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  Dr. Tanja Rindler-Daller
 
  

 
 
 
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die Autorin in der Fremde

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...und in der Heimat

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derselbe Erdmond hier wie dort

Neo-Schamanismus aka "Energetik" (Jänner 2024)

Die Zukunft des Universums: unvorstellbare Vielfalt in der endlosen Leere ? (Juni 2023)

CO2 mittels Elektrokatalyse rezyklieren (Mai 2023)

Das James Webb Weltraumteleskop fast "am Abgrund" (April 2023)

ChatGPT und Mathematik (Jänner/März 2023)

"Durch Gewitter schien uns die Sonne der Freiheit". 100 Jahre Gründung der Sowjetunion (zum 30.12.2022)

Traumjob und KI (Dezember 2022)

SOFIA, Pluto und der unerbittliche Zeitpfeil: ein Beispiel von retrospektiver Welt an Neuigkeiten und Vergangenheiten (Oktober 2022)

Das Ewig-Mechanische zieht uns hinan (November 2006, gepostet Jän.2024)

Die Physik und "ihre Zeit" (März 2006 mit viel Schnee, gepostet Jän.2024)



Neo-Schamanismus aka "Energetik" (Jänner 2024)

Es gibt eine grosse Nachfrage nach vielen Arten der Lebensverbesserung. Viele Menschen erwarten sich einfache Lösungen, also schnelle "Wunder" und Heilsversprechen, weil man sich dadurch entweder selbst aus der Verantwortung stehlen kann, oder weil man z.B. wegen einer Krankheit keinen anderen Ausweg mehr sieht.

Die auf Forschung basierende Medizin (machmal abwertend „Schulmedizin“ bezeichnet - als wäre Schule/Schulung etwas Negatives) kann seriöserweise nicht alle Erwartungshaltungen der Menschen einlösen. Sie kann aber mittlerweile sehr viele Krankheiten, und vor allem schwere Krankheiten heilen. Ausserdem weiß man heute sehr viel über die positiven Auswirkungen von Vorsorge und gesunden Lebensstil. Letzterer wird ja nicht obsolet, nur wegen der Erfolge der Medizin. Zusätzlich wäre eine „ Bescheidenheits- und Verzichtskultur“ für die Menscheit meiner Meinung nach eine weitere Stütze für gesündere und glücklichere Leben. Denn viele Leiden treten heute infolge einer unnatürlichen Lebensweise auf.

Weil die Medizin aber trotz grossartiger Weiterentwicklungen immer wieder an neue Grenzen stösst (wie jede Naturwissenschaft; aber beachte: die Grenzen werden hinausgeschoben!), bleibt bei vielen Menschen ein Drang nach Alternativen und „Wundern“. Der unerfüllbare Glaube, dass die Medizin „ALLES“ jetzt und gleich wesentlich verbessern kann, eröffnet „Heilsversprechern“ aller Art Tür und Tor. Ähnliches gilt auch für Sekten und Religionen und deren "Heilsbringer", was echte Aufklärung über heutige Möglichkeiten behindert.

Als Teil der Biologie ist die Medizin keine "exakte Naturwissenschaft" mit immer eindeutigen Ergebnissen. Biologische Systeme sind hochkomplex und es gibt oft nicht nur monokausale Beziehungen, sondern riesige Netzwerke und komplizierte Rückkopplungen. Als Folge sind ihre Erkenntnisse nicht so leicht in einzelne Schubladen einzuordnen, und es entsteht beim Patienten der Eindruck "3 Ärzte, 5 Meinungen" (eigentlich ein Witzspruch unter Juristen), und es gebe einen "Meinungsspielraum" der rein subjektiv sei. Das wäre aber eine fehlerhafte Einschätzung: dieser Spielraum resultiert aus der Komplexität biologischer Systeme, wie jeder einzelne menschliche Körper und seine Wechselwirkung mit der Umwelt. Wir verstehen noch zu wenig, als dass wir biologische Systeme mit derselben Akkuratesse behandeln könnten wie Energie-Impuls-Tensoren in der Physik: die Physik vereinfacht die Behandlung der "Materie" um weiterzukommen, die Medizin hat diese Freiheit nicht. Dennoch muss sich die Medizin - wie jede Naturwissenschaft - auf grundlegende Pfeiler wie Reproduzierbarkeit von Ergebnissen oder Verifizierbarkeit und Falsifizierbarkeit stützen, damit sie eben nicht eine Sache von Beliebigkeiten wird, wie es sich Energetiker und Heilsbringer ausbedingen. Zu diesen komme ich gleich.

