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An Felice Bauer
Du mißverstehst mich, F. Was Du mir über den Breslauer Bekannten
schreibst, kümmert mich gar nicht; wie er heißt, wie er verheiratet
ist, kümmert mich gar nicht; er selbst kümmert mich ja überhaupt
nicht.
Über Deinen Bruder scheinst Du also mittelbar befriedigende Nachricht
bekommen zu haben. Das freut mich um unser aller willen.
Ich hatte erwartet, dass Du mir schon den bestimmten Tag Deiner Ankunft
wirst nennen können. Wenn Du nicht Freitag kommst, ist die eine Wohnung
verloren. Die Wohnung ohne Dich zu nehmen, möchte ich nicht verantworten
wollen, denn das, was an der Wohnung Dir gefiele, müßte den
Ausgleich für die Nachteile bilden, die sich dadurch für Dich
ergeben würden, dass die Wohnung ziemlich weit von der Mitte
der Stadt liegt, dass Du unter lauter Tschechen wärest und einiges
dergleichen. Suche also Dein Kommen möglich zu machen. Ich werde mir
morgen noch andere Wohnungen in einer andern vielleicht bequemer liegenden
Gegend anschauen, damit Du dann ohne zu große Mühe das Beste
wählen kannst. Gestern habe ich eine Wohnung mit 3 Zimmern gesehn,
die nur 700 K kostet, mitten in der Stadt, gleich hinter dem Museum, das
den Wenzelsplatz oben abschließt. Eine Wohnung, wie man sie manchmal
in Angstträumen bewohnt. Schon auf der Treppe kämpft man mit
verschiedenen Gerüchen, man muß durch die finstere Küche
eintreten, in einem Winkel weint ein Haufen Kinder, ein vergittertes Fenster
hat Blei- und Glasglanz, das Ungeziefer wartet in seinen Löchern auf
die Nacht. Das Leben in solchen Wohnungen kann man fast nur als Wirkung
eines Fluches verstehn. Hier wird nicht gearbeitet, gearbeitet wird anderswo,
hier wird nicht gesündigt, gesündigt wird anderswo, hier will
man nur leben und kann es kaum. Wir sollten uns nicht nur Wohnungen ansehn,
die wünschenswert sind, wir sollten einmal zusammen auch eine solche
Wohnung ansehn, Felice.
F.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at