Frisch erschienen: Artikel zum russischen Minderheitenministerium in der Ukrainischen Volksrepublik

Dieser Aufsatz untersucht den Wandel des politischen Selbstverständnisses der in der revolutionären Ukraine lebenden Russen anhand des Ministeriums für großrussische Angelegenheiten, das von Herbst 1917 bis Sommer 1918 in der Ukrainischen Volksrepublik bestand.

Open access: Vid impers’koho narodu do nacional’noji menšyny. Ministerstvo velykorus’kych sprav v Ukrajini, 1917–18 rr. [Vom Staatsvolk zur nationalen Minderheit. Das Ministerium für großrussische Angelegenheiten in der Ukraine, 1917–1918]. In: Ukrajina Moderna 29, 2020, 164–188 [auf Ukrainisch]

Abstract

Die Forschung zur Ukrainischen Revolution hat in den letzten Jahren immer wieder auf die Bedeutung der nicht-ukrainischen Bevölkerung im ukrainischen Staatsbildungsprozess verwiesen. Dabei hat man Juden, Polen und Deutschen mehr Aufmerksamkeit gewidmet als der größten Bevölkerungsgruppe, den Russen. Letztere wurde im Lauf von nur einem Jahr von der Rolle des staatstragenden Volks an der imperialen Peripherie in die Position einer nationalen Minderheit in einem fremden Nationalstaat gedrängt.

Auf der Basis von Akten dieses Ministeriums aus dem Central’nyj Deržavnyj Istoryčnyj Archiv u Kyjevi verweise ich zum einen darauf, dass das großrussische Ministerium aktiver war als landläufig angenommen. Zum anderen zeige ich, dass sich dieses Ministerium im Kontext der beiden anderen Minderheitenministerien verstand und somit eine kooperative und konstruktive Rolle im Staatsbildungsprozess einnahm. Das großrussische Ministerium verstand sich nicht nur als reiner Interessensvertreter der russischen Bevölkerung innerhalb der ukrainischen Regierung. Es versuchte ebenfalls, die Voraussetzungen zum Aufbau jener Selbstverwaltungsorgane zu schaffen, die das ukrainische Gesetz über national-personale Autonomie vom Jänner 1918 bot.