Je nach Umstand können ja "einfache Lösungen" ihren Erfolg haben, z.B. kann eine positive Grundeinstellung die Heilung mancher Krankheiten begünstigen. Bewegung, Sport oder Musik können bei psychologischen Erkrankungen wie Depressionen helfen. Psychosomatik wirkt vielfältig hinein. Von "Aromatherapie" verstehe ich nichts, aber es ist jedem einleuchtend, dass Gerüche sich auf Wohlbefinden oder Unwohlsein auswirken können. (Unsere tierischen Mitbewohner sind im Geruchssinn noch weitaus besser verankert). Es gibt gute Erfolge und sinnvolle Anwendungen von „Naturmedizin“ im breiten Sinne. Vor der Neuzeit wurden „Kräuterweiberln“ oftmals als Hexen verunglimpft und am Scheiterhaufen verbrannt, weil die katholischen und protestantischen Kirchen gleichermassen diese Arten der Heilsbetätigung als Aberglauben diffamierte (wenn allerdings Klosterschwestern Naturheilkunde betrieben, war dies durchaus erlaubt). Dennoch gilt, dass man z.B. empfindliche Mägen mit Naturmedizin beruhigen kann, Krebs kann sie nicht heilen. Wer an schweren Krankheiten leidet und die (Schul-)Medizin meidet, hat gute Aussichten vor seiner Zeit zu sterben!

Was ist nun ein grundlegender Unterschied zwischen empirisch arbeitenden (Natur-)Wissenschaften und der Energetik ? Letztere beruft sich auf die Notwendigkeit, dass einem "Medium" (dem Heiler, dem Energetiker, usw.) die Vermittlerrolle zwischen der Welt ("aussen") und dem Menschen ("innen") zukommt. In diesem Sinne bezeichne ich diese Energetik als moderne Ausgeburt des Schamanismus: der alte Schamane und der moderne Energetiker vermeinen "Energien" und "Ströme" und "Geister" zu fühlen, die sein Patient (aka "Otto/Anna"- Normalverbraucher) nicht fühlt, und die sie mittels ihres "Hokuspokus" einsetzen können um den Patienten, von welchen Leiden auch immer, zu heilen. Viele Energetiker behaupten (und ich zweifle das nicht an), dass sie Erfolge haben und viele ihrer Patienten glücklich gesundeten. Ich meine aber, dass dieser Erfolg mehr auf der persönlichen Ausstrahlung von Energetikern beruht, so wie Priester als gute Prediger ihre Gemeinde mitreissen können, oder Mentaltrainer ihren Sportlern einen unbedingen Siegeswillen einprägen können, sodass jene wirklich reüssieren. Damit sind die "Erfolge" der Energetik rein psychologischer Natur, und haben nichts mit dem Fühlen und Dirigieren von "Kräften" und "Geistern" zu tun.

Im Unterschied dazu wird die Vermittlerrolle von Individuen als Schranke zwischen "Welt" und "Mensch" in den Naturwissenschaften und der Medizin nicht gebraucht und ist sogar unerwünscht! Wenn ein Arzt in seiner Praxis oder im Spital Messungen mittels Geräten anstellt, wie z.B. ein Herz-EKG, dann gilt diese Messung als Resultat der Herzleistung des Patienten, unabhängig davon ob der Arzt mal aus dem Zimmer rausgeht, während der Patient weiterhin am Tretrad schwitzt, oder ob der Arzt anwesend bleibt, oder ob der Arzt derweil Papierkram erledigt. In praxi lässt man den Patienten eher allein, um keine Nervosität zu erzeugen, die das Ergebnis beeinflussen könnte. Aber auch dies ist wieder psychologisch/psychosomatisch verständlich und erklärbar. Natürlich muss die Funktionsfähigkeit medizinischer Geräte gewährleistet sein, damit sich Arzt und Patient auf die Ergebnisse verlassen können, aber diese Art Überprüfungen sind Teil gängiger Arbeitsroutinen, wie die Inspektion von Verkehrsgeräten auch.

Die Energetik als Gewerbe lebt von ihrer Vagheit. Sie will ja gar nicht präzisieren, worum es geht, denn eine Präzisierung würde eine naturwissenschaftliche Ergründung der Phänomene ermöglichen (manche Energetiker würden mir widersprechen und meinen, die Naturwissenschaften hätten kein Interesse deren "Fähigkeiten" zu ergründen. Das denke ich aber nicht; es gibt genug interessierte Naturwissenschaftler). An sich ist Vagheit kein Manko, wenn man von vornherein sagt, dass es sich bei Energetik um eine Art Lebensanschauung oder Poesie handelt. Zum Beispiel konnte mir kein Energetiker den Unterschied zwischen der "Aura" und der "Seele" erläutern. Meinen sie dasselbe, meinen sie etwas anderes ? Über "die Seele" wird schon seit Jahrtausenden in Philosophie und Religion nachgedacht, und in der Poesie gedichtet. Der Begriff ist vage genug, dass wir ihn noch immer nicht aufgegeben haben, auch weil er mit unserer Todesangst zu tun hat.

Im Gegenteil: Mir dünkt, die Energetik will sich absichtlich einen Hauch von Wissenschaft ankleiden, also pseudo-wissenschaftlich daherkommen, um seriöser zu erscheinen. Woraus man schliessen kann, dass der Wissenschaft, insbesondere der Naturwissenschaft, von grossen Teilen der Bevölkerung Respekt und Anerkennung gezollt wird. Aber damit wird die Energetik zur Scharlatanerie, deren Ausübung ein Geschäftsmodell wird - mit zehntausenden von "Gewerbescheinen" und einträglichen monetären Interessen. Sogar der Begriff "Energetik" erscheint mir absichtlicht verwirrend und pseudo-wissenschaftlich, da er ähnlich klingt wie "Energie". Und damit werden Schnittpunkte zur Physik oder zur Neurophysiologie suggeriert, wo keine sind.

