Bodenständig – ein Plädoyer…

In den letzten Tagen habe ich mir öfter Gedanken gemacht zu einem bestimmten Begriff – bodenständig. Meine Gedanken dazu möchte ich gerne teilen und mich auch ein Stück weit deklarieren.

Welche Assoziationsketten zum Wort bodenständig in unseren Köpfen auftauchen muss jede/r für sich selbst überprüfen. Die „klassischen“ Assoziationen sind in jedem Fall nicht unbedingt positiv konnotiert: Denn bodenständige Menschen werden oft als langweilig betrachtet, da bei ihnen alles in festen Bahnen laufen soll und Veränderungen zumindest schwierig sind. Das Essen pünktlich auf dem Tisch, der Bausparer um mögliche finanzielle Unwägbarkeiten abfedern zu können, jedes Jahr derselbe Urlaub (wenn überhaupt), dieselben Gewohnheiten, Loyalität im Allgemeinen und speziell zu Familie und Freundschaften. Kurzum wer will von sich schon behaupten bodenständig zu sein, wenn das die Assoziationen dazu sind? LeserInnen hier wissen aber auch, was ich seit geraumen Jahren als meine Grundeigenschaften aufzählen würde:

der dümmste Bauer hat die größten Erdäpfeln?

Beständigkeit/Loyalität – Verlässlichkeit – Engagement/Lernfreudigkeit

Und siehe da, ich war ziemlich erstaunt zu sehen, welche Überschneidungen da zumindest in den ersten beiden Assoziationen auftauchten. Bisher hätte ich mich wohl eher nicht als bodenständigen Menschen bezeichnet. Ich muss wohl als Folge meine innere Selbstbeschreibung und meine Außenwahrnehmung wohl etwas harmonisieren:

gerade die Erdäpfeln sind für mich ein gutes Synonym – denn jedes Jahr „plage“ ich mich damit und ich habe schon viele Diskussionen geführt mit FreundInnen, warum ich das eigentlich mache…aber in meiner „Sturheit/ Überzeugtheit“ habe ich es bis jetzt durchgezogen sie einzupflanzen (ernten ging sich nicht immer komplett aus)…die Erdäpfeln gehören für mich einfach „dazu“, es ist schwer zu beschreiben, aber es würde was fehlen, wenn ich es nicht machen würde

Ich bin also ein bodenständiger Mensch und zwar in folgendem Sinne: Mir geht es in meinem Tun und Sein nicht um Stillstand, sondern um stabile Beweglichkeit (das berühmte Standbein und das Spielbein). Ja Stabilität und Beständigkeit sind mir sehr wichtig in fast allen Bereichen meines Lebens, dies kann manches Mal zu einer Belastung werden, weil ich länger an gewohnten Routinen festhänge, als gut für mich ist, die Kunst (die ich offensichtlich noch lernen muss) dabei ist, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen. Ich tue mir tatsächlich geistig schwer mit Veränderung und oftmals sind Veränderungsprozesse von außen initiiert – sind sie dann aber mal da, dann habe ich eh keine Wahl mehr, gehe ich sie konsequent bis zum Ende.

Ebenfalls für mich sehr wichtig sind Loyalität und Verlässlichkeit. Mir käme es nicht in den Sinn, weder das Eine noch das Andere für einen anderen Vorteil zu verbiegen oder aufzugeben. Mein Wort ist mir wichtig und ich vertraue noch auf die gute „Handschlagsqualität.“ Natürlich ist es mir schon öfter passiert, dass ich genau mit diesem Vertrauen auf die Nase gefallen bin und ich bin (leider) schon viel vorsichtiger geworden was den Handschlag angeht, ABER eigentlich will ich im Grunde meines Herzens den Menschen vertrauen. Vollkommen unverständlich ist es für mich dann, wenn absichtlich getäuscht wird aus bewusstem Kalkül heraus.

Für mich ist es ein Stück weit eine Selbsterkenntnis und ein „benennen“ können des eigenen Tuns. Ich bin ein bodenständiger Mensch. Ich mag gerne dieselben Sachen machen und finde darin Beruhigung, Sicherheit und Stabilität in einem Umfeld, dass ich nicht immer zu 100% selber steuern kann und der gerade im (riesigen) geopolitischen Kontext, mit dem ich mich beruflich ja viel beschäftige, beständig beunruhigt. Vielleicht ist es mir deshalb so wichtig für mich, dass nicht immer alles und ständig auf dem Prüfstand stehen muss und ich deshalb viele Routinen aufbauen möchte? Ich fahre gerne in das Stift Zwettl mit den Kindern – es vermittelt für mich Ruhe und ich möchte diese Ruhe gerne mit ihnen teilen. Für mich ist bodenständig sein, keinesfalls etwas negatives und ich möchte es auch nicht so ausgelegt wissen, weil ich für mich und meinem Tun da dagegen halten werde.

Oft denke ich im Zusammenhang auch an Goethe, der ja sagte: „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ Ich glaube ich bin gut den Kindern Wurzeln zu geben, bei den Flügeln muss ich noch lernen, aber es wird werden, denn ich vertraue auf meine stabile Beweglichkeit, die ich durch meine Bodenständigkeit gewinnen kann. Es ist nicht meine Art meine „Fahne nach dem gerade herrschenden Wind zu drehen.“ Das Eigenschaftspaar bodenständig und konstant bietet für mich höheren Mehrwert, als ständig flexibel zu sein (wobei auch letzteres seine Berechtigung hat, aber nicht den Kern meines Seins trifft).

die große Tochter bei unserem Venedig-Urlaub 2019

und damit ihr nicht glaubt, ich hänge nur tiefsinnigen Überlegungen im neuen Jahr 2023 nach, wollte ich noch ein Bild teilen von meinem ersten Versuch an der BOKU einen großen Topf Kinderpunsch herzustellen. Eigentlich ist er gut gelungen und ich habe an fast alles gedacht, NUR hätte ich wesentlich MEHR Zucker mitnehmen müssen, damit er so geschmeckt hätte, wie „normal“. Allerdings waren die KollegInnen und Studierenden total nett und haben ihn fast total ausgetrunken ohne sich anmerken zu lassen, dass er doch mehr Zucker vertragen hätte.

Ich wünsche euch einen guten Start in das neue Jahr 2023!

kurz vor Weihnachten noch (Kinder)punsch für unsere Studierenden bei „Negotiating Change“ gemacht — was ich mir wohl für die Zukunft merken werde, Punsch, so wie wir ihn gewohnt sind, erfordert viel mehr Zucker als ich da reingegeben hatte… 🙂