Dr. Ljiljana Radonić, Privdoz.
ljiljana.radonic@univie.ac.at

Lehrveranstaltungen

SS 2017

Vorlesung: Antisemitismustheorie

Montags 15:15, HS 04.11, Universität Graz

Es bedurfte nicht erst des Anschlags auf einen koscheren Supermarkt Anfang 2015 in Paris, um die aktuelle Virulenz des Antisemitismus zu verdeutlichen. Die Ideengeschichte des Begriffes, der Wandel des Phänomens und unterschiedliche Erklärungsansätze für Antisemitismus bilden den Schwerpunkt dieser Vorlesung. Dabei sollen anhand von Grundlagenliteratur die Merkmale des religiösen Antijudaismus sowie des modernen, sekundären und neuen Antisemitismus herausgearbeitet werden. Warum kam es zu einer Transformation vom religiösen zum modernen Antisemitismus? Welche Momente des modernen Antisemitismus zeichnen auch den sekundären Antisemitismus aus, was ist hingegen neu an diesem Antisemitismus nach Auschwitz? Kam es auch zu einer Transformation visueller antisemitischer Darstellungen? Ist der Begriff des ‚neuen Antisemitismus‘ geeignet, um die Übereinstimmungen zwischen Antisemitismus von rechts, links sowie dem islamischen Antisemitismus zu fassen? Lässt sich Antisemitismus als eine Unterform von Rassismus begreifen und inwiefern unterscheidet er sich von Antiziganismus? Wie lässt sich das Phänomen – etwa mithilfe der Erkenntnisse der Kritischen Theorie oder der Freudschen Psychoanalyse – in den größeren Zusammenhang von Vorurteilen und autoritären Strukturen einordnen?

Seminar: Geschlechterverhältnis und Nationalsozialismus in den Augen jüdischer, nicht‐jüdischer und christlicher Feministinnen nach 1945

Dienstags 17:15, Centrum für Jüdische Studien, Universität Graz

Im Fokus des Seminar stehen die Rolle, insbesondere die Täterinnenschaft von Frauen im Nationalsozialismus sowie der Umgang der ‚neuen Frauenbewegung‘ in Deutschland und Österreich mit diesem Thema. Das Verhältnis zwischen jüdischen Feministinnen, nicht-jüdischen Kritikerinnen des ‚weiblichen Opfermythos‘ und den Proponentinnen desselben wird anhand von Schlüsseltexten diskutiert. Ferner wird der Frage nachgegangen, wie haltbar das von Margarete Mitscherlich vertretene Konzept der ‚friedfertigen Frau‘, die weniger zu Antisemitismus neige, ist und ob Frauen auf die gleiche Weise ‚anfällig‘ für Rassismus und Antisemitismus sind wie Männer. Liegt der Vorstellung, dass Juden die Mörder des Matriarchats und das Judentum eine besonders patriarchale Religion ist, ein spezifisch weiblicher Antisemitismus zugrunde? In der Lehrveranstaltung werden historische Studien über Täterinnen, Texte, die weibliche Opfermythen einerseits reproduzieren und andererseits kritisieren, sowie aktuelle Analysen zur Diskussion gestellt.

Seminar: Shoah und Porajmos in Ostmittel- und Südosteuropa – Erinnerungspolitik und Musealisierung

Mittwochs 12:30, Centrum für Jüdische Studien, Universität Graz

Nach 1989 entstanden in den postsozialistischen Staaten aus Gründen der Abgrenzung zur sozialistischen Vergangenheit neue Geschichtsnarrative. Insbesondere vergangene Phasen vorgeblicher nationaler Unabhängigkeit rückten in den Blick der neuen Geschichtsschreibung, wodurch z.B. ‚Satellitenstaaten‘ NS-Deutschlands als Meilensteine auf dem Weg zur nationalen Unabhängigkeit gefeiert wurden. Während im ‚Westen‘ der Holocaust zunehmend als gemeinsamer negativer europäischer Gründungsmythos betrachtet wurde, wurde die im Sozialismus übliche Marginalisierung der Shoa in den postsozialistischen Staaten nur langsam überwunden – im Fokus stand dort vor allem die Erinnerung an das eigene Leiden im Sozialismus. Erst im Zuge der ‚Europäisierung der Erinnerung‘ rückte rund um die EU‐Osterweiterung auch der Massenmord an Roma (Porajmos) allmählich ins Blickfeld, etwa in neuen ständigen Ausstellungen von Gedenkmuseen. Wie werden in postsozialistischen Ländern ‚wir‘ im Vergleich zu ‚den Juden‘ und ‚den Roma‘ in Museen, Schulbüchern, Filmen, Romanen etc. charakterisiert? Können Veränderungen im erinnerungspolitischen Diskurs durch die Wahlsiege von Fidesz 2010 in Ungarn, „Recht und Gerechtigkeit“ 2015 in Polen oder der HDZ 2016 in Kroatien ausgemacht werden? Und vor allem: wie verorten sich Jüdinnen und Juden, Roma und Romnija in diesen Debatten?