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Postkarte an Felice Bauer

[Prag, 2. August [1916]
 


Liebste - schon den 5ten Tag ohne Nachricht, ich will nicht glauben, dass Du nicht schreibst, will auch nicht an Erkrankung oder der gleichen glauben, trotzdem ist es recht trostlos und mein Schreiben verliert den Sinn. Gestern habe ich Dir eine Nummer der Jüdischen Rundschau geschickt, der Aufsatz von Max zeigt, was er gearbeitet hat, die Briefstellen zeigen, um was für Mädchen es sich handelt, das Feuilleton zeigt (nicht sehr gut geschrieben) eine merkwürdige zionistische Stimmung. Jedenfalls mußt Du Dich vor dem Jüdischen Volksheim wegen des Zionismus, den Du nicht genügend kennst, nicht fürchten. Es kommen durch das Volksheim andere Kräfte in Gang und Wirkung, an denen mir vielmehr gelegen ist. Der Zionismus, wenigstens in einem äußern Zipfel, den meisten lebenden Juden erreichbar, ist nur der Eingang zu dem Wichtigern. Was hilft das Schreiben? Du schweigst.

Viele Grüße Franz




der Jüdischen Rundschau: Jüdische Rundschau XXI, Nr. 29 (21. Juli 1916), in der Max Brods Aufsatz, "Aus der Notschule für galizische Flüchtlinge in Prag" und die von Kafka erwähnten Briefproben (S. 241 f.) erschienen sind.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at