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[Stempel: Prag, 15.12.08]

[An:] Herrn Dr. Max Brod Prag Schalengasse 1


Mein lieber Max,

ich muß Dir vor morgen noch für "Diderot" danken. Ein solches Vergnügen habe ich wirklich gebraucht, das immer vor einem bleibt, wenn mann darauf losgeht, das aber auch zugleich immer mehr um einen sich schließt, je weiter man kommt.

    Ich habe mir schon letzthin über Kassner und einiges andere den folgenden Satz aufgeschrieben:

    Es giebt nie von uns gesehene, gehörte oder auch nur gefühlte Dinge, die sich außerdem nicht beweisen lassen, wenn es auch noch niemand versucht hat, und hinter denen man doch gleich herläuft, trotzdem man die Richtung ihres Laufes nicht gesehen hat, die man einfängt, ehe man sie erreicht hat und in die man einmal fällt mit Kleidern, Familienandenken und gesellschaftlichen Beziehungen, wie in eine Grube, die nur ein Schatten auf dem Wege war.

    Doch soll das nur Gelegenheit sein, Dich zu grüßen und Deiner Arbeit viel Glück zu wünschen.

Dein Franz        
 

15 XII 1908



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


"Diderot": Rudolf Kassner, Denis Diderot, Berlin: Marquardt [1906]. Kassners Buch Motive. Essays, Berlin: S. Fischer [1906], befindet sich in Kafkas nachgelassener Bibliothek.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at