Strategie und Spardiktat

Das Bundesheer gibt sich eine revolutionäre Neuausrichtung

In der unerfreulichen Bundesheer-Spardebatte kam kaum zur Sprache, was das Heer können soll. Nun legt es selbst eine detaillierte Strategie vor: Die neue Teilstrategie konkretisiert Vorgaben der österreichischen Sicherheitsstrategie. Die Prioritäten konzentrieren sich jetzt auf die einsatzwahrscheinlichen militärischen Aufgaben. Auch die Investitionen sollen sich daran orientieren. Die Teilstrategie stellt fest, dass eine unmittelbare konventionelle militärische Bedrohung des österreichischen Staatsgebietes – also beispielsweise die klassische Panzerschlacht – „zumindest mittelfristig nicht absehbar“ ist.

Gleichzeitig gewinnen „nicht-konventionelle Formen“ organisierter Gewaltanwendung durch staatliche und nichtstaatliche Akteure auch für Österreich an Bedeutung. Dazu gehören transnationaler Terrorismus und Extremismus, Cyberangriffe, Produktion und Proliferation von Massenvernichtungswaffen (nukleare „Dirty Bombs“, Einsatz chemischer der biologischer Mittel), Naturkatastrophen sowie technische oder ökologische Katastrophen.

Sicherheit endet nicht …

Revolutionär ist, dass das Dokument betont, dass internationale Einsätze als wesentliches Element zur Verteidigung nationaler Sicherheit definiert werden: „Auch internationale Einsätze tragen zur Verteidigung österreichischer Sicherheitsinteressen bei“ und „geografische Entfernung zu Krisenherden stellt keinen ausreichenden Schutz dar.“ Diese Erkenntnis besagt, dass Österreichs Sicherheit und Souveränität nicht an seinen Grenzen aufhören, denn gerade als Kleinstaat in der EU hat Österreich besonderes Interesse am politisch und wirtschaftlich stabilen Umfeld außerhalb Europas.

Kriege produzieren unkontrollierte Flüchtlingsströme, und in einem unsicheren Umfeld gehen Investitionsmöglichkeiten verloren. In dem Dokument werden neben Südosteuropa die Schwarzmeerregion, der Nahe und Mittlere Osten sowie nach Nord- und Sahel-Afrika erwähnt. Die Beteiligung an internationalen Einsätzen und Übungen am gesamten Spektrum der militärischen Aufgaben, von Militärberatung bis zu friedensschaffenden Einsätzen, ist vorgesehen.

… an Österreichs Grenzen

Als bestes verteidigungspolitisches Instrument wird eine „engagierte Neutralitäts- und solidarische Europapolitik“ gesehen. Als neutrales Land könne Österreich in bestimmten Konfliktsituationen glaubwürdiger als Vermittler auftreten. Damit grenzt sich die Teilstrategie von einem Verständnis ab, das Neutralität mit Nichtstun und Heraushalten verwechselt. Österreichs Neutralität bietet einen entscheidenden Vorteil. Sie entbindet Österreich von geopolitischen und bündnisbedingten Rücksichtnahmen. Das bedeutet nicht, überall gewaltsam einzugreifen, sondern friedliche Änderungen zu fördern.

Schließlich fordert die Teilstrategie, dass Österreich mindestens 1100 Soldaten für Auslandseinsätze zur Verfügung stellt. Eine Analyse der jeweiligen Situation muss die Einsatzwahrscheinlichkeit prüfen, die die Grundlage für eine nicht immer leichte politische Entscheidung sein soll. Dabei muss das Risiko für die eigenen Soldaten mit den Erfolgschancen des Einsatzes gegeneinander abgewogen werden. 1981 forderte etwa der Uno-Generalsekretär Kurt Waldheim österreichische Friedenstruppen für den Libanon an. Für Kanzler Bruno Kreisky war trotz seines Eintretens für eine aktive Neutralitätspolitik das Risiko zu groß. 1982 kam es dann zum Krieg im Libanon. (Heinz Gärtner, DER STANDARD, 4.12.2014)