Gastbeitrag im uni:viewMagazin: Adel und Kirchen – aber keine Universität

Im uni:viewMagazin der Uni­ver­sität Wien find­et sich ein Beirag zur aktuellen Buch­pub­lika­tion: Adel und Kirchen – aber keine Uni­ver­sität (Gast­beitrag von Mar­tin Scheutz und Fer­di­nand Opll)

Der ganze Beitrag ist zu find­en unter: http://medienportal.univie.ac.at/uniview/forschung/detailansicht/artikel/adel-und-kirchen-aber-keine-universitaet/#mce_temp_url#

Hier der gesamte Artikel:

Adel und Kirchen – aber keine Universität

Gast­beitrag von Mar­tin Scheutz und Fer­di­nand Opll

Der protes­tantis­che Kar­to­graph Job Hart­mann Enenkel ver­gaß in seinem Wien-Plan (um 1620) die Uni­ver­sität Wien einzuze­ich­nen. Welche Absicht dahin­ter stand und warum unter dem Haupt­ge­bäude der Uni­ver­sität Wien Kanonenkugeln lagerten, erzählen die His­torik­er Mar­tin Scheutz und Fer­di­nand Opll.

Nein, die Wiener Uni­ver­sität hat auf einem Wien-Plan aus den frühen 1620er Jahren keinen Platz. Die Wis­sen­sein­rich­tung war damals ger­ade von den Jesuit­en über­nom­men wor­den, was einen adeli­gen, protes­tantis­chen Kar­tographen wohl nur mäßig freute. Wenn schon keine Sen­sa­tion, so ist der im oberöster­re­ichis­chen Stift­sarchiv Schlier­bach aufge­fun­dene Plan – 1980 wurde er erst­mals pub­liziert – doch eine über­raschende Wieder­ent­deck­ung. Immer­hin existierten für die rund 150 Jahre zwis­chen der ersten (1529) und zweit­en (1683) Belagerung Wiens durch die osman­is­chen Trup­pen kaum Pläne für die Haupt- und Residenzstadt.

Adelige Frei­häuser

Der poly­glotte human­is­tisch geprägte Adelige Job Hart­mann von Enenkel (1576–1627), der in Ital­ien aus­ge­bildet wurde und lange im Dienst der Land­stände sowie des hab­s­bur­gis­chen Lan­des­fürsten stand, legte den Plan in den frühen 1620er Jahren an. Der Grund dafür war ver­mut­lich die Verze­ich­nung adeliger Frei­häuser. In der früh­neuzeitlichen Res­i­den­zs­tadt geri­eten die Bürg­er durch den in die Stadt drän­gen­den Adel und die neuen Orden – wie etwa Jesuit­en – immer mehr in die Defen­sive. Der Adel wohnte in so genan­nten Frei­häusern. Diese unter­standen nicht der städtis­chen Recht­sprechung und waren von der Steuer befre­it. Der Wiener Stad­trat erkan­nte zwar in den Adeli­gen eine kaufkräftige, die Wirtschaft pos­i­tiv bee­in­flussende Schicht. Jedoch wur­den die an den Lan­des­fürsten zu entrich­t­en­den Steuern von immer weniger bürg­er­lichen Häusern entrichtet – und das in Zeit­en steigen­der Steuer­last durch den Dreißigjähri­gen Krieg.

Die Schot­tenkirche, die Freyung und das mächtige Schot­ten­tor in der Sicht der frühen 1620er Jahre aus dem Schlier­bach-Plan (Stift­sarchiv Schlier­bach, Hs. A XXIV, Band 2, Blatt 24).

Schuss und Gegenschuss

Vor dem Hin­ter­grund steigen­der Steuer­leis­tun­gen ver­suchte die Stadt Wien die weit­ere Aus­dehnung adeliger Frei­häuser zu ver­hin­dern. So ging man mit dem hab­s­bur­gis­chen Stadther­rn Fer­di­nand II. einen Deal ein: Für die hab­s­bur­gis­che Zusicherung, keine weit­eren Frei­häuser in der Stadt zu erricht­en, musste die Stadt ver­sprechen, keine Bürg­er mehr aufzunehmen, die nicht „unser­er allein seel­ig­machen­den catholis­chen heili­gen reli­gion zuge­tan“ waren. Der Planze­ich­n­er Job Hart­mann von Enenkel, ein his­torisch bre­it inter­essiert­er protes­tantis­ch­er Adeliger, war im Rah­men ein­er Kom­mis­sion damit beauf­tragt, den Sta­tus quo der adeli­gen Häuser inner­halb der Stadt zu erheben.

