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Postkarte an Felice Bauer
Liebste, wieder nichts, ich werde streng gehalten. Also in der Nähe
des Alexanderplatzes (vielfach unseligen Angedenkens) ist das
Heim. Nicht oft, aber übergenug habe ich ihn durchlaufen, durchirrt,
durchnachtwandelt. Wieder kommen mir ins Gedächtnis die Telephongespräche
oder Telephonmonologe, geführt von dem armen Gefangenen in der Telephonzelle
des Askanischen Hofes: Nein, ich will sie doch nicht wiederholen. Dieses
Gepäck wurde wirklich gerne abgeworfen in den Strom der Zeit, aber
es ist doch nützlich,
wenn der vielgewundene wieder zufällig einmal vorüberkommt, die
alten Dinge noch einmal in die Hand zu nehmen. Doch soll man es allerdings
nicht mit den Kopfschmerzen, die ich seit paar Tagen nach einer kleinen
aber genügend ruhigen Zeit herumtrage. - Der Vorwurf in der ersten
Zeile ist nur aus der unvernünftigen Schreibmaschine geglitten, die
vernünftigere Feder erklärt sich mit einem Brief wöchentlich
zufrieden und bewertet außerdem jeden Weg ins Heim als etwas dem
Brief Gleichwertiges. - Hast Du die Briefe des Hirsch?
Ich glaube, es ist ein orthodoxes Hauptwerk der deutschen Juden, ich kenne
es gar nicht. Welche Ausgabe?
Viele Grüße Franz
Max läßt danken und freut sich mit mir (es ist aber eine andere
Freude) über Deine Arbeit im Heim.
Franz
das Heim: Das Jüdische Volksheim befand sich
in einem Wohnviertel des Berliner Proletariats, in der Nähe des Alexanderplatzes.
Vgl. Klara Eschelbacher, "Die Wohnungsfrage", Neue Jüdische
Monatshefte, Jg. IV, Heft 11/12.
Briefe des Hirsch: Ben Usiel [Pseudonym für
Samson Raphael Hirsch], Neunzehn Briefe über Judentum, herausgegeben
von Samson Raphael Hirsch, 1863; 4. Auflage, Frankfurt am Main 1911.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at