Lehre

„Ich reiche nichts mehr ein“

Ein MALMOE-Interview mit der Kulturarbeiterin Valentina Cancelli

MALMOE: Welche (schlechten) Erfahrungen hast Du mit öffentlicher Kulturförderung gemacht?

Valentina Cancelli: Vor sieben Jahren war ich Teil eines größeren Projektes namens „Faktum Flakturm“, als es einer Künstlerin gelang, ein temporäres Nutzungsrecht für den Flakturm im Arenbergpark in Wien zu erwirken: Es bildete sich ein Verein mit dem Anliegen, eine Plattform für Künstler_innen auf nationaler und internationaler Ebene zu schaffen. Es wurden große Ausstellungen organisiert, und der Ort hatte den Anspruch, als offene und interdisziplinäre Kulturplattform der größte Off Space Wiens zu sein. Wir haben Werkstätten und Ateliers eingerichtet und eine Art Infrastruktur aufgebaut. Das war die erste Öffnung dieses Turmes seit 1945, der bis dahin nicht genutzt wurde, und nun in ein kulturelles Projekt umgewandelt werden sollte, das auch Bewusstsein dafür schafft, dass es sich um ein historisches Monument handelt. So fanden wir während der Ausstellungszeit auch Artefakte aus der Kriegszeit, und es bildete sich im Umfeld der Künstler_innengruppe eine Art „Historische Kommission“, die diese Funde zum Teil gesichert hat.

Der Stadt Wien, die sich um diese historische Aufarbeitung nie gekümmert hat, war das nicht recht, sie hat dort nie etwas finanziert. Nachdem uns zunächst eine Förderung zugesagt wurde, machte die Stadt dann einen Rückzieher und verwehrte uns das Projekt: Die Schlösser wurden ausgetauscht und der Turm war zu. Ganz offensichtlich ging es dabei auch um politische Interessen, und es hatte wohl politische Gründe, dass das Projekt nicht gefördert wurde. Die künstlerische Arbeit war mit dem Austauschen der Schlösser beendet, die historische Arbeit geht weiter.

2009 habe ich einen eigenen Kulturverein namens CARNEVALE gegründet, und das erste größere Projekt war „Finis Terrae“, ein Festival zum apulischen Film. Als ich das auf die Beine stellte, war ich sehr überrascht, dass es seitens der Stadt tatsächlich keine Förderung dafür gab: Ich wurde auf meinen Veranstaltungsort zurückverwiesen, ich sollte über das Kino einreichen, das aber nur eine x-beliebige Spielstätte war. Eine absurde Begründung, man gründet doch einen Kulturverein, um an Kulturgelder zu kommen: Man hat eine Idee und stellt sich vor, dass sie von der Stadt oder vom Bund finanziert wird. Ich habe auch versucht, über eine interkulturelle Schiene einzureichen, aber auch das hat nicht funktioniert. Daraufhin beschloss ich, das Festival allein über Sponsoren zu finanzieren, und das ist mir auch gelungen, wenn auch mit einem geringen Budget: Ein Festival von dieser Größenordnung bräuchte eigentlich ein Team von mindestens drei Leuten, und ich habe alles alleine gemacht. Um so ein Projekt realisieren zu können, musst du ein Multitasking-Talent sein, weil du alle möglichen Arbeiten selbst abdecken musst. Nach diesen Erfahrungen habe ich die meisten anderen Projekte auch nur noch mit Privatsponsoren umgesetzt – bei der Stadt oder beim Bund reiche ich nichts mehr ein.

Kannst Du dabei so viel Geld aufstellen, dass Du auch ein Auskommen damit hast?

Ich konnte bei dem Festival nur die Kosten abdecken, ich selbst habe gratis gearbeitet. Ohne die Hilfe vieler Freundinnen und Freunde hätte das nie funktioniert. Bei den meisten Projekten sind das Tauschgeschäfte: Künstlerische Arbeit, die in das Projekt fließt, etwa bei der Graphik oder auf der Webseite, wird nicht bezahlt, sondern mit Tauschgeschäften abgegolten.

