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[An die Eltern]
10) Dienstag) Liebste Eltern, schnell eine Entschuldigungskarte.
Für Nr 9 habt Ihr wohl nachgezahlt; so sehr ich aufpasse, diesmal habe
ich die (übrigens ungeheuere) Erhöhung des Porto übersehn.
Verzeiht! Aber vielleicht habt Ihr vernünftiger Weise die Karte nicht angenommen,
dann wiederhole ich aus der Erinnerung das Wichtigste: VII u. VIII sind
angekommen. - Meine Adresse ab 16.: Berlin-Steglitz, Grunewald-Straße Nr
13 bei Hr. Seiffert. - Geld habe ich mir ausgeborgt, so daß augenblicklich
keine Not ist. Man wechselt infolge des niedrigen amtlichen Kurses (Samstag
z.B. 18 Milliarden für 1 Kc [sic], im wilden Handel etwa 25 Milliard [sic],
in Prag aber über 100 Mill. und die Preise richten sich leider nach dem
außerdeutschen Kurs) sehr schlecht hier und lebt infolgedessen ungerecht
teuer, vielleicht käme man auf andere Weise etwa mit Kreditbrief oder anders
(aber immer so, daß man die Mark in Prag bezahlt) besser weg, doch müßte
man dann wohl eine persönliche Empfehlung an einen hiesigen Bankdirektor,
etwa den Direktor einer Filiale einer Prager Bank haben. Vielleicht hätte
es aber auch keinen oder nur einen augenblicklichen Wert, ich habe nur
etwas derartiges undeutlich läuten hören. Du lieber Vater
verstehst das ja viel besser.
Herzlichste Grüße Euch und allen
F
Postkarte, 14 x 9 cm, beide Seiten mit Tinte beschrieben, einschließlich
der Adresse: Hermann Kafka, Prag, Staromestské námestí c6/III poschodí,
Tschechoslowakei. Von Kafka mit der Ziffer 10 versehen; Frankierung
18 Milliarden M. Über der Adresse der Zusatz 14/11/1923, offensichtlich
von der Hand der Mutter.
Undatiert; Zuordnung anhand von Kafkas Angabe des Wochentages Dienstag
und des Poststempels: 14. 11. 1923, bestimmt.
1] Du lieber Vater verstehst das ja viel besser:
Kafka rechnete anscheinend damit, daß die Eltern seine Pension in Prag
nach dem vorteilhafteren tschechoslowakischen Kurs in Mark umtauschten
und das Geld dann in Form eines Kreditbriefes auf eine Berliner Bank überwiesen,
wo er es hätte abheben können.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at