Die Dienstpragmatik von 1914, das entscheidende Gesetzeswerk für die meisten öffentlich Bediensteten*, unterscheidet in den Abschnitten über das Disziplinarrecht zwischen Verletzungen der Amts- und der Standespflichten. Eine Verletzung der Amts- oder auch Dienstpflicht, wie sie nur im Rahmen des Post- und Telegraphenwesens vorkommen konnte, findet sich in folgendem Fall:

Im Jahr 1934 wurde ein Oberoffizial im Post- und Telegraphendienst in Wien 4 beschuldigt, eine Marke im Wert von 30 g für eigene Verwendung von einem Brief gelöst zu haben. Darüber hinaus warf man ihm die „eigenmächtige Vornahme einer Wortzusammenziehung in einem Telegramm“ und die Einbehaltung der daraus resultierenden Differenzgebühr vor. In erster Instanz erkannte die Disziplinarkommission auf die Versetzung des 41jährigen verheirateten Oberoffizials in den dauernden Ruhestand mit um 10 % gemindertem Ruhegenuss. Seiner Berufung wurde hinsichtlich der Schuld nicht stattgegeben, wohl aber hinsichtlich des Strafausmaßes: dieDisziplinarstrafe in zweiter Instanz gemildert: der Ruhegenuss wurde lediglich um 1 % gemindert. Dies geschah trotz bestehender voriger Disziplinarstrafen (beleidigende Ausfälle gegen den Amtsvorstand (1923), Aneignung eines Briefes (1924) unredliche Gebarung (1933)), hatte der Beschuldigte doch nicht nur sich selbst, sondern seine (in der Sache schuldlose) Gattin zu erhalten.

*RGBl. Nr. 15 vom 25. 1. 1914; für Richter, Lehrer_innen und Bedienstete der Eisenbahnen gab es eigene Dienstpragmatiken.

(Quelle: (Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Bundeskanzleramt (BKA), BKA-I Präs, Disziplinaroberkommission (DOK), Karton 18: Emmerich Gehart).