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[An Ottla Kafka: Postkarte]

[Stempel: Prag - 9. IX. 17]
 


Liebe Ottla, heute schreibe ich nur für den ganz unwahrscheinlichen Fall, dass ich (vorausgesetzt natürlich dass keine Absage von Dir kommt) Mittwoch früh nicht in Zürau sein sollte. Von Max gezwungen gehe ich noch morgen Montag mit ihm wieder zum Professor, er will ihm seine Einwände vortragen. Wie das aber auch ausfällt, zunächst will ich nach Zürau jedenfalls fahren. Im übrigen geht es mir ganz gut, nur das übermäßige Essen macht mich traurig. Ich werde an Schnitzer schreiben, der mir vielleicht Fasten anraten wird. Trübseliger Gegensatz: vorne unnötiges Essen einführen, während innen die Krankheit ihre Gangart nach höherem Belieben wählt. - Heute kommt Elli, da werde ich hören wie Du Dich zum Ganzen stellst. Von F. kamen schon Briefe, so fest, verläßlich, ruhig, nicht nachtragend wie sie eben ist. Und ich antworte mit dem Schlag.

Franz




Ich werde an Schnitzer schreiben: Es handelt sich um den in den Anmerkungen zu Nr. 9 erwähnten Warnsdorfer Fabrikanten und Naturarzt, der Kafka übrigens nicht auf seine Anfrage antwortete (vgl. Br 171). Trotzdem blieb Kafka weiterhin ein Anhänger seiner Lehren. Im Oktober 1917 schrieb er an Felix Weltsch über Schnitzer: " . . . man unterschätzt doch solche Leute leicht. Er ist ganz kunstlos, daher großartig aufrichtig, daher dort, wo er nichts hat, als Redner, Schriftsteller, selbst als Denker nicht nur unkompliziert . . . sondern geradezu blödsinnig. Setze Dich ihm aber gegenüber, sieh ihn an, suche ihn zu überschauen, auch seine Wirksamkeit, versuche für ein Weilchen Dich seiner Blickrichtung zu nähern - er ist nicht so einfach abzutun." (Br 187)


F.: Felice Bauer


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at