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Postkarte an Felice Bauer
Liebste, drei Tage ohne Nachricht, dafür heute der Brief mit den Bildern.
Sie sind wohl nicht sehr gut und das eine scheint eine Vorprobe aus dem
Trauerchor der Troerinnen darzustellen, aber sie gehn mir doch sehr nahe
und ich umfasse sie ganz und gar. Mach mir öfters solche Freude. -
Die Kinderfrage, die Du stellst, gehört zu den schwierigsten und
ist wahrscheinlich überhaupt unlösbar. Sie gehört sogar
wesentlich zu meinen Verzweiflungsanfällen. Sie ist weder zu lösen
noch zu vernachlässigen. Was für eine Peitsche ist aus dieser
höchsten Ermächtigung gedreht worden! - DieWendung übrigens,
die Du der Frage gibst, ist nicht so schwer zu beantworten. Für jede
der drei Ehen ergibt sich offenbar eine besondere Erklärung oder vielmehr
ein Versuch der Rechtfertigung. Ungerechtfertigt will keiner bestehn oder
wenigstens ohne den Versuch gemacht zu haben, sich zu rechtfertigen oder
vielmehr nicht so sehr sich als die Verbindung. Den Frauen ist es beides,
Schuld und Mangel den Männern wohl nur Schuld, die aber vielfach gebüßt
wird. Ist das halbwegs klar?
Gerade will ich zuhause die Karte beenden, da sehe ich vor mir im Berliner
Tageblatt (Abend 5. IX.) die Ankündigung der Ausstellung "Mutter
und Säugling" und der Vorträge, die dort gehalten werden.
Viele Grüße Franz
[am Rande] Ich bin durchaus nicht gegen die Maschinenschrift.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at