Voriger Eintrag | Jahresübersicht | Indexseite | Nächster Eintrag |
27. XI. 12
Liebste, warum mit Küssen nur die Briefe schließen, da doch die Briefe selbst so unwichtig sind und vor Deiner ersehnten und doch unvorstellbaren Gegenwart Papier und Feder in das Nichts hinüberfliegen würden, das sie auch jetzt und tatsächlich schon sind. Wirklich, Felice, wenn ich so allein in der Nacht hier sitze und wie heute und gestern nicht besonders gut geschrieben habe - es wälzt sich etwas trübe und gleichmüthig fort und die notwendige Klarheit erleuchtet es nur für Augenblicke - und wenn ich mir nun in diesem keineswegs allerbesten Zustand unser Wiedersehen auszudenken versuche, fürchte ich manchmal, dass ich Deinen Anblick, sei es auf der Gasse oder im Bureau oder in Deiner Wohnung, nicht ertragen werde, nicht so ertragen werde, dass mir Menschen oder auch nur Du allein zusehn könnten und dass ein Ertragen Deines Anblicks mir nur möglich sein wird, wenn ich so zerfahren und in Nebeln bin, dass ich gar nicht verdienen werde, vor Dir zu stehn. Nun glücklicherweise bist Du ja keine Statue, sondern lebst und lebst sehr kräftig, vielleicht wird, wenn Du mir dann einmal die Hand gereicht hast, alles gut und mein Gesicht wird vielleicht bald ein menschliches Aussehn bekommen.Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 | werner.haas@univie.ac.at |