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An Grete Bloch

29. IV. 14
 


Wegen wessen quälen Sie sich denn, liebes Fräulein Grete? Und so halsbrecherisch? Mir hätten Sie nicht wohlgetan, mir täten Sie nicht immerfort Gutes? Mir, der ich Ihnen gegenüber immer das Gefühl habe, dass es nur zweierlei reines, tränenloses, an die Grenzen unserer Kraft schlagendes Glück gibt: einen Menschen haben, der einem treu ist und dem man sich treu fühlt und dann sich selbst treu sein und sich vollkommen auszunützen, sich ohne Asche zu verbrennen.

Ihr Brief ist so eilig geschrieben; ich verstehe nicht alles. Wenn man Sie für Berlin aufnimmt, so muß man Ihnen doch die Möglichkeit geben, sich dort einzurichten; dass Sie dort Ihre Familie haben, geht doch niemanden etwas an. Ist es aber notwendig, dass Sie so bald mit der Arbeit beginnen, dann wird man doch, besonders da Sie in dem gleichen Gesamtgeschäft bleiben, nicht viel dagegen einwenden können, dass Sie früher, etwa eine Woche vor Pfingsten, von Wien weggehn. Und in welchem Zustand, Fräulein Grete, ist jener Brief, nicht geschrieben sondern gelesen worden, in dem angeblich steht: Bleib', wo Du bist -

Immerhin, damit muß man nun rechnen, dass Sie Pfingsten nicht in Berlin sein werden, und dass mein Gegenüber im Coupé zu seinem und meinem Leid mein Vater sein wird. Schlimm! Schlimm! Und in Berlin werde ich das Kunststück des Empfangstags allein mit meinen zwei Beinen und Händen ausführen müssen. Ohne Ihre Hilfe.

(F. wird mit ihrem Kunststück beschäftigt sein.) Nun, damit werde ich mich ab | finden müssen. Und mich damit trösten müssen, dass Sie endlich aus der Wiener Enge und Trostlosigkeit herauskommen, Ihre Kräfte fühlen und wieder die so natürliche Lust an sich selbst bekommen werden. Vielleicht ist Ihre Lage im Wesen gar nicht so verschieden von meiner, nur dass sie Ihnen überraschender kam, Ihnen gar nicht entspricht und schließlich prachtvoll von Ihnen gesprengt werden muß.

Der Schaden, der für mich darin liegt, dass Sie Pfingsten wahrscheinlich nicht in Berlin sein werden, könnte ja für mich dadurch zum Nutzen gewendet werden, dass Sie nun doch jetzt mit F. zusammenkommen. Wann F. kommt, weiß ich allerdings noch nicht bestimmt. Ich nahm an, dass sie Freitag kommt, jetzt zweifele ich wieder. Gestern hatte ich einen Brief, in dem sie schreibt: "Grete schrieb mir inzwischen, dass sie nicht nach Prag kommen kann, da sie bereits am 2. Juni abgehen (schrecklich-schönes Berliner Wort!) wird. Ich werde ihr aber morgen noch einmal schreiben." Wenn F. nicht F. wäre, müßten Sie also heute einen Brief haben, in dem auch etwas über Gmünd stehn müßte. Davon nämlich schrieb mir F. noch nicht. Für jeden Fall: Sobald ich bestimmt erfahre, wann F. kommt, telegraphiere ich Ihnen. Es steht Ihnen dann frei zu telegraphieren: "Ich kommen, und gleich laufe ich und reserviere Ihnen ein Zimmer in F.'s Hotel.

Doch verstehe ich gut, dass diese Reise durchaus eine Plage wäre (Samstag her, Sonntag zurück, anders wäre es doch nicht?), abgesehen von den Belästigungen, die ich wenigstens nicht vollständig von Ihnen abhalten könnte, und dass es deshalb besser von mir gehandelt wäre, gar nicht zu bitten.


Herzlichste Grüße Ihres Franz K.


Werden Sie nach Teplitz kommen? Wird sich vielleicht die Berliner Firma an der Prager Ausstellung beteiligen?


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at