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An Grete Bloch
Liebes Fräulein Grete, nur paar Worte: Ich habe heute einen Brief
von F. bekommen (mit welchen Mitteln er erzwungen ist, schäme ich
mich zu sagen; könnte man die Kraft, die ich darauf verwendet habe,
koncentrieren, man müßte fähig sein, die Sonne vom Himmel
zu reißen), er erklärt vielleicht nicht alles, aber vieles,
auch F.'s Verhalten Ihnen gegenüber. F. hat viel Unglück in ihrer
Familie gehabt, ich weiß aus dem Brief nichts Näheres darüber,
als dass ihr Bruder gestern nach Amerika sich eingeschifft hat. Ob
es ein Geheimnis ist, weiß ich nicht, Ihnen gegenüber gewiß
nicht. Das Unglück mag sehr schlimm sein, ich im ersten Eigennutz
ziehe daraus das Glück, zum ersten Mal seit langer Zeit wieder F.'s
menschliche Stimme zu hören, seit einem halben Jahr etwa zum ersten
Mal wieder. Wären nur die Mittel nicht so schmählich, mit denen
ich das erreicht habe!
Vielleicht habe ich morgen Nachricht von Ihnen. Sie sind mir nicht böse,
Sie dürfen es nicht sein, nicht vor Ihnen bin ich am Schluß
des vorletzten Briefes verstummt, sondern nur vor dem Papier.
Im übrigen habe ich F. heute vorgeschlagen, uns morgen abend in Dresden
zu treffen; ich müßte morgen früh ihre telegraphische Antwort
bekommen.
Herzlichste Grüße Ihres Franz K.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at