24. Orte der Verwahrung …

Ger­hard Ammer­er, Arthur Brun­hart, Mar­tin Scheutz, Alfred Ste­fan Weiß (Hrsg.),
Orte der Ver­wahrung: Die innere Organ­i­sa­tion von Gefäng­nis­sen, Hos­pitälern und Klöstern seit dem Spätmittelalter
(Geschlossene Häuser – His­torische Stu­di­en zu Insti­tu­tio­nen und Orten der Separierung, Ver­wahrung und Bestra­fung 1)
Leipziger Uni­ver­sitätsver­lag: Leipzig 2010. 366 S.
ISBN 978–3‑86583–356‑3
€ 39,00

http://www.univerlag-leipzig.de/article.html;article_id,955

Zum Inhalt

Dieser Band bildet den Auf­takt zu der neuen Rei­he „Geschlossene Häuser“. Die Rei­he beschäftigt sich mit allen seit dem Spät­mit­te­lal­ter fest­stell­baren For­men der Separierung, Ver­wahrung und Bestra­fung von Men­schen – in Klöstern und Kon­ven­ten, Siechen­häusern, Spitälern und Lazaret­ten, in Tür­men, Ratskellern oder „Stock­häusern“, ganz beson­ders aber in den großen und kleinen Hos­pitälern, Armen‑, Waisen‑, Zucht- oder Arbeit­shäusern der Frühen Neuzeit und in den sich seit dem 19. Jahrhun­dert her­aus­bilden­den geschlosse­nen psy­chi­a­trischen Anstal­ten, Sana­to­rien und Kliniken sowie mod­er­nen Strafvol­lzugsanstal­ten. In den Fokus genom­men wer­den somit Orte und macht­gestützte Insti­tu­tio­nen, deren wichtig­stes Kennze­ichen eine räum­liche Separierung von sozialen Grup­pen und Indi­viduen vom Rest der Gesellschaft war, die ein­her ging mit dem bewussten Ziel ein­er spez­i­fis­chen Men­schen­führung und ‑for­mung, welche Zwang und Selb­stzwang oft­mals expliz­it einschloss.

In der Geschichte real­isiert wurde dieses soziale Phänomen in vielfälti­gen For­men, von denen keine von vorn­here­in aus der Betra­ch­tung aus­geschlossen wer­den soll. Das Anliegen ist es vielmehr, den ver­gle­ichen­den Blick auf diese Orte und Insti­tu­tio­nen zu schär­fen, sowohl in the­ma­tis­ch­er als auch in chro­nol­o­gis­ch­er Hinsicht.

Die Her­aus­ge­ber der Rei­he „Geschlossene Häuser“ vertreten eine Sicht auf das Zusam­men­leben in insti­tu­tionellen Ord­nungsarrange­ments, in der nicht der Wille zur Beherrschung der sozialen Welt im Mit­telpunkt ste­ht, son­dern die sozialen Logiken des Miteinan­der im All­t­ag, die dur­chaus quer zu diesem liegen kon­nten. The­ma­tisiert wer­den sollen deshalb nicht nur die oft­mals von Gewalt geprägten Aspek­te ein­er direk­ten Ver­hal­tens­bee­in­flus­sung, son­dern auch der kreative Umgang mit aufgestell­ten Regeln, die indi­vidu­ellen und kollek­tiv­en Aneig­nun­gen und Über­schre­itun­gen von Struk­turen wie Gren­zen und der Wider­stand gegen sie. Die Geschichte von Orten und Insti­tu­tio­nen der Separierung und Ver­wahrung, so das Cre­do dieser Rei­he, ist nicht nur eine Geschichte der Struk­turen von Macht, Herrschaft und Diszi­plin, son­dern auch und beson­ders eine Geschichte von konkreten Erfahrungs- und Hand­lungswel­ten, in denen sich das inter­de­pen­dente Ver­flocht­en­sein jen­er sozialen Akteure spiegelt, die hier gelebt haben.

Orte der Ver­wahrung sind Räume von gesellschaftlichen Utopi­en wie auch deren Gegen­teil. Im vor­liegen­den Band wer­den Zucht‑, Arbeit­shäuser und Gefäng­nisse, Hos­pitäler und Klöster – Insti­tu­tio­nen, die schein­bar nur wenig miteinan­der zu tun haben – unter dem Blick­winkel ihrer Organ­i­sa­tions­for­men über die Jahrhun­derte hin­weg ver­gle­ichend betrachtet.