Energie ist eine bedeutende Grundgröße in der Physik, und sie ist gar nicht so leicht mit einfachen Worten zu erklären: Energie ist eine fundamentale Größe, die gleichsam ein Maß dafür darstellt, wie ein physikalisches System aufgebaut ist. Die Energie eines Systems verringert sich in dem Maße, in dem z.B. Wärme abgegeben wird, Arbeit geleistet wird, oder Strahlung ausgesendet wird, usw. Energie gibt es in verschiedenen "Energieformen", die unter Umständen ineinander umgewandelt werden können. Beispiele sind Bewegungsenergie, potentielle Energie (entspricht der "Lageenergie" in einem Schwerefeld), chemische Energie, elektrische Energie, Kernenergie, usw. Ein tägliches Beispiel einer Energieumwandlung ist die Tatsache, dass wir mit dem Rad mühsam auf einen Berg fahren: wir müssen unsere Bewegungsenergie (in unserem Körper durch vorherige Nahrungsaufnahme gespeichert) aufbringen, um "Lageenergie" gegen die Schwerkraft der Erde zu erlangen. Am Höhepunkt angekommen, können wir aber mit der gewonnenen "Lageenergie" umso lustiger den Berg wieder runterradeln, denn die Lageenergie wird für uns nun mühelos zur Bewegungsenergie umgewandelt. In vielen Fällen lässt sich mittels einer mathematischen Formel die Energie eines Systems aus der momentanen Größe der Variablen und Parameter des Systems berechnen.

Im Laufe der Geschichte der Physik haben wir in der Tat immer mehr verschiedene Energieformen entdeckt. Die Kernenergie, also die in den Atomkernen gespeicherte Energie, die durch Spaltung oder Fusion entfesselt werden kann, hat schon existiert, bevor der Mensch davon wusste. Erst nachdem er davon wusste, konnte er sie nutzen. Natürlich könnte es noch weitere Energieformen geben, die derzeit noch unbekannt oder unverstanden sind. Man denke an das Problem der "dunklen Energie" in der Kosmologie. Aber weder die handfeste Kernenergie noch die hypothetische "dunkle Energie" werden von Physikern "erfühlt": sie werden entweder durch Beobachtungen und Messungen durch geeignete Apparate oder Teleskope gefunden und bestätigt, oder mathematisch beschrieben. Punkt. Selbst extreme Beispiele wie die Stringtheorie, die empirisch noch nicht bestätigt oder falsifiziert wurde (wenn je überhaupt), kann als physikalische Theorie eines Tages verworfen werden. Im Gegensatz dazu kann man die Dinge der Energetik als Neo-Schamanismus über die Jahrtausende immer und immer wieder behaupten und in den Raum stellen, und Widersprüche mit dem gesunden Menschenverstand oder empirischer Forschung negieren oder ignorieren.

Nun argumentieren manche Energetiker, dass ihre "gefühlten Energien", "Auren", und ähnliches eben noch unverstanden seien, oder von der Naturwissenschaft als Humbug ohne geeignete Analyse abqualifiziert würden. Aber der Zugang der Naturwissenschaftler zu Behauptungen von Energetikern bezüglich „neuer Energie-Formen“ kann nur über geziehlte Beobachtungen und Messungen erfolgen. Sie müssen geschickte Experimente durchführen, und zwar in reproduzierbarer Weise(!), und ein theoretisches Verständnis entwickeln, welches eine Einordnung der Meßergebnisse erlaubt -- gemäß des Spruchs von Galileo Galilei: „Alles was meßbar ist messen, und alles was nicht meßbar ist meßbar machen.“ Was aber nicht meßbar oder reproduzierbar ist, und auch nicht durch mathematische Analyse greifbar ist, bleibt im (Be-)Reich der Beliebigkeit! Und ist damit nicht Teil einer naturwissenschaftlichen Untersuchung, Fundierung und Begründbarkeit. Und dies ist für die Energetik der Fall.

Für alle Leser, die bis jetzt noch da sind, will ich einen weiteren Aspekt präsentieren, der viel Verwirrung stiften kann. Was ist "Neuroenergetik" ?

