Lehre

… da war es ein Projekt

Der Verein Peregrina unterstützt seit beinahe 30 Jahren Migrantinnen aus über 60 Herkunftsländern und bietet kostenlose psychologische Behandlung an. Mit der Aktion „600 × 33“ soll diese Arbeit nun gesichert werden. Ingo Lauggas sprach darüber mit den Mitarbeiterinnen von Peregrina.

Was hat es mit der Aktion „600 × 33“ auf sich?

Peregrina: Peregrina hat 1993 auf den Jugoslawien-Krieg reagiert, indem wir durch ein kleines EU-Projekt angefangen haben, kostenlose muttersprachliche psychologische Beratung und Behandlung für geflüchtete und kriegstraumatisierte Frauen anzubieten. Als nationalen Ko-Finanzierer konnten wir das Bundesministerium für Inneres gewinnen. Der Sinn und gleichzeitig das Problem von EU-Projekten ist – auch heute noch –, dass sie nach der Ablaufzeit von nationalen Förderern zur Gänze übernommen und weiterfinanziert werden sollen. Passiert das nicht, hat man durch das Angebot die vorhandene Nachfrage noch mehr ausgebaut, kann der aber plötzlich nicht mehr Rechnung tragen.

In unserem Fall hat das BMI dankenswerterweise das Angebot weiterhin über viele Jahre teilfinanziert. Der Rest wurde durch die MA 57 (Frauenbüro) und die MA 17 (Integrations- und Diversitätsangelegenheiten) übernommen. Seit 2010 stellt das BMI allerdings nur mehr Gelder für „Projekte“ im Rahmen des neuen Projekttopfs „Nationale Förderung Integration“ zur Verfügung. Was bedeutet das? Wir müssen seither unseren seit zwei Jahrzehnten laufenden Arbeitsbereich in Form eines „Projektes“ jährlich neu einreichen und stehen mit zahlreichen anderen Projekten im Wettbewerb um die begrenzten Fördermittel.

Seither schwankt die jeweils bewilligte Projektsumme, wodurch kontinuierliches Arbeiten sehr schwierig wird. Das muss man sich so vorstellen: Am Ende des Kalenderjahres können wir den betreuten Klientinnen nicht sagen, ob sie den folgenden Therapietermin in Anspruch nehmen können, da wir ja nicht wissen, in welcher Höhe das „Projekt“ weiterfinanziert wird bzw. wie viele Arbeitsstunden wir in der Zukunft finanzieren werden können. Und heuer wurden eben überraschend weniger Mittel zur Verfügung gestellt. Daraufhin haben wir die Spendenaktion „600 × 33“ gestartet, um das Angebot aufrechterhalten zu können, sprich keine Stundenkürzungen vornehmen zu müssen.

Wurde diese Kürzung irgendwie begründet?

Wir können bei einer Projektförderung nicht von einer „Kürzung“ sprechen. Der Förderer ist in keiner Art und Weise verpflichtet, die Projektsumme gleich zu halten, zu erhöhen, ja das Projekt überhaupt zu fördern. Für 2013 wurde das Peregrina-Angebot mit einer um 10.000 Euro geringeren Summe als benötigt und beantragt gefördert. Daneben fehlen uns auch noch über 9.000 Euro im sonstigen Betrieb, weil auch andere Förderungen nicht entsprechend den jährlich steigenden Kosten angepasst wurden.

Wie läuft die Aktion bisher?

Die Spendenaktion stieß auf große wohlwollende Resonanz. Wir sind selbst überrascht und sehr erfreut, wie viele Menschen unsere Arbeit schätzen und bereit sind, uns zu unterstützen, auch mit größeren Summen. Die Spenden und die zahlreichen persönlichen wie medialen Rückmeldungen bedeuten für uns vor allem Anerkennung und eine große Motivation für die Fortführung unserer Arbeit für und mit zugewanderten und geflüchteten Frauen.

Zur Zeit stehen wir bei ca. 340 × 33 Euro. Zusätzlich hat das Bundeskanzleramt Frauen schnell reagiert und uns noch eine Nachtragsförderung in der Höhe von 2.800 Euro gewährt. Wir hoffen, dass wir noch weitere SpenderInnen gewinnen können und so auch noch das letzte fehlende Viertel hereinbekommen.

Wie arbeitet Peregrina, was unterscheidet Euch von vergleichbaren Initiativen?

Peregrina wurde 1984 von türkischen und österreichischen Studentinnen gegründet, aus dem Bedürfnis heraus, sich zu organisieren, die Interessen von Migrantinnen in Wien zu vertreten beziehungsweise auch einen Ort zu schaffen, an dem sich Frauen Unterstützung, etwa durch Beratung oder Bildungsangebote, holen können. Es gab damals nichts Vergleichbares in Wien. Heute haben wir neben der psychologischen Betreuung noch weitere umfangreiche muttersprachliche Angebote – Bildungsberatung, Rechts- und Sozialberatung sowie Basisbildungs- und Deutschkurse. Und geblieben ist natürlich auch der politische Anspruch, öffentlich gegen Xenophobie, Rassismus und Ausgrenzung aufzutreten.

In unserer täglichen Beratungsarbeit ist es uns sehr wichtig, dass die persönlichen Migrations-, Flucht- und Rassismuserfahrungen beachtet werden, und wir versuchen immer parteiisch an der Seite der Frau zu stehen und aus der Perspektive der Betroffenen zu arbeiten. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist ein antihierarchisches Beziehungsmuster zwischen Beraterin und Klientin, damit die Frau auch ihre eigenen Lösungsstrategien entwickeln kann: das stärkt ihre Autonomie.

Hier geht es zur Spende.

Erschienen in MALMOE 63 (2013)