Die Schot­tenkirche auf dem Ang­ieli­ni-Plan um 1560 (in gesüde­ter Ansicht). Auf diesen Wien-Plan stützte sich Job Hart­mann. Anders als der ital­ienis­chen Fes­tungs­baumeis­ter­fam­i­lie fer­tigte Hart­mann jedoch eine genordete, heute übliche Ansicht an.

Die Schot­tenkirche auf dem Ang­ieli­ni-Plan um 1560 (in gesüde­ter Ansicht). Auf diesen Wien-Plan stützte sich Job Hart­mann. Anders als der ital­ienis­chen Fes­tungs­baumeis­ter­fam­i­lie fer­tigte Hart­mann jedoch eine genordete, heute übliche Ansicht an.

Um das Rad nicht gän­zlich neu erfind­en zu müssen, stützte sich Job Hart­mann auf den Wien-Plan der ital­ienis­chen Fes­tungs­baumeis­ter­fam­i­lie Ang­ieli­ni aus den 1560er Jahren. Dort wird die Stadt Wien von Nor­den nach Süden gezeigt, also in ein­er „gesüde­ten“ Ansicht. Job Hart­manns Wien-Plan zeigt die Stadt dage­gen aus ein­er „genorde­ten“, heute üblichen Ansicht (also von Süden nach Nor­den). Legt man die bei­den Pläne nebeneinan­der, kön­nte man filmisch von „Schuss“ und „Gegen­schuss“ sprechen. Job Hart­mann hat­te sich im Rah­men sein­er Kava­lier­s­tour nach Ital­ien auch mit math­e­ma­tis­chen und kar­tographis­chen Fra­gen beschäftigt und mehrere Karten von europäis­chen Län­dern geze­ich­net – aber auch Karten gesam­melt. Sein Bib­lio­thek­skat­a­log umfasst 800 Seiten.

Faszinierende Details

Das Beson­dere des heute im Stift­sarchiv Schlier­bach ver­wahrten Wien-Plans sind die vie­len, bis­lang wenig beachteten Details: Nicht nur die Fes­tung mit ihren zahlre­ichen Basteien und Stadt­toren, son­dern auch die lan­des­fürstlichen Waf­fen­lager – die soge­nan­nten Arse­nale – scheinen in Zeich­nun­gen auf. In unmit­tel­bar­er Nähe des hin­ter der Schot­tenkirche gele­ge­nen kaiser­lichen Zeughaus­es find­et sich auch das Fluss-Schiff-Arse­nal, wo die kaiser­liche Donau­flot­tille ihr Trock­endock besaß. Neben den mit Num­mern verse­henen Gebäu­den der Adeli­gen, die in ein­er Art Fußnote aufgelöst wur­den, find­en sich viele Kirchen anhand klein­er Sym­bol­ze­ich­nun­gen dargestellt.

Links die Schot­tenkirche (in genorde­ter Ansicht) und rechts das Fluss-Schiff-Arse­nal, bei­des aus dem Schlier­bach-Plan um 1620. Im Fluss-Schiff-Arse­nal befand sich das Trock­endock der kaiser­lichen Donauflottlinie.

Vor­w­erke wichen Universität

Die Schot­tenkirche etwa wird noch in der Gestalt vor dem Umbau der späten 1630er Jahren gezeigt. Aber auch andere Kirchen­baut­en zeigen schon die gegen­re­for­ma­torische Kloster- und Kirchenof­fen­sive. Wien zeigt sich den Betra­ch­terIn­nen als eine hochgerüstete Stadt: Der gesamthab­s­bur­gis­che Adel suchte ver­mehrt die Nähe zum Hof – entsprechend promi­nent ist im Schlier­bach-Plan die Wiener Hof­burg dargestellt. An der Stelle, wo sich heute das Haupt­ge­bäude der Uni­ver­sität Wien befind­et, standen damals die Vor­w­erke der Mölk­er Bastei – jen­er Bastei, die sich hin­ter dem Melk­er Stift­shof befand. Daher fand man während der Errich­tung der Uni­ver­sität Wien ab den 1870er Jahren mil­itärische Werkzeuge wie Kanonenkugeln.

Auf dem Gebi­et des heuti­gen Haupt­ge­bäudes der Uni­ver­sität Wien befand sich im 17. Jhdt. die Mölker­bastei. (Schlier­bach-Plan um 1620)