Eine Internetsuche des englischen Ausdrucks "neuroenergetics" liefert Links zu wissenschaftlichen Artikeln oder Vorträgen, während die Suche mit dem deutschen Ausdruck "Neuroenergetik" mir eine Liste allerlei lokal (in Wien) ansässiger "Neuroenergetiker" und "Kinesiologen" liefert und die potentielle Unterscheidung zwischen "sanfter Medizin" und Scharlatanerie schon sehr schwierig bis unmöglich wird. Also zur Einordnung: Neuroenergetik ist ein Teilgebiet zwischen Physiologie und Neurologie. Es beinhaltet das Studium des Energieflußes innerhalb des Gehirns und analysiert die Energiebedürfnisse neuraler Funktionen (also Hirnfunktionen), also z.B. will man verstehen wie Zwangsbedingungen bzw. Einschränkungen der Energiezufuhr die Hirnfunktionen beeinflussen. Im Unterschied zur "Energetik" ist jene "neuroenergetics" eine Naturwissenschaft. Man kann ja auch Gehirnfunktionen messen, z.B. im EEG ähnlich zum obigen Beispiel des EKG. Aber auch hier gilt dasselbe: die Messung hängt nicht vom Neurologen oder Arzt als Vermittler, als "Medium" zwischen Welt und Mensch ab. Die Messungen sind was sie sind.

Damit ist noch nicht der Drang nach Lebensverbesserung, der im ersten Satz angesprochen wurde, aus der Welt. Und auch nicht die Sinn- und Heilssuche des Einzelnen. Ich kann die Leser nur daran erinnern, dass die Poesie, Musik, Philosophie, das Interesse für Naturwissenschaften, die Zeit mit guten Freunden oder Familie, tierische Gefährten, eine erfüllende Tätigkeit oder Spaziergänge in der Natur auch viel Freude und Heilung "der Seele" ermöglicht, ohne sich von Heilsversprechern ausnutzen zu lassen.


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Die Zukunft des Universums: unvorstellbare Vielfalt in der endlosen Leere ? (Juni 2023)

Ein Thema wie in diesem Beitrag mag alles vermeintlich Wichtige "auf Erden" im Vergleich zwergenhaft erscheinen lassen. Und dennoch ist fast alles hier "auf Erden" singulär einmalig. Unser aller Leben, all jene die waren, sind und noch sein werden. Und auch alle anderen Gefährten, Tiere, Pflanzen, Einzeller; alle biologischen Arten von Lebewesen, die jemals waren und noch sein mögen - sie alle und wir alle; alle Landschaften und Klimazonen, hier und dort, damals und heute - alles Gewesene der Geschichte, hinfällig und doch einmalig. Nie wieder umkehrbar, alles im steten Strom des Zeitpfeils kommend und gehend, zu welchem Ende ?...

Der Mensch als "planendes Wesen" (anthropologisch gesprochen, politisch muss ich stark daran zweifeln) hat immer gern ein Ziel vor Augen. Wahrscheinlich um sich selbst in diesem grossen Weltengetümmel einzubetten. Um sich selbst ein Ziel, und damit einen "Sinn" zu geben.

Aber belassen wir diese große Frage im schaurig-schönen Daseinshintergrund und vergegenwärtigen wir uns, dass unser Planet eine milliardenjahrelange Geschichte hat, auf der wir nur ein sehr kleiner Teil sind - in Raum und Zeit. Wenn aber "Sinngebung" jenseits von Raum und Zeit eine eigene Kategorie "der Welt" sein sollte, dann sind wir Menschen kein unerheblicher Teil - höchstwahrscheinlich die ersten "auf Erden", die sich ihren Sinn selbst geben (obgleich wir nicht wissen was "höhere" Tiere womöglich alles denken), und vielleicht diesbezüglich die letzten - falls nach uns nichts evolutiv "Intelligenteres" mehr kommen sollte - ausser vielleicht die künstliche Intelligenz ?...

Leben wie wir es kennen und Leben, dass sich seinen eigenen Sinn gibt, kennen wir nur vom Gesteinsplaneten Erde. Wir wissen also noch immer nicht wie universell die Biologie ist. Ob sie im Universum verbreitet ist und universellen Gesetzen folgt, die "mehr" sind als nur die zugrundeliegende Physik und Chemie komplexer Moleküle, sondern auch universelle Muster von Information, Gedächtnis und "Lebenszyklen" impliziert, die viele verschiedenste Evolutionen im Universum erklären mag, und nicht nur jene sich hier abgespielte, uns einschliessende Erdgeschichte auf "unserem" Planeten (auch dies eine Sinngebung - als sei es "unser" Planet...).

Die Chemie des jungen Universums ist relativ simpel; es gab Wasserstoff und Helium, nebst einigen Spuren an weiteren Elementen, die für Leben keine Rolle spielen (dunkle Materie spielt eine wichtige, aber nur sehr indirekte Rolle, da sie für die Bildung von Galaxien wichtig ist, in denen die Sterne und Planeten letzlich beheimatet sind).

Chemische Elemente schwerer als Helium (als auch Helium) werden im Inneren von Sternen produziert, und die Menge und Vielfalt dieser produzierten Elemente hängt vor allem von der Sternmasse ab. Zu unserem Glück (und zum Glück aller anderen lebenden Wesen da draussen) sind gerade die massereichen Sterne, welche die grösste Vielfalt an verschiedenen Elementen in ihrem Inneren erzeugen, mit einigen Jahrmillionen auch die kurzlebigsten, und am Ende ihres Lebens "speien" sie gleichsam diese Elemente wieder in den umliegenden Weltenraum aus; die spektakulärsten Ereignisse dieser Art sind Sternexplosionen (Supernovae vom Typ II). Ausserdem beteiligen sich auch die Entstadien von Sternen an der Elemententstehung, wenn Masse von aussen auf sie einströmt und jene zur Explosion (von Weissen Zwergen, Supernovae vom Typ I) oder zur Verschmelzung (von Neutronensternen, Kilonovae) bringt.

