­sa­tion während der Frühen Neuzeit durchlief.

Projektziele

Edition

In einem ersten Arbeitss­chritt wer­den die vier Instruk­tions­büch­er der inter­na­tionalen Forschung durch eine Edi­tion zugänglich gemacht. Im Zuge der Edi­tion­sar­beit an den vier Instruk­tions­büch­ern wird die Quel­len­gat­tung der Instruk­tions­büch­er und Instruk­tio­nen einge­hend von quel­lenkundlich­er und ‑kri­tis­ch­er Per­spek­tive aus beleuchtet. Die Edi­tion selb­st soll Ergeb­nis reflek­tiert­er edi­tion­stech­nis­ch­er Über­legun­gen sein, welche im Rah­men der Vorbe­merkung auch disku­tiert wer­den. Ziel ist es, durch dieses Vorge­hen eine Mus­tered­i­tion für his­torische Edi­tion­sar­beit in Bezug auf hand­schriftliche Texte der Frühen Neuzeit zu erstellen.

Handbuch und Darstellung

In einem zweit­en Arbeitss­chritt erfol­gt eine erste Auswer­tung der edierten Quellen, die in ein Hand­buch und ein­er Darstel­lung ber die Organ­i­sa­tion des Wiener Hofes in der Frühen Neuzeit mün­den soll. Eine mikro­his­torische Herange­hensweise wird method­isch ver­wen­det, um über die sta­tis­che Beschrei­bung der Organ­i­sa­tion­sstruk­tur hin­aus ein Bild der Prax­is vom Funk­tion­ieren des Wiener Hofes erstellen zu kön­nen und das Zusam­men­wirken der Per­so­n­en zwis­chen und auf den ver­schiede­nen hier­ar­chis­chen Ebe­nen sicht­bar und nachvol­lziehbar zu machen, also der Organ­i­sa­tion­sstruk­tur durch dichte Beschrei­bung Leben einzuhauchen. Die angestrebte Pub­lika­tion zur Organ­i­sa­tion des Wiener Hofes in der Frühen Neuzeit wird die erste Gesamt­darstel­lung in diesem Bere­ich sein. Vor allem wer­den wir erst­mals über die sta­tis­che Darstel­lung der Organ­i­sa­tion­sstruk­tur und die auss­chließliche Behand­lung der oben an der Spitze der Organ­i­sa­tion­shier­ar­chie ange­siedel­ten Hofämter hin­aus­ge­hen. Durch die Beach­tung von Ämtern aller Organ­i­sa­tion­sebe­nen, durch die Darstel­lung von Vorgän­gen, Inter­ak­tio­nen und Inter­de­pen­denz und das Inter­esse am Detail kann der Wiener Hof in sein­er organ­isatorischen Aus­pr­gung als dynamis­ch­er Prozess dargestellt wer­den. Schließlich wer­den wir auch darum bemüht sein, in diesem Forschungs­bere­ich eine konzise und wider­spruchs­freie Begrif­flichkeit einzufhren, was angesichts der Kom­plex­ität des Gegen­standes bis jet­zt nicht geleis­tet wurde, aber unbe­d­ingt prob­lema­tisiert wer­den muss.

Website

Über die laufend­en Fortschritte des Pro­jek­ts informiert die Pro­jek­tweb­site. Unter anderem soll auf diesem Medi­um nach und nach die Organ­i­sa­tion­sstruk­tur des Wiener Hofes zugänglich gemacht wer­den, wobei eine Abfrage je nach Tätigkeit und Hofamt das Sicht­bar­ma­chen des Zusam­men­wirkens der Hof­be­di­en­steten ermöglichen soll (Organ­i­sa­tios­ndaten­bank). Über diese Web­site wird auch eine umfassende Bib­li­ogra­phie (Bib­li­ogra­phie) zum The­ma zugänglich gemacht wer­den, die durch die Besuch­er selb­st ergänzt wer­den kann, so dass auf neueste und eigene Pub­lika­tion aufmerk­sam gemacht wer­den kann. Durch aktuelle Hin­weise auf Forschungsini­tia­tiv­en, Buchveröf­fentlichun­gen, Kon­feren­zen etc. soll sich diese Web­site zu einem Inter­net­por­tal für die Erforschung des Wiener Hofes und Hof­forschung im All­ge­meinen entwickeln.

Mit der Veröf­fentlichung der Forschungs­fortschritte und ‑ergeb­nisse im Inter­net entspricht das Pro­jekt »Zu Dien­sten Ihrer Majestät« der open access pol­i­cy des FWF.

Nicht zulet­zt kom­men die Ergeb­nisse auch dem Inter­esse der Öffentlichkeit an dem durch seine architek­tonis­che Aus­prä­gung all­ge­gen­wär­ti­gen Wiener Hof ent­ge­gen. Sie bieten dem Inter­essierten Hil­festel­lung bei der Imag­i­na­tion von Vorgän­gen, die sich in den heute noch erfahrbaren räum­lichen Dimen­sio­nen ereignet haben.

Pressemeldungen

Forschungsnewslet­ter der Uni­ver­sität Wien 30 (Juli/August 2008)

Mel­dun­gen zum Pro­jekt via Blog auf der Web­site von Mar­tin Scheutz: