Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

 

An Felice Bauer

vom 12. zum 13.II.13
 


Wenn Dein Brief gleich früh kommt, so wie heute, dann ist es eben am besten, darin gehört der ganze Tag von allem Anfang an Dir. Kommt aber Dein Brief später oder gar erst nach Hause, dann weiß dieser halbe Tag nicht, wem er eigentlich gehört und wackelt, dass ich Kopfschmerzen habe. Allerdings muß es noch andere Gründe für meine Kopfschmerzen geben, denn ich habe sie jetzt fast ständig. Ich gehe eben zu wenig spazieren, schlafe zu wenig und das wenige schlecht, kurz, ich lebe so, als schriebe ich unterdessen etwas Gutes, woraus sich freilich, wenn es so wäre, Heilung aller Leiden und Glück darüber hinaus ergeben würde. Aber ich schreibe eben nichts und bin wie ein altes in seinen Stall gesperrtes Pferd.

Sieh nur, wir antworten einander wieder über Nacht oder ahnen gleichzeitig die Fragen des andern. Freitag abend fragte ich, ohne daran zu denken, dass Freitag war, wie es mit Deinem Beten sich verhält, und da mußtest Du gerade Freitag in den Tempel gehn. Gestern frug ich, wann ich endlich die Prospekte bekomme, und heute habe ich die allerdings unbefriedigende Antwort. (Wie soll es also der Pick anstellen, wenn er umbedingt Geschäfte machen will? Soll er sich mit Adler in Verbindung setzen? Und wie?) Und endlich war in dem gestrigen Brief von der Lasker-Schüler die Rede, und heute fragst Du nach ihr. Ich kann ihre Gedichte nicht leiden, ich fühle bei ihnen nichts als Langweile über ihre Leere und Widerwillen wegen des künstlichen Aufwandes. Auch ihre Prosa ist mir lästig aus den gleichen Gründen, es arbeitet darin das wahllos zukkende Gehirn einer sich überspannenden Großstädterin. Aber vielleicht irre ich da gründlich, es gibt viele, die sie lieben, Werfel z. B. spricht von ihr nur mit Begeisterung. Ja, es geht ihr schlecht, ihr zweiter Mann hat sie verlassen, soviel ich weiß, auch bei uns sammelt man für sie; ich habe 5 K. hergeben müssen, ohne das geringste Mitgefühl für sie zu haben; ich weiß den eigentlichen Grund nicht, aber ich stelle mir sie immer nur als eine Säuferin vor, die sich in der Nacht durch die Kaffeehäuser schleppt. Wie Du aus dem Brief des Pick sehen wirst, hält er einen Vortrag über sie und für sie.

Weißt Du, Liebste, dass ich mich hüten muß, von fremden, besonders von mir angenehmen Personen in den Briefen an Dich zu reden. Wie um sich für meine Beurteilung zu rächen, machen sie sich, nachdem sie sich still haben beschreiben lassen plötzlich, als sie nun nicht mehr zu entfernen sind, über alle Maßen breit und wollen Dich, Liebste, mit ihrer widerlichen oder gleichgiltigen Erscheinung mir verdecken. Weg Du Lasker Schüler! Liebste komm! Niemand sei zwischen uns, niemand um uns. Du hast recht, eine Schwester gehört einem nicht ganz und man darf vielleicht ihrer überdrüssig werden. Aber wie ist es, wenn einem die Kraft fehlt, einen Menschen ganz zu erwerben?

Franz


[Am Rande ] Was sagte der Professor, als Du ihm den Vorschlag wegen Deiner Schwester Erna machtest?


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at