Barbara Cargnelli-Weichselbaum ist eine an der Universität Wien tätige Expertin in Sachen Disziplinarverfahren für Beamte, die ich kürzlich persönlich kennenlernen durfte. Durch die Lektüre ihrer Aufsätze habe ich einiges gelernt, so etwa:

1. Was die Einführung eines geregelten Disziplinarverfahrens im Rahmen der Dienstpragmatik von 1914 bedeutete. In den Worten des Juristen Hans Nawiasky (der damit die Situation vor Einführung der Dienstpragmatik schildert): „Der Beschuldigte war Objekt, ohne alle Parteienrechte, ohne Verteidigung; Ankläger und Richter waren nicht getrennt. Das war mit einem Wort der Inquisitionsprozeß.“*

2. Dass das Disziplinarverfahren für Verwaltungsbeamte in der Dienstpragmatik von 1914 sich an den Regelungen des Disziplinargesetzes
für richterliche Beamte aus 1868 orientierte. Im Fall des Vorbilds waren die beteiligten Protagonisten Richter und Staatsanwälte, für die es aufgrund ihrer Ausbildung nicht weiter schwierig war solche Verfahren durchzuführen. Anders im Fall der Verwaltungsbeamten, die zwar in höheren Rängen oft Juristen waren, aber eben nicht notwendigerweise Erfahrung mit der Durchführung von Gerichtsverfahren hatten.**

3. Dass erst seit dem Beamtendienstrechtsgesetz von 1979 das Disziplinarrecht nicht mehr auf die „Amts- und Standespflichten“, sondern nur mehr auf die „Dienstpflichten“ abzielt. Beamte des Ruhestandes unterlagen (anders als in der Dienstpragmatik) keinen Verhaltenspflichten mehr. Das bedeutet zumindest disziplinarrechtlich eine zunehmende Entflechtung von dienstlichem und privatem Leben der Beamten in Österreich.***

* Hans Nawiasky, Die Dienstpragmatik. Vorlesung gehalten in der freien Vereinigung für staatswissenschaftliche Fortbildung in Wien im November 1913 von Dr. Hans Nawiasky, Privatdozent der Universität Wien, Wien / Leipzig 1914, 31., zitiert in: Barbara Cargnelli-Weichselbaum, Geschichte und Funktion des Disziplinaranwalts im Beamtenrecht, in: Gerald Kohl & Ilse Reiter-Zatloukal (Hrsg.), „…das Interesse des Staates zu wahren“: Staatsanwaltschaften und andere Einrichtungen zur Vertretung öffentlicher Interessen. Verlag Österreich, Wien 2018, 397 – 431.

** Cargnelli-Weichselbaum, Geschichte und Funktion des Disziplinaranwalts im Beamtenrecht. 408f.

*** Ebd. 419.

Bildquelle: https://www.amazon.de/BDG-Beamten-Dienstrechtsgesetz-erl%C3%A4uternden-Literaturhinweisen-Gesetzausgaben/dp/3214122258