Lehre

Austausch mit Ralf Schröder über die Rezension des "Tel Aviver Jahrbuchs für deutsche Geschichte 2005"


Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Interesse und einem anfänglichen Wohlwollen habe ich Ihren Text „Don't let me be misunderstood. Anmerkungen zum Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 2005“ von Ingo Lauggas gelesen.

Ich finde diesen „Pluralismus“ in der Diskussion um den Antisemitismus auch mehr als problematisch – insbesondere dann, wenn ausgewiesene Antizionisten wie der Herausgeber Zuckermann zusammen mit Beschwichtigern des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung zusammengehen.

Eine Herausforderung für meine dialektischen Fähigkeiten stellte allerdings Ihre Kritik daran dar, daß im Jahrbuch die, wie Sie es nennen, „sog. Antideutschen“ zum Feindobjekt erklärt werden, um dann aber postenwendend selbst die „Positionen einer verschrobenen Sekte“ ergo der „durchgeknallten Antideutschen“ zurückzuweisen. Am Ende weisen Sie dann noch vehement das „Mißverständnis“ zurück, »daß eine Feindschaft zu Israel etwas mit ‚links’ zu tun haben könnte“.

Nun habe ich die Antideutschen – beispielsweise die Texte der Bahamas oder aber die Veranstaltungen zum Islamismus und zur „Islamophobie“ et.al. – sowohl als entschiedene Gegner des Antisemitismus als auch als – in kritischer Auseinandersetzung – Verteidiger bürgerlicher und zivilisatorischer Mindeststandards kennen- und schätzengelernt. Ich begrüße das kompromißlose Einstehen gegen antisemitische und subsummierend antizionistische Entwicklungen, die nicht dort auf Konsens oder Mainstreamtauglichkeit abzielen, wo Konsens und Mainstream Teile des Problems und nicht der Lösung sind. Und ich finde es mehr als nur nachvollziehbar, daß aus einer Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Gesellschaft kein alberner linker Pathos sondern eine konsequent kritische Haltung erwächst, die zu einer Verteidigung gegen den Islamfaschismus und gegen die Bedrohung durch den Terror und dessen Apologeten führt und dennoch nicht in einer kritiklosen Affirmation einer im Grunde krisenhaften westlichen Gesellschaft mündet. Bis dahin hat mich auch mein dialektisches Denken nicht im Stich gelassen.

An welchen Texten und Positionen aber machen Sie fest, daß es sich um eine „verschrobene Sekte“ handelt? Wieso geben Sie dem Jahrbuch in seiner anti-antideutschen Ranküne Recht? Und mehr noch: Welche empirische Grundlage hat Ihre Annahme, daß die Feindschaft mit Israel nichts mit „links“ zu tun hat (oder ist links genau das, was Sie definieren)?

Sie halten es ferner für ein „Mißverständnis“, daß im „deutschen Sprachraum“ die Annahme bestünde, „daß eine Beschäftigung mit Antisemitismus nicht an einer Auseinandersetzung mit den sog. Antideutschen vorbei kann.“ Kann es nicht sein, daß das Abarbeiten an den Antideutschen, die wohl keine nur so Genannten sind, etwas mit der Abwehr gegen eine konsequent anti-antisemitische und pro-israelische Position, wie sie sonst leider nur selten in der Öffentlichkeit existiert, zu tun haben könnte?

Ich nehme an, meine Kenntnisse über die Antideutschen sind viel zu bescheiden, als daß ich Ihren Artikel in Gänze nachvollziehen könnte; ihre Ausfälle gegen diese „Sekte“ werden ganz sicher nicht aus Ressentiment sondern aus ganz rationalen Begründungen gespeist. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir diese mitteilen würden.

Mit besten Grüßen,
Ralf Schroeder, Berlin.

Mitherausgeber TYPOSKRIPT.NET
Kolumnist JUEDISCHE.AT

 

Sehr geehrter Ralf Schroeder,

danke für ihre seriöse Kritik an meinem Text über das „Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 2005“, auf die ich kurz antworten möchte.

Zunächst zu den zwei Punkten, die ich lediglich für Missverständnisse halte:
Meine Pointe, dass es ein verbreiteter Irrtum sei zu glauben, eine Feindschaft zu Israel könne etwas mit „links“ zu tun haben, hat offenbar nicht funktioniert, zumindest in Ihrer Lektüre. Gemeint war, dass mir vom Hals bleiben soll, wer Israel feindlich gesinnt ist und dann auch noch glaubt, sich ‚LinkeR’ nennen zu können, oder umgekehrt: Ich halte es für linke Selbstverständlichkeit, „dass der konkrete Einsatz für Israel unsere Aufgabe ist“. Der Satz meinte genau NICHT, dass ich das Vorhandensein solcher Feindschaft zu Israel in der Mehrheitslinken in Abrede stelle; erst Ihre Kritik hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass man ihn auch genau verkehrt verstehen kann.
Zweitens: Das Wörtchen „sogenannt“ vor den Antideutschen war keine inhaltliche Spitze, sondern sollte der Differenzierung dienen, weil mit „Antideutsch“ im Diskurs von außen mittlerweile schon allerhand gemeint sein kann – erkennbar etwa an der Tatsache, dass mal ‚Konkret’, mal die ‚Jungle World’ und dann doch wieder die ‚Bahamas’ zum antideutschen Zentralorgan erklärt wird; für manche bin auch ich der „Antideutsche“ bei MALMOE... Der Versuch, zumindest sprachlich auf den Zuschreibungs-Charakter mancher Etikette aufmerksam zu machen, dient dem Schutz aller Beteiligten.

Es steht außer Frage, dass ich „das kompromißlose Einstehen gegen antisemitische und subsummierend antizionistische Entwicklungen, die nicht dort auf Konsens oder Mainstreamtauglichkeit abzielen, wo Konsens und Mainstream Teile des Problems und nicht der Lösung sind“ in gleichem Maße begrüße wie Sie. Ich bin aber nicht der Meinung, dass die ‚Bahamas’ den Status hat oder haben sollte, die Maßstäbe dieses Einstehens zu definieren. Mein Text ist nicht anti-antideutsch und schließt sich auch Hanlosers Ranküne nicht an. Er kritisiert vielmehr eine Art von Auseinandersetzung, die es ermöglicht, möglichst viel über andere und möglichst wenig über Antisemitismus zu sprechen.
Auch ich orte eine „Abwehr gegen eine konsequent anti-antisemitische und pro-israelische Position“, aber ich fürchte, dass der unverhältnismäßige Fokus auf „die Antideutschen“ gerade der bequemste und unauffälligste, weil differenziert daherkommende Weg ist, diese Abwehr zu vollziehen. Zitate von Kurz und Scheit aufeinander loszulassen mag eine interessante intellektuelle Fingerübung sein, sie ist aber kein bereichernder Beitrag zu einer Auseinandersetzung mit „Antisemitismus – Antizionismus – Israelkritik“.

Mein Plädoyer gilt einem Einsatz für konsequenten Anti-Antisemtismus, der politisch und inhaltlich Substanz hat und nicht von unschwer leistbarer Abgrenzung lebt.

Schöne Grüße
*ingo Lauggas, Wien.


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