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Tod
eines "Ketzers"
Am vergangenen Wochenende ist in Rom im Alter von
78 Jahren Luigi Pintor verstorben. Pintor hat 1969 gemeinsam mit Rossana
Rossanda, Aldo Natoli, Lucio Magri und anderen die Gruppe "manifesto"
gegründet, die von der KPI ausgeschlossen wurde und aus der die bis
heute erscheinende gleichnamige Tageszeitung hervorging.
Luigi Pintor wurde in Rom geboren. Er kämpfte in den Reihen der Partisanen,
wurde festgenommen und entging nur knapp der Vollstreckung seines Todesurteiles.
Er war ab 1943 Mitglied der KPI und arbeitete bis Mitte der 60er Jahre
als Journalist ihrer Zeitung "L'Unità", eine Zeit, in
der er auch dem Zentralkomitee der Partei angehörte. 1968 wird er
ins Parlament gewählt, zeitgleich ensteht aber die kleine Gruppe
von sogenannten "Ketzern", die im November 1969 wegen der Differenzen
um den sowjetischen Einmarsch in die CSSR von der Partei ausgeschlossen
wird. Pintor und Rossanda gründen die Zeitung "il manifesto",
deren Chefredakteur Pintor immer wieder war.
Die "manifesto"-Gruppe verstand sich stets als Schnittpunkt
des "vernünftigen Teils" von "alten" KommunistInnen
und der 68er Bewegung. Sie versucht auch - allerdings vergeblich - als
Kleinpartei ins Parlament zu kommen, erst 1987 wird Pintor wieder Abgeordneter,
als Unabhängiger auf der Liste des PCI.
Am vergangenen Montag nahm in Rom eine große Menschenmenge Abschied
von Luigi Pintor. Mit ihm stirbt "einer der wichtigsten Intellektuellen
der Arbeiterbewegung" anerkennt auch "L'Unità",
mittlerweile Parteiblatt der Linksdemokraten. Er sei seiner Rolle als
"eretico" bis zuletzt treu geblieben. Fausto Bertinotti, Chef
der Rifondazione Comunista, betonte: "Er war ein Kommunist, der niemals
der Verlockung der Macht noch dem Zynismus der Geschichte nachgegeben
hat."
In den letzen Jahren seines Lebens schrieb Pintor auch Romane, doch sein
Lebenswerk war wohl "il manifesto", jene unabhängige kommunistische
Tageszeitung, die "ein Stück italienische Geschichte der zweiten
Jahrhunderthälfte geworden ist", wie Rossana Rossanda schreibt.
Bitter, aber zu Recht fügt sie hinzu: "Mit Pintor stirbt ein
großer Teil meiner Generation".
Erschienen in Volksstimme 21/2003
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