Auf diese Weise wird das interstellare Gas zwischen den Sternen mit immer mehr schweren Elementen angereichert - aus diesem Gas und Staub entstehen die nächste Sterngeneration, die schon als Sterne mehr schwere Elemente enthalten und damit auch deren Planeten. Und noch mehr schwere Elemente stehen dann für die übernächste Stern-und Planetengeneration bereit, und so fort.

Es liegt also sehr nahe anzunehmen, dass die Vielfalt an Planetenwelten und die mögliche Vielfalt von Leben im Universum mit der Menge an schweren chemischen Elementen zunimmt. Im derzeitigen Standardmodell der Kosmologie ist das Universum an die 14 Milliarden Jahre alt, und wird noch schier ewig weiterbestehen. Unser Sonnensystem ist mit knapp 5 Milliarden Jahren fast ein Drittel so alt wie das Universum, und die Sonne gehört nicht zu der ältesten Sternpopulation, sondern sie samt "Inventar" an Planeten, Asteroiden und Kometen beherbergt vergleichsweise schon etliche schwere Elemente - sonst wären auch keine Gesteinsplaneten, Asteroiden, usw. vorhanden.

Der größte Teil der Zukunft des Universums (womöglich die Ewigkeit?) liegt vor "uns". Es kann durchaus sein, dass es "derzeit" noch wenig Leben im Universum gibt - vielleicht gehört die Erde zu ganz wenigen Vertretern belebter Planeten. Stattdessen könnten die Galaxien in ferner Zukunft nur so vor Leben strotzen, ungeachtet der Tatsache, dass sich jene Galaxien oder Galaxienhaufen in der allgemeinen Expansion des Universums in zunehmender Isolation finden, und die schier leeren gigantischen Räume zwischen ihnen immer weiter wachsen.

Astronomen haben sich die Frage gestellt wie lange der Zyklus an Sternentstehung und Sterntod, samt Anreicherung an schweren Elementen, eigentlich andauern wird. Es gibt nämlich einige "Senken", aus denen die einmal entstandenen schweren Elemente nicht wieder (oder zumindest für sehr lange Zeit nicht mehr) ins Weltall verteilt werden. Das sind vor allem die am häufigst vorkommenden Sterne, die roten Zwergsterne der M-Klasse. Diese sind "aktive" Sterne, die wie die Sonne Wasserstoff in Helium umwandeln. Aber sie sind sehr massearm und leuchtschwach und ihr nuklearer "Stoffwechsel" ist extrem langsam, d.h. sie werden sehr, sehr alt. Man schätzt das solche Sterne bis zu einer Billion Jahre lang (also 1000 Milliarden Jahre!) scheinen können. Im Gegensatz dazu wird unsere Sonne in etwa 5 Milliarden Jahren schrumpfen und zu einem Weissen Zwerg werden (faktisch der vormalige Sonnenkern exponiert für die "Öffentlichkeit" zukünftiger Astronomen in der Galaxis), wobei sie vorher noch ihre äusseren Schalen ins Weltall abgibt, und damit zur chemischen Anreicherung der nächsten Sterngeneration etwas beitragen wird. Die Roten Zwerge tragen allerdings in den ersten Jahrhundertemilliarden der Existenz des Universums nicht zur chemischen Anreicherung bei.

Aus Beobachtungen von Galaxien in verschiedenen Entfernungen von uns (d.h. bei verschiedenen Altersspannen, wegen der endlich langen Lichtlaufzeit) wurde die Sternentstehungsrate während der kosmischen Entwicklung gemessen und abgeschätzt. Die ersten Sterne dürften an die 100-300 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sein. Die Sternentstehungsrate stieg mit der Zeit an, und erreichte ca. 4 Milliarden Jahre nach dem Urknall einen Höhepunkt. Seitdem sinkt sie wieder, was auch daraus erkennbar ist, dass die meisten großen Galaxien der Gegenwart von Sternen (und dunkler Materie) dominiert sind, aber nicht von Gas und Staub, die für die Sternbildung unverzichtbar sind. Es gibt sehr grobe(!) Abschätzungen, dass die derzeitige (mittlere) Sternentstehungsrate in 100 Milliarden Jahren nur mehr ein Zehntel der heutigen beträgt, und in einer Billion nur mehr ein Hundertstel der heutigen. Nichtsdestotrotz wird die chemische Anreicherung weitergehen, wenn auch in langsameren Tempo.

