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[An die Eltern]
Liebste Eltern, nein die Post war 11) Donnerstag nicht an der Verzögerung
schuld, Nr 9 war nicht genug frankiert, die Post hat ihn,
um Euch vor Nachzahlung zu bewahren, zurückgebracht bzw. in die
neue Wohnung, trotzdem kein Absender dort stand und nur im Text die neue
Adresse Euch mitgeteilt war.Nun, ist nicht Ordnung in Berlin? - Die neue
Adresse zum 3ttenmal: Berlin-Steglitz, Grundewaldstraße 13, bei Hr.
Seiffert - Ottla kommt also? Sie wird hochwillkommen sein.
Aber erlaubt es Pepa wirklich? Jedenfalls wird sie schön
bei mir wohnen können.Übrigens werde ich noch aus der neuen Wohnung
berichten. - Vielen Dank dem Fräulein (und Dr
Kral) das Attest genügt, es ist mir sehr lieb,
dass es nicht gemacht werden muß. Darin, dass es nicht
viel kostet, hatte übrigens Dr Kral recht, es ist nämlich gänzlich
umsonst, wird von der Stadt gemacht im Bedarfsfalle. Ist nicht Ordnung
in Berlin? - Wenn die Sachen geschickt werden können, ist es angenehm,
aber dringend ist es wirklich nicht. Man sorgt so um mich. So habe ich
z.B. zum Ausgehn für kalte Tage ein Pelzweste geborgt bekommen.
Herzlichste Grüße
Euer F.
Euere letzte Karte ist mit ein wenig unruhiger Schrift geschrieben.
Postkarte, 14 x 9 cm, beide Seiten mit Tinte beschrieben, einschließlich
der Adresse: Hermann Kafka, Prag, Staroměstské náměstí
č 6/III poschodí, Tschechoslowakei. Von Kafka mit der Ziffer
11 versehen. Frankierung 18 Milliarden M. Unter dem Empfängernamen
der Zusatz 15/11 1923, offensichtlich von der Hand der Mutter.
Undatiert; Zuordnung anhand von Kafkas Angabe des Wochentages Donnerstag
und des Poststempels: 15.11. 23, bestimmt.
1] Nr9... zurückgebracht: Vgl. auch den Brief
an Ottla vom 17. November 1923: "Nr. 9 ist vor paar Tagen richtig
angekommen." (O, 142)
2] Ottla kommt also?: Sie war am 25. November 1923
in Steglitz (O, 243; vgl. auch Nr. 3, Anm. 7).
3] Pepa: Dr. jur. Josef David (1891-1962), Ottlas
Ehemann; sie waren seit dem 15.7.1920 verheiratet; er war Tscheche und
Christ. Übersetzte u. a. Kafkas amtliche Korrespondenz ins Tschechische.
4] dem Fräulein: Vgl. Nr. 3, Anm. 9.
5] Dr Kral: Dr. med. Jindřich Král,
Arzt der Familie Kafkas; wohnte in der Mikulásská (Niklasstraße,
heute Pařížská) ulice Nr. 20, Staré Město
(Altstadt).
6] das Attest: Es handelt sich offensichtlich um
eine ärztliche Bescheinigung, die Kafka beim Wohnungswechsel in Berlin
benötigte. Dr. Král (er stellte z. B. Kafka am 20. November
1918 ein Attest aus, dass er an Lungenentzündung erkrankt sei)
hatte durch Fräulein Wernerová vermutlich ein älteres
ärztliches Attest übermittelt.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at