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An Milena Jesenská
Gewiß Milena Du hast hier in Prag einen Besitz, es macht Dir ihn
auch niemand streitig, es wäre denn die Nacht, die kämpft um
ihn, aber die kämpft um alles. Aber was ist das für ein Besitz!
Ich verkleinere ihn nicht, etwas ist es, es ist sogar so groß, dass
es einen Vollmond verfinstern könnte, oben in Deinem Zimmer. Und Du
wirst Dich nicht fürchten vor soviel Dunkel? Dunkel ohne des Dunkels
Wärme.
Damit Du etwas von meinen "Beschäftigungen" siehst, lege
ich eine Zeichnung bei. Es sind 4 Pfähle, durch die zwei mittleren
werden Stangen geschoben an denen die Hände des "Delinquenten"
befestigt werden; durch die zwei äußern schiebt man Stangen
für die Füße. Ist der Mann so befestigt, werden die Stangen
langsam weiter hinausgeschoben, bis der Mann in der Mitte zerreißt.
An der Säule lehnt der Erfinder und tut mit übereinandergeschlagenen
Armen und Beinen sehr groß, so als ob das Ganze eine Originalerfindung
wäre, während er es doch nur dem Fleischhauer abgeschaut hat,
der das ausgeweidete Schwein vor seinem Laden ausspannt.
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Ich frage deshalb, ob Du dich nicht fürchten wirst, weil nämlich
der, von dem Du schreibst, nicht existiert und nicht existiert hat, der
in Wien hat nicht existiert, der in Gmünd auch nicht, aber dieser
letztere noch eher und er soll verflucht sein. Das zu wissen ist deshalb
wichtig, weil wenn wir zusammenkommen sollten, wieder der Wiener oder gar
der Gmünder wieder auftreten wird, in aller Unschuld, als sei nichts
geschehn, während unten der Wirkliche, allen und sich selbst unbekannt,
noch weniger existierend als die andern, aber in seinen Machtäußerungen
wirklicher als alles (warum steigt er denn nicht endlich selbst herauf
und zeigt sich?) hinaufdrohen und wieder alles zerschlagen wird.
Die Zeichnung befindet sich auf einem dem Brief beigelegten Zettel, der
offenbar von einer Heftseite abgerissen ist. Das Format des Zettels, der
auf der Rückseite eine zum größten Teil unleserlich gemachte,
wohl aus früherer Zeit stammende Beschriftung trägt, ist ca.
22,5 x 8 cm. Die Darstellungen der beiden Figuren befinden sich jeweils
an den Schmalseiten. Aus technischen Gründen sind sie hier verkleinert
wiedergegeben, und der Abstand zwischen ihnen wurde verringert.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at