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An Felix Weltsch
Lieber Felix, allererstes Ergebnis nach einer Unterredung mit dem sehr
vernünftigen Hausfräulein und nach eigenen Erfahrungen. In der
Umgebung dürfte sich kaum etwas finden, denn die Waldhotels schließen
schon, soweit sie nicht schon geschlossen haben oder gar nicht eröffnet
hatten. Auch dürfte sich Deine Schwester im späten Herbst oder
Winter, selbst wenn eine ganz unwahrscheinliche Aufnahme dort zu erreichen
wäre (was nur bei sehr engen persönlichen Beziehungen möglich
wäre) sehr verlassen fühlen. Im übrigen sollen auch diese
Hotels große Not (gar an Kohle) haben, während in Turnau selbst
immerhin noch etwas zusammenkommt.
Diese Überlegungen führen zu meinem Hotel, an das ich gleich
dachte, und das Fräulein hat mir zumindest nicht abgeredet. Vorzüge
des Hotels: gute Führung, große Reinheit, meiner Meinung nach
ausgezeichnete Küche. Nachteile, aber nicht nur dieses Hotels: ausschließlich
Fleischkost (diese allerdings nach Belieben reichlich) und Eier; im seltensten
Fall etwas anderes, nicht einmal Gemüse bekommt man.
Milch und Butter habe ich bisher, trotz des Angebotes guter Seife und Zigaretten,
nicht in der allergeringsten Menge bekommen und habe schon die verschiedenartigsten
Versuche gemacht. Frauen sind allerdings in dieser Hinsicht geschickter.
Das Brot, das die Gemeinde gibt, ist sehr schlecht und wird noch schlechter
werden, ich vertrage es gar nicht.
Die Wälder sind sehr schön, den Wäldern von Marienbad ganz
ebenbürtig, überall schöne aufmunternde Ausblicke.
Noch ein Vorteil Turnaus: ausgezeichnete Apfel und Birnen. Deine Schwester
kann, glaube ich, nicht sehr gut tschechisch, das erschwert allerdings
ein wenig den Aufenthalt hier, aber nicht im Hotel, wo es viele Gäste
aus Nordböhmen gibt, Reichenberger Zeitung, Prager Tagblatt, "Zeit"
gehalten wird, eine deutsche Speisekarte gereicht wird.
Preise, allerdings nur die augenblicklichen: Zimmer 3 Kronen, Rindfleisch
mit Sauce und Kartoffeln 4.50, Schweinsbraten Knödel Kraut 11 Kronen,
Kalbsbraten 7-9 Kronen, Zwetschkenknödel (große Ausnahme) 4
Kronen, Rühreier mit Kartoffel 6 Kronen udgl.
Vielleicht gibt es bei längerem Aufenthalt besondere Preise, mir hat
sie der Wirt am ersten Tag unter großem Geschrei und Gelächter
verweigert, wir sind aber schon wieder versöhnt.
Das wäre alles, ich werde mich aber noch weiter umsehn. Herzliche
Grüße
Franz
[Auf separatem Blatt:] Lieber Felix, ein Nachtrag: In Kacanow bei Turnau
gibt es ein Hotel-Pensionat, welches erstaunlicherweise hier plakatiert,
um Gunst des Publikums bittet u. s. f. Ich bin heute nachmittag hingegangen,
es ist eine Wegstunde von Turnau entfernt, ein hübsches geräumiges
Haus, rings von Anhöhen mit Wäldern und Wiesen umgeben, selbst
nicht allzu tief, mit Fenstern gegen Süden. Es hat einen neuen Pächter,
einen Mann, mit dem man reden kann, er ist offenbar strebsam, scheint aber
bisher außer der Plakatierung dort nichts Größeres unternommen
zu haben, das Haus macht einen verlassenen Eindruck, nur Getränke
sind zu haben, Essen nicht. Er erklärt es damit, dass er seine
Frau noch nicht dort hat, sie ist noch in der früher von ihm gepachteten
Wirtschaft, kommt aber in vierzehn Tagen, dann wird er auch Genaueres über
Verköstigung und Preise sagen können, er behauptet aber schon
jetzt, dass er Deine Schwester dann wird aufnehmen können. Eine
sehr unsichere und noch genau nachzuprüfende Sache ist es gewiß.
Nähere Auskünfte über Turnau bekommst Du mündlich,
ich weiß ja vorläufig noch nicht, wie es eigentlich Deiner Schwester
geht. Samstag oder Sonntag bin ich schon in Prag. Vielleicht komme ich
Sonntag nachmittag zu Dir oder komm Montag ins Bureau zu mir. Herzliche
Grüße
Franz
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at