Was bedeutet dies alles für die Aussicht bewohnbarer Planeten im Universum? Die Entdeckung tausender Exoplaneten in den letzten Jahrzehnten, die um andere Sterne in der Milchstraße kreisen, hat den Astronomen vor Augen geführt wie wenig wir noch über Planetenentstehung wissen. Denn viele der gefundenen Sonnensysteme haben einen völlig anderen Aufbau als das unsrige (wieder: "unser"). Daher kann über die Zukunft möglicher Planetensysteme nur intelligent spekuliert werden. Zum Beispiel ist anzunehmen, dass die Bildung von Gesteinsplaneten (samt Gesteinsmonden um Planeten) in der Zukunft wegen der chemischen Anreicherung erleichtert wird. Daher könnte die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Leben auf solchen Himmelskörpern stark ansteigen. Damit ist natürlich noch gar nichts über die (Un-)Möglichkeit von Leben auf Gasplaneten gesagt, deren Häufigkeit übrigens auch mit der chemischen Anreicherung steigt wie Beobachtungen zeigen (es gibt weitaus mehr Daten zu den größeren Exo-Gasplaneten). Grobe Abschätzungen gehen also davon aus, dass die Hälfte oder Zweidrittel aller jemals existierenden Planeten sich noch in der (fernen) Zukunft des Universums bilden werden.

Aber nun kommt eine weitere Frage an Relevanz für die Entstehung und Entwicklung von Leben an uns heran. Um welche Art von Sternen kreisen denn diese Planeten dereinst ? Schon heute dominieren die oben erwähnten Roten Zwerge, und diese Dominanz an massearmen Sternen wird in der Zukunft noch zunehmen. Dies hat einige Gründe, denn die Entstehung von Sternen und deren innere Energieerzeugung wird durch die chemische Umgebung beeinflusst. Die Entstehung massearmer Sterne wird durch chemische Anreicherung begünstigt. Ausserdem reduziert sie die Leuchtkraft von Sternen, sodass jene erst recht länger mit ihrem Wasserstoff-Brennstoff auskommen (Warum? Weil chemische Elemente schwerer als Wasserstoff und Helium Strahlung leichter absorbieren, sodass der Strahlungsfluß von der Sternoberfläche weg "gedämpft" ist. Und je weniger Energie der Stern durch Strahlungsverlust verliert, desto länger kommt er mit seinen "Resourcen" aus.) Erst wenn der Anteil höherer chemischer Elemente einen signifikanten Anteil der Sternmasse ausmacht, ergibt sich ein gegenteiliger Effekt, der die Lebenszeit wieder reduziert, aber dieser Effekt spielt Berechnungen zufolge in der nächsten Billion Jahre keine Rolle.

Sind Rote Zwerge für die Entstehung und Entwicklung von Leben zuträglich ? Die Antwort war und ist "ja", da sie eine enorme Lebenszeit von 100-1000 Milliarden Jahren haben. Aber natürlich ist die Lebensspanne (und die Chemie) allein nicht ausreichend um die Entstehung von Leben zu garantieren. Es müssen sich (Gesteins-)planeten in der sogenannten habitablen (=bewohnbaren) Zone um ihren "Heimatstern" bilden bzw. irgendwann dort hinwandern (was durch dynamische Prozesse möglich ist). Diese habitable Zone ist mehr oder weniger nur daduch definiert, dass Wasser in flüssiger Form vorkommen kann - wir wissen natürlich nicht, ob Leben per se immer auf flüssiges Wasser angewiesen ist (hier erfolgte noch keine kopernikanische Wende im Denken, sondern man bleibt sicherheitshalber in Ermangelung besseren Wissens konservativ). Ausserdem müssen diese potentiell lebenspendenden Planeten stabile Umlaufbahnen und Rotationsperioden sowie Magnetosphären haben, damit ihre Oberflächen nicht zu einseitig extrem kalt oder heiss werden. Weiters sollte der "Heimatstern" über lange Zeiträume stabil leuchten und keine großen Strahlungs-und Magnetfeldausbrüche tätigen.

Und hier kam eine überraschende Erkenntnis der letzten Jahre: Rote Zwerge sind magnetisch weitaus aktiver, als vormals angenommen. Es stellt sich nämlich heraus, dass Alter, Rotation, Masse und Magnetfelder stark zusammenhängen: im allgemeinen rotieren Sterne nach ihrer Enstehung noch schneller als in ihren späteren Jahren, die Rotationsgeschwindigkeit nimmt also mit der Zeit ab. Bei massearmen Sternen nimmt diese Rotation weniger stark ab, sie behalten also weitaus länger starke dipolare Magnetfelder bei als z.B. Sterne wie "unsere" Sonne. Damit stellen sie aber ein Problem für ihre Planeten dar, denn jene werden durch magnetische Sternstürme unter Umständen mehr belastet als z.B. die Erde durch die Sonne.

