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An Grete Bloch
Wegen wessen quälen Sie sich denn, liebes Fräulein Grete? Und
so halsbrecherisch? Mir hätten Sie nicht wohlgetan, mir täten
Sie nicht immerfort Gutes? Mir, der ich Ihnen gegenüber immer das
Gefühl habe, dass es nur zweierlei reines, tränenloses,
an die Grenzen unserer Kraft schlagendes Glück gibt: einen Menschen
haben, der einem treu ist und dem man sich treu fühlt und dann sich
selbst treu sein und sich vollkommen auszunützen, sich ohne Asche
zu verbrennen.
Ihr Brief ist so eilig geschrieben; ich verstehe nicht alles. Wenn man
Sie für Berlin aufnimmt, so muß man Ihnen doch die Möglichkeit
geben, sich dort einzurichten; dass Sie dort Ihre Familie haben, geht
doch niemanden etwas an. Ist es aber notwendig, dass Sie so bald mit
der Arbeit beginnen, dann wird man doch, besonders da Sie in dem gleichen
Gesamtgeschäft bleiben, nicht viel dagegen einwenden können,
dass Sie früher, etwa eine Woche vor Pfingsten, von Wien weggehn.
Und in welchem Zustand, Fräulein Grete, ist jener Brief, nicht geschrieben
sondern gelesen worden, in dem angeblich steht: Bleib', wo Du bist -
Immerhin, damit muß man nun rechnen, dass Sie Pfingsten nicht
in Berlin sein werden, und dass mein Gegenüber im Coupé
zu seinem und meinem Leid mein Vater sein wird. Schlimm! Schlimm! Und in
Berlin werde ich das Kunststück des Empfangstags allein mit meinen
zwei Beinen und Händen ausführen müssen. Ohne Ihre Hilfe.
(F. wird mit ihrem Kunststück beschäftigt sein.) Nun, damit werde
ich mich ab | finden müssen. Und mich damit trösten müssen,
dass Sie endlich aus der Wiener Enge und Trostlosigkeit herauskommen,
Ihre Kräfte fühlen und wieder die so natürliche Lust an
sich selbst bekommen werden. Vielleicht ist Ihre Lage im Wesen gar nicht
so verschieden von meiner, nur dass sie Ihnen überraschender
kam, Ihnen gar nicht entspricht und schließlich prachtvoll von Ihnen
gesprengt werden muß.
Der Schaden, der für mich darin liegt, dass Sie Pfingsten wahrscheinlich
nicht in Berlin sein werden, könnte ja für mich dadurch zum Nutzen
gewendet werden, dass Sie nun doch jetzt mit F. zusammenkommen. Wann
F. kommt, weiß ich allerdings noch nicht bestimmt. Ich nahm an, dass
sie Freitag kommt, jetzt zweifele ich wieder. Gestern hatte ich einen Brief,
in dem sie schreibt: "Grete schrieb mir inzwischen, dass sie
nicht nach Prag kommen kann, da sie bereits am 2. Juni abgehen (schrecklich-schönes
Berliner Wort!) wird. Ich werde ihr aber morgen noch einmal schreiben."
Wenn F. nicht F. wäre, müßten Sie also heute einen Brief
haben, in dem auch etwas über Gmünd stehn müßte. Davon
nämlich schrieb mir F. noch nicht. Für jeden Fall: Sobald ich
bestimmt erfahre, wann F. kommt, telegraphiere ich Ihnen. Es steht Ihnen
dann frei zu telegraphieren: "Ich kommen, und gleich laufe ich und
reserviere Ihnen ein Zimmer in F.'s Hotel.
Doch verstehe ich gut, dass diese Reise durchaus eine Plage wäre
(Samstag her, Sonntag zurück, anders wäre es doch nicht?), abgesehen
von den Belästigungen, die ich wenigstens nicht vollständig von
Ihnen abhalten könnte, und dass es deshalb besser von mir gehandelt
wäre, gar nicht zu bitten.
Herzlichste Grüße Ihres Franz K.
Werden Sie nach Teplitz kommen? Wird sich vielleicht die Berliner Firma
an der Prager Ausstellung beteiligen?
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at