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[Tagebuch, 15. August 1912; Donnerstag]

15 (August 1912) Nutzloser Tag. Verschlafen, verlegen. Marienfeier auf dem Altstädter Ring. Der Mann mit einer Stimme wie aus einem Erdloch. Viel an - was für eine Verlegenheit vor dem Aufschreiben von Namen - Felice Bauer gedacht. Gestern "Polnische Wirtschaft" - Jetzt hat mir Ottla Gedichte von Goethe aufgesagt. Sie wählt mit einem wahren Gefühle aus. Trost in Tränen. An Lotte. An Werther. An den Mond - Alte Tagebücher wieder gelesen, statt diese Dinge von mir abzuhalten. Ich lebe so unvernünftig wie nur möglich. An allem aber ist die Herausgabe der 31 Seiten schuld. Noch mehr schuld allerdings meine Schwäche, die es erlaubt, dass derartiges auf mich Einfluß hat. Statt mich zu schütteln, sitze ich da und denke nach, wie ich das alles möglichst beleidigend ausdrücken könnte. Aber meine schreckliche Ruhe stört mir die Erfindungskraft. Ich bin neugierig darauf, wie ich mich aus diesem Zustand herausfinden werde. Stoßen lasse ich mich nicht, des rechten Weges bin ich mir auch nicht bewußt, wie wird es also werden? Bin ich als große Masse in meinen schmalen Wegen endgiltig festgerannt? - Dann könnte ich doch wenigstens den Kopf drehn. - Das tue ich doch.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at