Läuft das bei allen Projekten so, die du machst?

Ich glaube nicht, dass du ein Leben lang Kulturprojekte machen kannst, ohne dabei Geld zu verdienen. Ich habe immer auch Backup-Projekte, mit denen ich Geld verdiene, um alle paar Jahre ein echtes Herzensprojekt umsetzen zu können, das mir inhaltlich wichtig ist. Ich schaffe es dann, die Produktionskosten über Sponsoring abzudecken, aber es ist kaum möglich, damit ein echtes Einkommen zu schaffen. Bei kleinen Vereinen haben die Kulturarbeiter_innen immer mehrere Projekte gleichzeitig am Laufen, Side-Projects, die das Leben finanzieren.

Ich selbst etwa arbeite mittlerweile beim Dokumentarfilm: so war ich Produktionsleiterin beim Dokumentarfilm „See you soon again“, bei dem es um Holocaust-Überlebende und Holocaust-Education geht (und der übrigens am 28. September in Wien in die Kinos kommt). Hier handelt es sich um große, aber dennoch unabhängige Produktionen, die schon ein gewisses Budget haben.

Ist es leichter, Gelder für Filmprojekte zu bekommen als etwa für bildende Kunst?

Es gibt einen Unterschied zwischen einzelnen bildenden Künstler_innen und Kulturvereinen. Wenn Einzelpersonen sich in den vorhandenen Netzwerken zurechtfinden, haben sie gute Möglichkeiten, kleine Projekte finanziert zu bekommen. Schwieriger ist es bei interdisziplinären oder interkulturellen Projekten, weil sie oft bestimmten Förderkategorien nicht entsprechen. Beim Film mögen die Richtlinien zwar klarer sein, und es gibt eine andere Art der Transparenz, aber es ist immer schwierig, etwa als junge Regisseurin wahrgenommen zu werden. Für größere Projekte mit bekannten Produktionsfirmen wird eher Geld zur Verfügung gestellt.

Welche Fähigkeiten braucht es, um in der Kulturarbeit zu bestehen?

Vielen Künstler_innen – egal ob aus dem Bereich bildende Kunst, Musik oder Theater… – fehlen bestimmte kommunikatorische Fähigkeiten, die Kulturarbeiter_innen mitbringen müssen. Viele Ideen und Projekte gehen schlicht verloren, und zwar nicht nur wegen der mangelnden Finanzierung, sondern auch, weil die Leute oft nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen, und mit der notwendigen Arbeit rundherum überfordert sind. Oft scheitert es schon an der Formulierung eines Pressetextes oder daran, eine bestimmte Form von Öffentlichkeit zu erreichen.

Von der Stadt werden bestimmte Fördermittel bereitgestellt, doch Künstler_innen und Kulturarbeiter_innen wissen oft nicht, wer die Ansprechpersonen sind oder wo einzureichen ist. Ein wichtiger Punkt ist aber auch die Kategorie eines Projektes: Manchmal werden Projekte so kategorisiert, dass der Inhalt nicht in die Kategorien der Förderstellen passt.

Was müsste gegen diese Schwierigkeiten getan werden?

Schon im Studium sollte dieses Problem thematisiert werden, gerade auf den Akademien sollte es (mehr) Lehrveranstaltungen geben, in denen die Studierenden auf den Kunstmarkt vorbereitet werden und in denen gezeigt wird, wie sie an ein Publikum kommen; es müssen die vielfältigen Strategien in der Kulturarbeit vermittelt werden. Auch von politischer Seite müsste die Kommunikation transparenter sein, sodass klarer sichtbar ist, welche Möglichkeiten, vor allem der Finanzierung, es gibt. Die IG Kultur ist eine wertvolle Plattform, in der solche Informationen gesammelt werden, doch davon sollte es mehr geben.

Interview: Rosa Danner und Ingo Lauggas
erschienen in MALMOE # 60 (September 2012)

Links
www.flakturm.net
www.carne-vale.org
www.seeyousoonagain.com

 

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