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Brief an den Vorstand, 11-12-1912
17.
Löblicher Vorstand
Der ergebenst Gefertigte gestattet sich, einem löblichen Vorstande das höfliche Ersuchen um durchgreifende Regelung seiner Gehaltsund Rangsverhältnisse zu unterbreiten, wobei er bittet, die nachstehenden Gründe in wohlwollende Erwägung zu ziehen:
Unbestritten ist, dass die Teuerung aller für den Lebensunterhalt in Betracht kommenden Faktoren schon seit einer ganzen Reihe von Jahren einen Grad erreicht hat, der allenthalben aufs Drückendste empfunden wird. Dieser Tatsache hat sich auch der löbliche Vorstand nicht verschlossen und hat - zuletzt und insbesondere in den Jahren 1910 und 1911 - die Gehaltsbezüge der grossen Gruppen der Anstaltsangestellten einer durchgreifenden Neuregelung unterzogen. Diese Regelung, welche die empfindlichsten Bedürfnisse der in Betracht kommenden Beamtenkreise befriedigte, betraf nicht bloss die gesamte Beamtenschaft im engeren Sinne des Wortes d. i. diejenigen, für welche nach den Bestimmungen der Dienstpragmatik gegenwärtig die Absolvierung einer Mittelschule als Vorbildung erforderlich ist, sondern auch das gesamte männliche und weibliche Kanzleipersonal, ja sogar die Dienerschaft wurde bei dieser Regelung, die doch nur den allgemein herrschenden, unerträglich gewordenen Teuerungsverhältnissen Rechnung trug, mitberücksichtigt.
Der Vorstandsbeschluss: Erhöhung des Quartiergeldes von 30% auf 40% und der Höchstgrenze desselben von 1400 auf 1600 K, sowie Erhöhung der Teuerungszulage von 10% auf 15% des Grundgehaltes und des Quartiergeldes fand neben der grossen Gruppe der Anstaltsbeamten mit Mittelschulbildung auch auf die Konceptbeamten (Direktoren, Sekretäre und Koncipisten) und die Bureauvorstände Anwendung, da sie bis auf drei Ausnahmen sämtlich in das allgemeine Gehaltsschema der Beamten eingereiht erscheinen. Allerdings konnte eine Gehaltsregulierung in diesem Umfange die beiden eben genannten exceptionellen Gruppen der Anstaltsbeamten, welche sich von der Beamtenschaft mit Mittelschulbildung einmal durch ihre erhöhte Vorbildung (zumeist Hochschule), dann aber auch durch eine qualificiertere und verantwortungsvollere Tätigkeit in der Anstalt unterscheidet, nicht voll befriedigen, da eine Gehaltsregulierung bloss in dem gleichen Ausmasse wie bei den Beamten mit Mittelschulbildung das Niveau ihrer Bezüge im Verhältnisse zu demjenigen der eben genannten grossen Beamtengruppen unverdientermassen herabgedrückt und so die vor der Regulierung bestandene Spannung zwischen den Bezügen mit Unrecht verringert hätte. Dieser Erwägung trug der löbliche Vorstand denn auch tatsächlich Rechnung, indem er die Bezüge der Konceptsbeamten, jedoch mit Ausnahme der Koncipisten (also bloss der Direktoren und Sekretäre) sowie der Bureauvorstände über das oben gekennzeichnete Mass hinaus in ausserordentlicher Weise einer Regelung unterzog.
