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An Felice Bauer

10. VIII. I3
 


Sieh Felice, das Telegramm habe ich, danke Dir vielmals dafür und bitte Dich auch um Verzeihung wegen der ungerechten Vorwürfe und der Verbitterung Deines Urlaubs, die vielleicht von mir aus geht. Nun habe ich heute im Bureau mir Deine Karte vom Freitag geholt. (Vom Donnerstag, falls Du geschrieben haben solltest, habe ich nichts bekommen, vielleicht war es in die Wohnung adressiert und kommt erst morgen), aber darauf kommt es ja gar nicht an, ich bin doch kein Teufel, der Dein Schreiben überwacht, ich erschrecke bloß über den Inhalt Deiner Briefe, nach denen ich wirklich so ein Teufel zu sein scheine, der nur irgendwie beruhigt werden muß, damit er nicht quält. Das wiederholt sich, Felice, in allem, was ich aus den letzten Tagen von Dir habe. Im vorvorletzten Brief: "Nun kannst Du Dich gewiß nicht beklagen u.s.w." Im letzten: "Erna schilt u.s.w." In der heutigen Karte : "Es wäre eine Sünde im Zimmer zu bleiben...". Aber liebste Felice! Schreiben wir denn nicht über das Schreiben, wie andere über Geld reden? Ist das zweite schlimmer als das erste? Wenn Du nur meinetwegen schreibst, ist es schrecklich.

Ich fürchte mich, den Brief abzuschicken, vielleicht bin ich nicht ganz urteilsfähig; wenn ich es aber nicht bin, stammt das doch wieder aus dem gleichen Grund und hat also berechtigten Sinn.

Ist es die ungeheuere Entfernung, die Dich von mir treibt, ist es Dein wirkliches durch mich zeitweise übertäubtes Gefühl? Du bist doch beständig, hast genügend klaren Einblick, hast Dich in der Hand aber desto ärger und bedeutungsvoller sind diese immer wiederkehrenden Pausen.

Dein Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at