Die Ergeb­nisse ein­er 2007 in Liecht­en­stein (Kloster Schaan) abge­hal­te­nen Tagung the­ma­tisieren ein­er­seits die Rel­e­vanz der Ver­wahrorte für die Gesellschaft und beleucht­en ander­er­seits die Motive der Betreiber dieser als „ganzes Haus“ vorgestell­ten Ein­rich­tun­gen näher. Die Arbeit für und in der Gemein­schaft spielte in nahezu allen Ver­wahrin­sti­tu­tio­nen eine wichtige Rolle, ein­er­seits um die Ein­rich­tun­gen in der The­o­rie rentabel betreiben zu kön­nen, aber auch um die Insassen zu erziehen. Das strenge Zeitregime, die exak­ten Speise­pläne, der Abschluss nach außen und die in allen Ein­rich­tun­gen rel­e­vante Sorge um die „Seele“ bieten sich als Ver­gle­ich an, der Grad der Frei­willigkeit beim Ein­tritt in eine Ver­wahrin­sti­tu­tion dif­ferierte dage­gen deutlich.

Inhaltsverze­ich­nis

Vor­wort zur Rei­he „Geschlossene Häuser. His­torische Stu­di­en zu Insti­tu­tio­nen und Orten der Separierung, Ver­wahrung und Bestra­fung“ 7

Ein­leitung

Ger­hard Ammerer
Innen­welt und Ord­nungsarrange­ments. Anstal­ten der Separierung, Ver­wahrung und Bestra­fung – zur Ein­führung  13

Christi­na Vanja
Orte der Ver­wahrung – Meta­phern und soziale Wirk­lichkeit  31

Zucht- und Arbeitshäuser/Gefängnisse

Hel­mut Bräuer
Ober­säch­sis­che Zucht- und Arbeit­shäuser vor 1715/16. Pro­jek­te – Real­i­sa­tion – Kon­flik­te 61

Rupert Tiefen­thaler
Die Organ­i­sa­tion von Strafe – Gefäng­nis und Arbeit­shaus in Liecht­en­stein 75

Lukas Gschwend
Zuchthaus und Schel­len­werk – Insti­tu­tion­al­isierung, Funk­tion­al­isierung und Organ­i­sa­tion der früh­neuzeitlichen Frei­heitsstrafe unter beson­der­er Berück­sich­ti­gung der Alten Eidgenossen­schaft   85

Falk Bretschnei­der
Der Raum der Einsper­rung – Raumkon­sti­tu­tion zwis­chen insti­tu­tioneller Sta­bil­isierungsleis­tung und eigensin­ni­gen Nutzungsweisen. Das Beispiel Sach­sen 103

Sabine Pitschei­der
„Bis zur Besserung“. Die Prax­is von Ein­weisung, Anhal­tung und Ent­las­sung im Prov­inzialzwangsar­beit­shaus Schwaz/Innsbruck 1825 bis 1860 131

Tobias Wun­schik
Pri­mat der Erziehung oder der Ökonomie? Der Arbeit­sein­satz von Gefan­genen in der DDR 149

Gerd Säl­ter
Überwachen und Strafen in einem Gefäng­nis der DDR. Das beson­dere Beispiel Bautzen II in den 1980er-Jahren  167

Hos­pitäler

Ste­fan Sonderegger
Wirtschaft mit sozialem Auf­trag. Zur Wirtschafts­führung des Heiliggeist­spi­tals St. Gallen im 15. Jahrhun­dert 191

Alfred Ste­fan Weiß
Öster­re­ichis­che Hos­pitäler in der Frühen Neuzeit als „kaserniert­er Raum“? Norm und Prax­is 217

Car­los Watzka
Totale Insti­tu­tio­nen und/oder „Diszi­pli­nar-Anstal­ten“ in der Frühen Neuzeit? Das Prob­lem der sozialen Kon­trolle in Hos­pitälern und deren Funk­tio­nen der „Ver­wahrung“ und „Ver­sorgung“ am Beispiel des Her­zog­tums Steier­mark 235

Sebas­t­ian Schmidt
„Scan­dalös undt intol­er­a­bell“. Zur Ver­wal­tung­sprax­is und Kon­trolle früh­neuzeitlich­er Hos­pitäler am Mit­tel­rhein und an der Mosel 255

Mar­tin Scheutz
„Der blaue Her­rgott“. Das nicht-bürg­er­liche Ver­sorgung­shaus „Alser­bach“ als Zen­tralanstalt der Wiener Ver­sorgung­shäuser im 19. Jahrhun­dert 269

Klöster

Heinz Dop­sch
Klöster als Orte der Ver­wahrung? Zwis­chen benedik­tinis­ch­er Orts­ge­bun­den­heit und apos­tolis­ch­er Mis­sion 297

Chris­tine Schneider
„Unser geistlich­es Haus“. Klausur und innere Organ­i­sa­tion der öster­re­ichis­chen Ursu­li­nen­klöster im 18. Jahrhun­dert 327

Ute Strö­bele
„Frey­heit und Erle­ichterung“ oder „erforder­liche Ver­wahrung“ – Vorderöster­re­ichis­che Frauen­klöster im Span­nungs­feld josephinis­ch­er Kloster­poli­tik 343

Abkürzungs- und Siglen­verze­ich­nis 363
Verze­ich­nis der Mitarbeiter/innen  365

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