1. Alltag und Kriminalität …
Martin Scheutz:
Alltag und Kriminalität im 18. Jahrhundert.
Disziplinierungsversuche im steirisch-österreichischen Grenzgebiet im Raum Gaming-Scheibbs
(= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 38)
Verlag Oldenbourg: Wien — München 2001. 599 S.
ISBN 3–486-64844–6
69,80 Eur [D] / 71,80 Eur [A] / 110,00 sFr
Zum Inhalt
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit dem Auftreten und der Bekämpfung von Kriminalität im 18. Jahrhundert. Sozial- und kriminalitätsgeschichtliche und damit auch alltagsgeschichtliche Aspekte treten in den Vordergrund. Beruhend auf der Aktenlage zweier Gerichtsbestände einer geistlichen Grundherrschaft im österreichischen Voralpenraum wird das Modell der Sozialdisziplinierung in der Praxis hinterfragt und die Ausübung von Herrschaft einer näheren Analyse unterzogen. Ausgehend von Gerichts- und Ratsprotokollen werden vor allem die Tätigkeitsbereiche der Beamten und Funktionsträger der mit Gerichtsfunktionen versehenen Obrigkeiten herausgearbeitet.
Dabei erweisen sich Hof- und Marktrichter, Marktschreiber, Rat, Gerichtsdiener, Nachtwächter, Scharfrichter, Schulmeister und Viehhirte als Teil der häufig konkurrierenden Herrschaftspraxis verschiedener Gerichte. Am Beispiel von Rekrutierungen, Eisendiebstählen und Magieprozessen wird die strafende Rolle der Gerichte verdeutlicht. Diese Beispiele belegen neben der Behandlung des Bettlerproblems auch die große und quellenmäßig kaum faßbare Rolle der außergerichtlichen Konfliktlösungen im Alltag des 18. Jahrhunderts.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9
Kapitel I
Theoretische Überlegungen zur Disziplinierung 11
1. Max Webers Rationalisierungskonzept 18
2. Norbert Elias und der Prozeß der Zivilisation 19
3. Gerhard Oestreichs Konzept der „Sozialdisziplinierung“ 22
4. Konfessionalisierung 27
5. Volkskulturen und Ordnungsmodelle 30
Kapitel II
Verbrechen und Strafen in der Frühen Neuzeit 35
1. Grundzüge einer Erforschung 35
2. Historische Erforschung von Kriminalität in Österreich in der Frühen Neuzeit 42
a) Normative Ordnungen 43
b) Strafprozeßakten 46
c) Strafvollzugsakten 59
Kapitel III
Zur Wertung von Aussagen vor Gericht in österreichischen Kriminalprozessen des 18. Jahrhunderts 65
1. Ein Bild des Gerichts 65
2. Aussagewert der Prozeßakten 68
3. grind und geign. Sprache und Markierung 71
4. Solle Gott die rechte ehre geben. Strategien vor Gericht 80
5. daz gewissen keine ruhe gelassen. Das konstruierte Gewissen am Beispiel eines Giftmordes 86
6. Zur Quellenlage für das Landgericht Gaming und das Scheibbser Marktgericht im Untersuchungszeitraum 93
Kapitel IV
Die Kartause Gaming im 18. Jahrhundert. Jurisdiktion und Wirtschaft 99
1. Grundherr und Landgerichtsverwalter 99
2. Eisen- und Provianthandel 108
Kapitel V
Das Gaminger Hof- und Landgericht im 18. Jahrhundert 115
1. Konkurrierende Disziplinierungsgewalten im grundherrschaftlichen Markt. Der Hofrichter als verlängerter Arm und obachtsames Auge des Stadtherrn 115
2. Das niedergerichtliche Hofgericht – Delikte und Strafen 129
3. Der Landgerichtsdiener. Person und Amt zwischen Markt‑, Hof- und Landgericht 143
4. Das „freie“ Landgericht Gaming-Scheibbs 154
5. Der Scharfrichter. Ein kostenintensiver Faktor für das Landgericht 171
6. Die finanzielle Struktur eines Hof-/Landgerichtes 179
Kapitel VI
Konkurrierende Disziplinierungsgewalten. Marktrichter und städtische Ämter zwischen Stadtherrn und Bürgerschaft
im 18. Jahrhundert 189
1. Der Einfall der Bayern in Niederösterreich und die Last der bröckelnden Symbole 189
2. was hast du bey dem richter über mich geredet? Zur Stellung des Marktrichters in der Praxis 199
3. zucht und ehrbahrkeit im Markt. Der Scheibbser Marktrichter im Dienste der Bürger 203
4. Die gute ordnung im Scheibbser Rat 217
5. der marktschreiber müeste der burgerschaft alleinig dienen. Der Scheibbser Marktschreiber im 18. Jahrhundert 225