Die Koncipisten der Anstalt gingen bei dieser Regelung der Gehälter, welche zur unabweislichen Konsequenz der Teuerung aller für den Lebensunterhalt nötigen Faktoren geworden war, völlig leer aus, obwohl gerade bei dieser Gruppe der Konceptsbeamten die Regulierung der Bezüge die radikalste hätte sein müssen, wenn man ihre Gehälter in ein richtiges und gerechtes Verhältnis zu denjenigen der Beamtenschaft mit Mittelschulbildung einerseits und zu denjenigen der Beamtenschaft des höheren Konceptsdienstes, insbesondere der Sekretäre, andererseits hätte setzen wollen. Die allererste Voraussetzung einer derartigen durchgreifenden Regelung wäre gewesen, dass man das Gehaltsniveau der Koncipisten zunächst auf jene Höhe gehoben hätte, wie sie schon im Jahre 1904 für diese Beamtengruppe erreicht war, und dann erst wäre dieser auf das alte Niveau gebrachte Gehalt mit Rücksicht auf die anerkannte Tatsache der Teuerung verhältnismässig zu regulieren gewesen, wie dies übrigens für die höheren Conceptsbeamten geschehen ist. Während nämlich die Bezüge aller übrigen Anstaltsangestellten entsprechend der von Jahr zu Jahr überhandnehmenden Teuerung etappenweise naturgemäss eine Steigerung erfuhren, ist das Gehaltsniveau der Koncipisten nicht nur nicht gehoben, sondern in gegensätzlicher Bewegung zur Gehaltsaufbesserung aller anderen Beamtengruppen im Laufe der letzten Jahre immer tiefer hinabgedrückt worden.
Indessen wurde der Grundgehalt der Koncipisten gelegentlich der grossen Regulierung der Bezüge der Anstaltsbeamten nicht einmal auf das alte, schon im Jahre 1904 erreichte Niveau wieder emporgehoben, geschweige denn, dass dieses Niveau zeitgemäss reformiert und die allgemeinen Folgen der Teuerung mitberücksichtigt worden wären.
Der ergebenst Gefertigte ist überzeugt, dass sich der löbliche Vorstand der Beweiskraft der folgenden Ziffern, welche diese Tatsachen zum Ausdrucke bringen, nicht verschliessen wird:
Tatsächliche Entwickelung der Anfangsbezüge
der Koncipisten
Wie sich die Koncipistengehälter
entwickelt hätten, wenn das Niveau des Grundgehaltes aus dem Jahren
1904 festgehalten worden wäre - also ohne jede Regelung.
Jahr
Grund-
Quartier-
Teuerungs-
Gesamt-
Grund-
Quartier-
Teuerungs-
Gesamt-
gehalt
geld
zulage
bezug
gehalt
geld
zulage
bezug
1904
2000
600
__
2600
2000
600
__
2600
1910
1800
540
234
2574
2000
600
260
2860
1912
1600
640
336
2576
2100
840
441
3381
Demgegenüber ist der Gehalt der Beamten in mit Mittelschulbildung folgender Weise angestiegen:
Jahr
Anfangs-
Quartiergeld
Teuerungszulage
Anfangs-
Grundgehalt
gesamtgehalt
vor dem
1. 11. 1900
1600,-
(20%) 320,-
__
1920,-
ab 1. 11. 1900
1600,-
(30%) 480,-
__
2080,-
ab 1. 1. 1906
1600,-
(30%) 480,-
(10%) 208,-
2288,-
ab 1. 11. 1911
1600,-
(40%) 640,-
(15%) 336,-
2576,-
Ausserdem erhielten die Beamten ab 1906 Triennaiien statt der bisherigen Quadriennaiien, ab 1910 wurden die einzelnen Gehaltsstufen um je 50 K erhöht, was in der vorstehenden Tabelle nicht zum Ausdruck kommt.
Nebeneinanderstellung der Anfangsgehälter eines Beamten mit Mittelschulbildung und eines Koncipisten:
Jahr
Anfangs-Grundgestalt
des
Anfangs-Grundgestalt
des
Beamten
Koncipisten
Beambten
Koncipisten
1904
1600,-
2000,-
2080,-
2600,-
1910
1600,-
1800,-
2288,-
2574-
1912
1600,-
1600,-
2576,-
2576,-
Steigen der Bezüge des Beamten mit Mittelschulbildung bezw. Sinken der Bezüge des Koncipisten in Prozenten ausgedrückt:
Jahr
Anfangs-Grundgestalt
des
Anfangs-Grundgestalt
des
Steigerung
Herabsinken
Steigerung
Herabsinken
beim
beim
Beamten
Koncipisten
Beamten
Koncipisten
1910 gegen 1904
+0
-10%
+10%
-1%
1912 gegen 1904
+0
-20%
+20%
-1%
Somit ist, wie diese Ziffern deutlich beweisen, der Koncipist, welcher allgemein -sogar in dem anerkannt ungünstigsten Staatsdienste -mindestens in die X. Rangklasse eingereiht ist, in der Anstalt auf das Niveau eines definitiven Beamten mit Blosser Mittelschulbildung, also in die XI. Rangklasse hinabgedrückt worden.
