Konferenz: Die Stimme der ewigen Verlierer? Aufstände, Revolten und Revolutionen in den „österreichischen“ Ländern (ca. 1450–1815) (18.05.2011–20.05.2011)
Veranstalter: | Peter Rauscher / Martin Scheutz, Institut für Geschichte, Universität Wien; Institut für Österreichische Geschichtsforschung; Wiener Stadt- und Landesarchiv Wien |
Datum, Ort: | 18.05.2011–20.05.2011, Wiener Stadt- und Landesarchiv, Guglgasse 14/4, 1110 Wien |
Wohl nicht zufällig parallel zum Fall des Eisernen Vorhangs und zur zunehmenden Integration der ostmitteleuropäischen Länder in die Europäische Union rückte in den beiden letzten Jahrzehnten die aus zahlreichen Königreichen und Ländern zusammengesetzte, multiethnische Habsburgermonarchie („Multiple Kingdom Monarchy“) verstärkt in den Fokus der Geschichtswissenschaft. Hatten lange Jahrzehnte die jeweiligen nationalen Geschichtstraditionen der einzelnen Nachfolgestaaten der 1918 zerfallenen Monarchie den Blick auf die Vergangenheit dominiert, rücken nun der „Gesamtstaat“ und dessen Funktionieren bzw. auch die Frage nach den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit in den Vordergrund: Besonders in der österreichischen Frühneuzeitforschung wurde und wird nach länderübergreifenden Strukturen, zunehmender Zentralisierung und Staatsbildung gefragt: Untersucht werden daher die Verwaltung des Habsburgerreiches, der Kaiserhof als Herrschaftszentrum, die Entwicklung des Steuerwesens und der militärischen Macht oder die Rolle eines „Reichsadels“. Da gerade der Adel nicht nur die Schaltstellen am Hof besetzte, sondern als Grundbesitzer und einflussreichste Ständegruppe ein kaum zu überschätzendes Verbindungsglied zwischen Monarchie und Untertanen bildete, wird dessen Rolle im Zuge einer vergleichenden Ständegeschichte derzeit intensiv erforscht.
Weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde bisher der überwiegenden Bevölkerungsmehrheit, nämlich den bäuerlichen und unterbäuerlichen Untertanen, gewidmet. Dabei hatte gerade diese Bevölkerungsgruppe einen Großteil der Steuerleistungen aufzubringen und die – nicht zuletzt unter Zwang – Rekruten für das Militär zur Landesverteidigung oder für das nach 1650 rasch wachsende stehende Heer des Kaisers zu stellen hatten. Mit der Reformation kam auch eine ideologische Überhöhung des Widerstandsrechtes ins Spiel, die aber vor allem von den oberen Ständen (Herren, Ritter) eingesetzt wurde. Die Reaktionen der untertänigen Bevölkerung auf zunehmende landesfürstliche und grundherrschaftliche Abgaben und Steuern, auf militärische Belasten (Einquartierungen, Rekrutierungen), auf die Einschränkung von Gemeindeautonomie, auf die obrigkeitlich verordnete Religion oder etwa auf den Klimawandel waren bislang historiographisch meist Gegenstand landesgeschichtlicher, in den vielen Sprachen der Nachfolgestaaten verfasster Forschungen. Nur durch die Berücksichtigung der jeweiligen lokalen und regionalen Rahmenbedingungen können die völlig unterschiedlichen Möglichkeiten der politischen Partizipation durch bürgerliche und bäuerliche Eliten im Rahmen der Stände und verschiedenen Wirtschafts‑, Rechts- und Besitzverhältnissen innerhalb des habsburgischen Herrschaftsraums Rechnung getragen werden. Eine Analyse der Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Widerstands gegen die Intensivierung staatlicher Herrschaft innerhalb der Habsburgermonarchie ist auf dieser Basis freilich kaum möglich. Hier setzt die Tagung „Die Stimme der ewigen Verlierer? Aufstände, Revolten und Revolutionen in der Habsburgermonarchie in der Zeit Alteuropas (Spätmittelalter bis 1815)“ an.
Während ständischer Widerstand gegen den Fürstenstaat als integraler Bestandteil der politischen Strukturgeschichte der Habsburgermonarchie in letzter Zeit häufiger Gegenstand der Forschung war, sollen bei der geplanten Tagung die überraschend schwach entwickelten bürgerlichen und bäuerlichen Formen des Widerstands im Zentrum stehen. Häufig lassen sich soziale, konfessionelle und „nationale“ Widerstandsformen kaum trennen, etwa im Fall der Kuruzzenbewegung. Auch bei der Pazifikation der Unruhen verlaufen die Fronten häufig quer: Die Stände traten immer wieder als Vermittler bei Unruhen auf, obwohl sie inhaltlich die Anliegen der Aufständischen (etwa im konfessionellen Bereich) und die Stoßrichtung deren Beschwerden teilten. Nicht zuletzt soll die Perspektive der „unruhigen“ Untertanen, die scheinbar ohne Verstand und gegen jede Vernunft Widerstandsaktionen setzten und dafür regelmäßig bestraft wurden, besser in den Blick kommen. Was war der Erfolg von diesen Aufstandsbewegungen, gab es rechtliche, wirtschaftliche und soziale Besserstellungen nach den Aufständen oder nicht? Gibt es Dynamiken (Ost-West-Bewegungen) bei den Aufstandsbewegungen der Habsburgermoanrchie? Wie gestaltet sich das Verhältnis von überregionalen, großen Bauernkriegen (1525/26, 1596, 1597, 1626, 1680 etc.) und lokalen Aufständen etc.
Das genaue Programm ist nun unter
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=15909
online.