Die Entwicklung von Leben auf "unserer" Erde zeigt, dass zwar sehr viele günstige Bedingungen erfüllt sein müssen, dass aber die immensen Lebensspannen von Roten Zwergen nicht notwendig für die Entstehung von Leben sind. Vielleicht führt die hohe magnetische Aktivität von Roten Zwergen sogar dazu, dass sie in den ersten dutzenden Jahrmilliarden Jahren ihrer Existenz die Entstehung oder Höherentwicklung möglichen Lebens behindert, aber dass dafür in viel späteren Epochen dieser Sterne Leben entstehen bzw. sich entwickeln könnte, gleichsam sobald sich ihre Aktivität "leerläuft". Und das Leben mag um Rote Zwerge dereinst ja doch noch strotzen ?

Umgekehrt ist aber nicht einmal gesagt, dass wenig Aktivität für die Entwicklung von Leben unbedingt günstig sei. Wir wissen ja sehr wohl aus der Erdgeschichte, dass geologische oder kosmische Ereignisse trotz ihrer zerstörerischen Einflüsse auf das Leben oftmals Evolutionssprünge in vielen Bereichen ermöglicht hat. Man könnte also auch spekulieren, dass zu lange, "ruhige" Zeiten auf Planeten eine "einschlafende" Evolution begünstigen, und sich potentielle Lebensformen Milliarden Jahre nicht wesentlich ändern. Selbst auf der Erde gab es Milliarden Jahre lang "nur" Einzeller, und die Entwicklung von Vielzellern ist unter anderem nur gewissen "Katastrophen" zu verdanken.

Ein Problem, welches die potentiell Hunderte-Jahrmilliarden-währende Evolution auf Planeten um Rote Zwerge betrifft, ist astrodynamischer Natur. Die Stabilität von Planetensystemen ist nicht für alle Zeiten garantiert. Auch sehr seltene Ereignisse wie Kollisionen oder Bahninstabilitäten durch akkumulierte, gravitative Wechselwirkungen spielen über lange Zeiträume eine Rolle - dies hat man ausgerechnet, wobei natürlich nicht alle Konstellationen angeschaut wurden. Zum Beispiel beträgt die Wahrscheinlichkeit an die 1%, dass Merkur im Laufe der nächsten 5 Milliarden Jahre mit der Venus kollidieren könnte, und damit Bahninstabilitäten der Erde folgen würden. Da es sich um eine Wahrscheinlichkeit handelt, könnte diese Kollision trotzdem schon morgen eingeleitet werden. Über Jahrmilliarden kann halt alles mögliche passieren. Für Planeten um Rote Zwerge mit ihren gigantischen Lebensspannen werden diese Instabilitäten in der Bahndynamik durchaus schlagend und problematisch. Und kann die Lebensevolution(en) auf jenen Planeten trotz "freundlicher Heimatsterne" beeinträchtigen.

Und wie sieht es mit Leben auf der Erde in der Zukunft aus? Es kann durchaus sein, dass "unsereiner", nämlich Homo Sapiens Sapiens unverschuldet oder eher selbstverschuldet aussterben wird, und es noch eine Hunderte Millionen Jahre lange Evolution ohne uns geben wird, so wie es eine ohne uns in der Vergangenheit gab. Es könnten sich völlig neuartige Arten bilden, mit Spezies die unserer Intelligenz um nichts nachstehen. Und diese Wesen könnten auf Erden existieren, ohne von uns je zu erfahren, es sei denn unsere vormalige Präsenz machte sich in einer geologischen Schicht als Anomalie bemerkbar. Leider wird die Sonne "schon" in ca. 1-2 Milliarden Jahren empfindlich wärmer werden, sodass alles Leben auf der Erde dann verschwinden würde. Und spätestens wenn sich die Sonne in ca. 4-6 Milliarden Jahren zum Roten Riesen wandelt, wird die Erde unbewohnbar und wahrscheinlich durch die sich aufblähende Sonne gänzlich verschluckt.

Vor diesem Ende könnte es in ca. 2 Milliarden Jahren vielleicht eine eigene, andere Evolution von Leben im äusseren Sonnensystem geben, womöglich von demselben Leben, dass vielleicht jetzt schon da draussen im Inneren von Monden der Gasplaneten existiert! Und gesetzt es würden je intelligente, Astronomie und Mathematik betreibende Wesen dort entstehen, weil sich die Umweltbedingungen auf ihren Monden günstig entwickelt hätten, würden sie Raumsonden auf die Reise ins innere Sonnensystem schicken um zu erkunden, ob es auf Planeten wie Mars, Erde und Venus je Leben gab? Und zu dem Schluss kommen, dies sei nicht ausgeschlossen, aber wohl unwahrscheinlich (da ja z.B. dereinst nicht genügend flüssig vorkommende Kohlenwasserstoffe vorlagen...)....

Das Universum der Zukunft mag vielleicht wirklich vor Leben und dessen vielfältigen Formen strotzen. Aber was werden die intelligenten, selbstreflektierenden unter ihnen von ihren "Vorläufern" je wissen? Werden wir und ähnliche Wesen ihnen ein Archiv an Informationen hinterlassen, oder werden wir im "Abgrund der Geschichte" verschwinden, in dem mit den Worten von Paul Valéry "für alle Platz" ist ? Es liegt nahe anzunehmen, dass sich jene Zukünftigen auf die Suche nach Antworten begeben werden, denn auch sie werden sich über ihre Rolle im Dasein Gedanken machen, und darin versuchen sich selbst einen Sinn zu geben...