Auffallen - der noch zeigt sich die ungerechtfertigt schlechte Stellung des ergebenst Gefertigten und seiner engeren Kollegen in gehaltlicher Hinsicht, wenn man erwägt, dass die Anstalt andererseits für die Beauftragtenposten Beamte mit blosser Mittelschulbildung mit einem Anfangsgrundgehalte von K 2400 bezw. K 2800 aufgenommen hat, also mit einem Gehalte, der im Staatsdienste - erst in der X. Rangklasse, und da erst nach mehreren in dieser Rangklasse zurückgelegten Dienstjahren, erreicht wird, wobei die von ihnen geforderte Vorpraxis bei diesem Vergleiche nicht in die Wagschale fällt, da ja auch der Koncipist, soweit er nicht schon ohnehin eine Vorpraxis ausserhalb der Anstalt aufzuweisen hat, vor seiner Ernennung zum Koncipisten eine längere Praxis in der Anstalt selbst durchmachen muss.
Ebenso ungünstig wie beim Vergleiche mit den sonstigen Gehaltsverhältnissen in der Anstalt selbst stellt sich die materielle Lage des ergebenst Gefertigten, wenn sein Gehalt mit demjenigen eines Koncipisten in anderen öffentlichen Diensten und bei den Schwesteranstalten verglichen wird. Am nächstliegenden für einen Vergleich mit den entsprechenden Verhältnissen in andern öffentlichen Diensten wären die Verhältnisse beim königlichen böhmischen Landesausschusse und dessen Anstalten in Prag, weil diese Behörde einerseits gleich falls eine öffentlich-rechtliche ist und andererseits deren Sitz und territorialer Wirkungskreis dieselben sind, wie bei der Anstalt. Die Verhältnisse bei der k, k. Statthalterei kommen gegenwärtig deshalb nicht voll in Betracht, weil -wie die Regierung offen anerkannt hat die Bezüge der Staatsbeamten den bestehenden Teuerungsverhältnissen nicht entsprechen und das Gesetz betreffend die Dienstpragmatik und das Zeitavancement, welches unter anderem auch die Bezüge der Staatsbeamten einer Neuregelung unterzieht, derzeit noch nicht verabschiedet ist.
Jahr
Anfangs-Grundgehalt des Koncipisten beim
Landesausschuss
in der Anstalt
Anfangs-Grundgehalt des Koncipisten beim
Landesausschuss
in der Anstalt
1910
2400,-
1800,-
3120,-
2574,-
1912
3000,-
1600,-
3900,-
2576,-,-
Steigerung
Steigerung
Steigerung
Steigerung
20%
11%
20%
0%
Nach drei als Koncipist zurückgelegten Dienstjahren ergibt sich folgendes Bild:
Dienst
Grundgehalt
Gesamtgehalt
Titel
Landesauschuss
3600,-
4680,-
Vicesekretär
Anstalt
2350,-
3783,-
Koncipist
Ein Vergleich mit den entsprechenden Gehaltsverhältnissen bei jenen Schwesteranstalten, von denen uns die diesbezüglichen Daten zur Verfügung gestellt wurden, ergibt folgendes Bild:
Minimumgehalt eines Koncipisten der Unfallversicherungsanstallt
In
Grundgehalt
Quartiergeld bzw. Aktivitätszulage
Ständiger Teuerungszulagebeitrag
im Ganzen
Graz
2200,-
768,-
260,- +300,-
3528,-
Brünn *)
2400,-
720,-
360,-
3480,-
Salzburg
2200,-
960,-
300,-
3460,-
Prag
1600,-
640,-
336,-
2576,-
*) Die Brünner Kollegen beziehen noch eine besondere Zulage von 200 bzw. 150 K jährlich (somit im Ganzen 3680 K bzw. 3630 K). Ab 1. 1. 1913 greift in der Brünner Anstalt eine allgemeine durchgreifende Gehaltsregulierung Platz, die hier nicht berücksichtigt erscheint.
