Kasuistik in der frühneuzeitlichen Literatur Spaniens
Der in Kooperation mit Michael Scham beim FWF eingebrachte Forschungsantrag folgt der Hypothese, dass juristische, theologische und medizinische Debatten um strittige (Ehr-) Fälle in der Frühen Neuzeit einen veritablen Denkstil entwickeln, der einen fiktionalen Schub mitauslöst und so eine entscheidende Vorbedingung für die Erfolgsgeschichte des europäischen Romans bildet. Umgekehrt wirkt der Aufschwung narrativer kasuistischer Verarbeitungen auf Wissens- und Gesellschaftsordnungen und deren epistemologische Grundlagen zurück. In diesem Zusammenhang erhoffen wir uns auch neue Erkenntnisse in Bezug auf die gesellschaftliche Relevanz und Einbettung der sogenannten Querelle des Femmes. Bei dieser Neuperspektivierung frühneuzeitlicher Geschlechterdebatten kann ich an eine einschlägige Projektmitarbeit und Mitherausgeberschaften anknüpfen.
Erste Ergebnisse
Casuistry and Early Modern Spanish Literature
Eds. Marlen Bidwell-Steiner & Michael Scham. Brill 2022
CASUISTRY AND IMAGINATIVE LITERATURE IN EARLY MODERN SPAIN
MARLEN BIDWELL-STEINER & MICHAEL SCHAM
“Casuistry and Early Modern Spanish Narrative: A Neglected Relationship”
MARLEN BIDWELL-STEINER
“Justice Blindfolded: Law and Crime in the Celestina”
EDWARD H. FRIEDMAN
“Artful Rhetoric: The Case of Lázaro de Tormes”
DAVID ALVAREZ ROBLIN
“The Intrusion of an Apocryphal Guzmán as a (Legal, Moral and Literary) ‘Case’ in Mateo Alemán’s Authentic Second Part”
DAVID MAÑERO LOZANO
“Theological Casuistry and Casuistic Preposterousness: The Fallacious Cases of La pícara Justina”
ANITA TRANINGER
“The Exploration of Circumstance: Casuistry and the Emergence of the Novela Bizantina in Alonso Núñez de Reinoso’s Historia de los amores de Clareo y Florisea, y de los trabajos de Ysea (1552)”
MICHAEL SCHAM
“Comic Casuistry and Common Sense: Sancho Panza’s Governorship”
MECHTHILD ALBERT
„The lawyers‘ tales. Legal Casuistics and the Spanish Golden Age Novella (Cristóbal Suárez de Figueroa, Alonso de Castillo Solórzano)”
JOSÉ CÁRDENAS BUNSEN
“Opinion, Idolatry, and Indigenous Consciousness: Bartolomé de las Casas’ Approach to Human Sacrifice”
HILAIRE KALLENDORF
“Staging Penance: Scenes of Sacramental Confession in Early Modern Spanish Drama”
Zu den Vorarbeiten für dieses Projekt verweise ich auf folgende Texte:
Narrative im Bruch
Aus genuin transdisziplinärer Perspektive entfaltet und diskutiert der Band insbesondere theoretische Fragestellungen, die sich aus der Beziehung von Narration und Bruch ergeben. Dabei kommen nicht nur vielfältige narratologische Modelle zu Wort, vielmehr wird das Thema der gebrochenen und brüchigen Narrative auch im Hinblick auf theoretische Basiskonzepte vielstimmig erörtert und breit konturiert.
The »Querelle des Femmes« in the Romania
Die Festschrift für die Wegbereiterin der Geschlechterforschung in der Wiener Romanistik enthält Beiträge der Projektgruppe »Querelle des Femmes« sowie von führenden internationalen VertreterInnen im Bereich Genderstudies.
Streitpunkt Geschlecht
Natur, kulturelle Prägung und gesellschaftliche Stellung der Frau: Darüber entbrannte seit dem Mittelalter die »Querelle des Femmes« in verschiedenen Gestalten, Sprachen und Ländern.