6. Die sonst gewöhnlich ungeheüre boßheiten und grausames gspäß der Scheibbser Kinder. Der Schulmeister und die Gottesfurcht 234
7. alles, was ihme befohlen wird, fleissig verricht. Der zwischen den Obrigkeiten zerrissene Marktgerichtsdiener 242
8. Die Scheibbser Bürger wider die wachter. Tor- und Nachtwächter in Scheibbs 250
9. Der Viehhirt in der Kirche. ein obachtsambes aug auf die Kinder 254
Kapitel VII
Der Streit um den Saubären. Innere und äußere Konfliktfelder im Markt Scheibbs während des 18. Jahrhunderts 259
1. Scheibbser Proviant- und Wochenmarkt 259
2. Die Scheibbser Jahrmärkte 267
3. Der Streit um den Saubären. Innerbürgerliche Konflikte im „gemeinen marckht“ am Beispiel von Malter, Bier, Fleisch und Brot 274
4. Genossenschaftliche Konflikte um Wasser, Brunnen und Kanäle 293
5. wieder die gewohnheit einen rauch wahrgenohmen. Früchte der Feuerangst 299
6. solle künfftighin seinen maister und maisterin in ehren halten. Unruhige Handwerksgesellen im Markt 309
Kapitel VIII
… mit dem soldatenleben gezüchtiget worden. Gewaltsame Rekrutierung als Form der Disziplinierung am Beispiel niederösterreichischer Land- und Marktgerichtsprotokolle des 18. Jahrhunderts 315
1. Selbstverstümmelung aus Angst vor Rekrutierung 315
2. Schmuggler als Opfer der Zwangsrekrutierung 318
3. Rekrutierung und Disziplin auf normativer Ebene 320
4. Das Gaminger Hof- und Landgericht und die Rekrutierung 330
a) Rekrutierung als Strafmaßnahme 331
b) „Freiwillige“ Soldaten 334
c) Folgen der Rekrutierung 335
5. Das Marktgericht Scheibbs und die Rekrutierung 337
a) Rekrutierung als Geschäft – Gekaufte Soldaten 338
b) Rekrutierung als Drohung – Versuchte Disziplinierung im Markt 342
6. „[…] dem Publico / und Unserem Aerario so nachtheiligen Desertions-Ubel mit allem Ernst vorzubeugen“ 348
a) Das Problem der Desertion in niederösterreichischen Gerichtsakten 348
b) … ihnen das vor den Preissen gehen miessen sehr förchterlich vorkomben. Solidarisierung mit Deserteuren oder Belohnung für Denunziation? 355
7. Die Lebenswelt abgedankter Soldaten 362
a) Der vater zu meinem kind ist ein soldat 367
b) Invalide als Sozialproblem 369
Kapitel IX
3 pflugeisen von pflügen abgeschlagen. Eisendiebstähle und Hammerwerkseinbrüche in der Eisenregion Gaming-Scheibbs im 18. Jahrhundert 375
1. Karriere eines Eisendiebes oder in der gegend für einen dieb bekant 375
2. Normative Grundlagen zum Diebstahl 387
3. Eisendiebstahl in der Gegend von Gaming-Scheibbs 402
a) Hammer- und Gelegenheitsdiebe 402
b) zum aufspöhren den vortheil gewust. Zur Arbeitsweise der Hammerdiebe 404
4. etwas alts eisen […] enttragen. Gelegenheitsdiebe auf der Suche nach Eisen 413
5. Gefährliche Begegnungen, „Schlechtes Fahren“, grobe Eisenführer und „Kroisenhandel“ 419
Kapitel X
Die walschen khundten nit leüden, daß die teutschen nachßuechen. Zur Rolle der magischen Vorstellungen im Alltag 431
1. Der Ötscher als magischer Bezugspunkt in der Frühen Neuzeit 431
2. Magie als Konfliktlösung 450
Kapitel XI
Ich weis mich keines andern verbrechens als des bettlens schuldig. Menschenjagden und Bettlerschübe in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts am Beispiel eines Gaminger Schubprotokolls 457
1. Obrigkeitliche Verordnungen 462
2. Streifen und Bettlerschübe 466
3. Die Festgenommenen im Gaminger Protokoll (1723–1751) 474
4. Der Gaminger Schub in der Praxis 481
Kapitel XII
Herrschaft mit und in der Herrschaft während des 18. Jahrhunderts. Ein Resümee 487
Abkürzungsverzeichnis 501
Quellen- und Literaturverzeichnis 504
Archivalien 504
Gedruckte Quellen, Nachschlagewerke und vor 1850 erschienene Werke 506
Darstellungen (ab 1850) 514
Verzeichnis der Abbildungen, Graphiken und Tabellen 587
Abbildungsverzeichnis 587
Verzeichnis der Graphiken 587
Verzeichnis der Tabellen 588
Orts- und Personenregister 589