Im weiteren Verlaufe der Dienstzeit zeigt sich dann folgendes Bild:
In
nach Jahren
Grundgehalt
Quartiergeld bzw. Aktivitätszulage
Teuerungsbbeitrag
Gesamsgehalt
Titel
Graz
3
2800,-
960,-
{
280
300,-
4340,-
Kommisär
Salzburg
3
2800,-
1200,-
300,-
4300,-
Kommisär
Brünn
1
2800,-
840,-
420,-
4060,-
Vicesekretär
Prag
fast 3
2350,-
940,-
493,-
3783,-
noch Koncipist
Die Spannung zwischen dem niedrigsten Koncipistengehalt in Prag und dem höchsten in Graz beträgt demnach nahezu 1000 K. Aus der letzten Tabelle ist ersichtlich, dass die Spannung nach 3 Dienstjahren - von den glänzenden Verhältnissen bei der Brünner Anstalt ganz abgesehen - noch immer 600 K beträgt.
Im Folgendem erlaubt sich der ergebenst Gefertigte noch auf die Spannung zwischen den niedrigsten Grundgehältern der Konceptsbeamten und derjenigen der Beamten mit Mittelschulbildung in verschiedenen Diensten hinzuweisen:
Art desDienstes
Beamte mit
Koncepts-
Spannung
Mittelschulbildung
beamte
In K
in %
Staatsdienst
1600,-
2200,-
600
37,5%
Landesausschuss
2000,-
3000,-
1000,-
50,%
Hypothekenbank
1800,-
3000,-
1200,-
66,66%
Unfallversicherungs-Anstalt Prag
1600,-
1600,-
0
0%
Durch die im vorstehenden geschilderten Verhältnisse hat der ergebenst Gefertigte einen bedeutenden wirtschaftlichen Nachteil erlitten, der für die Vergangenheit nicht mehr, für die Zukunft jedoch bloss durch eine wirklich durchgreifende, alle hier angeführten massgebenden Momente voll berücksichtigende (!) Regelung behoben werden kann.
Der ergebenst Gefertigte erlaubt sich daher das höfliche Ersuchen zu stellen, der löbliche Vorstand wolle die angesuchte durchgreifende Regelung seiner Gehalts-und Rangsverhältnisse in der Art durchführen, dass er den ergebenst Unterzeichneten seinen engern Kollegen beim kgl. böhm. Landesausschusse in Prag nach beiden bezeichneten Richtungen hin gleichstellt. Er bittet, bei dieser Gleichstellung in gehaltlicher Hinsicht, den Grundgehalt als massgebend anzusehen, da lediglich dieser die Beamten nach Rang und Charakter unterein ander unterscheidet, während die sogenannten Nebenbezüge, die für alle Beamte die relativ gleiche Höhe besitzen, bloss dazu bestimmt sind, den Grundgehalt mit Rücksicht auf die Teuerungsverhältnisse zeitgemäss auszugleichen. Beim kgl. böhm. Landesausschusse in Prag erfolgt die Ernennung des Konceptsbeamten nach 3 als Koncipist zurückgelegten Dienstjahren zum Vicesekretär mit einem Grundgehalte von K 3600-. Dementsprechend erlaubt sich der ergebenst Gefertigte die Bitte zu stellen, der löbliche Vorstand wolle seine Einreihung in die 1.Gehaltsstufe der III. Rangsklasse (3600 K) des Gehaltsschemas der Anstaltsbeamten sowie seine Ernennung zum Vicesekretär bezw. Kommisär (wie bei den Schwesteranstalten in Graz und Salzburg) gütigst vollziehen.
Prag, am 11. Dezember 1912
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at