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An Felice Bauer
Heute habe ich die Karte aus Kameen bekommen. (Sollte die Karte vom Donnerstag
ebenso verloren gegangen sein, wie die aus Hamburg?) Wenn ich die Wahrheit
sagen soll, eine solche Karte macht mir eine reinere Freude als die letzten
Briefe. Es läßt sich nichts Schlechtes aus ihr herauslesen und,
mit Selbsttäuschung, Gutes ahnen. Du hast einen netten Ausflug gemacht,
den jemand (wer ist es?) für urentzückend" hält. Du
hast ein wenig an mich gedacht und ich könnte, wenn nichts vorhergegangen
wäre, ganz zufrieden sein.
Aber auch um augenblickliche Zufriedenheit und erst recht nicht um meine
handelt es sich hier, es handelt sich vielmehr um folgendes : Wenn Du das
Opfer auf Dich nehmen willst, Felice, meine Frau zu werden - dass
es ein Opfer ist, habe ich, der Wahrheit gemäß, bis in alle
Einzelheiten zu beweisen mich angestrengt -, dann darfst Du, wenn Du nicht
uns beide einem endlosen Unglück ausliefern willst, Deine Neigung
zu mir nicht leichtsinnig beurteilen oder gar unbeurteilt lassen. Niemand
kann verlangen, dass Dir Dein Gefühl für mich völlig
klar ist, wohl aber maßt Du seiner sicher sein. Aber angesichts Deiner
letzten Briefe und in Erinnerung an frühere ähnliche Zeiten verzweifle
ich daran, diese Sicherheit in Dir zu finden. Irgendwo, eine andere Erklärung
habe ich nicht, maß eine Täuschung verborgen liegen, die von
Zeit zu Zeit zu wirken aufhört und die Du deshalb auch zumindest ahnen
maßt, die Du aber nicht auffindest, weil Du sie aus rätselhaften
Gründen nicht suchst. Gerade das aber wäre Deine Pflicht. Ebenso
wie es ein kleines, leicht zu beseitigendes Vorurteil, eine bloße
Schwäche sein kann, kann es auch etwas sein, das, wie es Dich jetzt
nur zu Zeiten von mir abhält, Dich in Zukunft gänzlich von mir
abhalten könnte. Oder hält Dich vielleicht nichts von mir ab,
wenn Du beispielsweise - es ist nicht das einzige Beispiel - die Frage
eines Wiedersehns mit folgenden 3 Sätzen erledigst: "dass
ich jetzt nach Prag komme, ist ganz und gar ausgeschlossen. Wieso glaubst
Du aber, dass Du vorerst überhaupt nicht nach Berlin kommen könntest?
Wie ist es denn mit den Weihnachtsferien?" Und wir sind jetzt im
August. - Ich tue hier, Felice, das weiß ich, etwas, was von außen
gesehn schrecklich ist. Es ist vielleicht das Schlimmste, was ich Dir getan
habe, aber das Notwendigste gleichzeitig. Du willst den Unterton in dem,
was Du sagst - halte Dich nicht an das eine Beispiel -, nicht hören,
also wiederhole ich es für Dich laut noch einmal.
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at