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CO2 mittels Elektrokatalyse rezyklieren (Mai 2023)

Beim Verbrennen fossiler Brennstoffe entsteht Kohlendioxid CO2, das als Treibhausgas wirkt. Auf die Erdoberfläche einfallende Sonnenstrahlung (z.B. im optischen Licht) wird zum Teil von dieser Richtung Weltraum zurückgeworfen (im langwelligeren Infrarotlicht). Das dazwischen-liegende CO2-Gas absorbiert dieses zurückgeworfene Infrarotlicht sehr gut, strahlt es z.T. wieder zurück, streut es, usw. Als Resultat bleibt mehr Sonnenwärme in der Erdatmosphäre "hängen", als ohne die Anwesenheit des CO2 der Fall wäre.

In der Tat wäre es ohne CO2 sehr viel kühler auf der Erde: ohne den atmosphärischen Treibhauseffekt von Wasserdampf und CO2 wäre ein Leben wie wir es kennen undenkbar. ABER wie so oft gilt auch hier: die "Dosis macht die Medizin". Je mehr CO2 es in der Atmosphäre gibt, desto stärker ist der Treibhauseffekt, desto höher ist die durchschnittliche Temperatur auf der Erdoberfläche (und der Meeresoberfläche). Im Lauf der Erdgeschichte haben v.a. Vulkanausbrüche und andere geologische Aktivitäten das CO2 beigesteuert. Seit der "ersten Industrialisierung" der Menschheit werden fossile Brennstoffe (Erdöl, Erdgas, Kohle) im grossen Stil verwendet und verbrannt, mit CO2 als ein Abgasprodukt. CO2 entsteht auch bei der Produktion von Düngemitteln oder Zement. Damit stieg und steigt der atmosphärische Gehalt an CO2 bis zum heutigen Tag: dies ist ein Faktum. Und dass dieser menschengemachte Anteil mittlerweile selbst den geologischen Anteilen "Konkurrenz" macht, ist auch ein Faktum.

Natürlich war es zu anderen geologischen Epochen "schlimmer", sprich "durchschnittlich heisser" bzw. "klimatisch instabiler" als heutzutage, aber die menschliche Zivilisation der letzten 10 000 Jahre, nach dem Ende der letzten grossen Eiszeiten, war einer relativ(!) stabilen Temperaturentwicklung ausgesetzt, eingedenk lokaler Schwankungen hie und da, oder hier und dort. Ergo: die heutige menschliche Zivilisation mit bald 10 Milliarden Menschen, wovon viele hunderte Millionen an Meeresküsten leben, wäre in einem Klima in dem sich die Dinosaurier oder Rieseninsekten "puddelwohl" fühlten nicht denkbar. Und auch ein regionaler Klimawandel, der in der Vergangenheit Zivilisationen in Mittelamerika, oder im Mittelmeerraum zum Verschwinden brachte, wäre für uns "super-dichtbesiedelten", "hochtechnologie-empfindlichen" Menschen von heute ein Disaster. Also bringt es uns nichts auf andere Epochen zu zeigen und zu sagen: damals ging's ja dann auch irgendwie weiter. Und daraufhin munter die globalen Kreisläufe aus dem jetzigen Zustand weiterhin "auf Teufel komm raus" hinauszustossen!

Es gibt viele Ansätze, dem CO2-Ausstoß Einhalt zu gebieten. Die beste Lösung wäre es ihn ganz zu unterbinden, und die Menschheit wird diesen Weg gehen müssen. "Bis dahin" werden auch andere Lösungen angestrebt. Ich bin pessimistisch, dass das jetzige Tempo des Umstiegs hinreicht, um auch nachfolgenden Generationen ein halbwegs gutes Leben zu ermöglichen, aber lasst uns "konstruktiv" bleiben. Will sagen: junge Leute, die sich für Chemie und Rohstoffforschung interessieren, können in ein riesiges Gebiet einsteigen, und dazu beitragen unseren Resourcen"gebrauch" ("Verbrauch" wird ein Unwort der nahen Zukunft!!) in allen Sparten zu optimieren.

In diesem Beitrag ein Beispiel zur elektrochemischen Reduktion von CO2: also eine Aufspaltung des Moleküls "CO2" mittels Elektrolyse, z.B. in das Kohlenmonoxid-Molekül "CO" und das Element Sauerstoff "O". Die letzteren wirken nicht mehr als Treibhausgase (was nicht heissen soll, dass sie medizinisch unbedenklich sind), und können vielleicht gleich in anderen chemischen Reaktionen weiterverwertet werden, z.B. in der Synthese von Methanol, Biokraftstoffen oder anderen Rohstoffen. Am besten spielt sich das alles gleich in derselben "Fabrik" ab. Aber Beispiele, die gut im Labor funktionieren, müssen nicht notwendigerweise im industriellen Maßstab - der immer ein *grosser* ist - funktionieren. Das ist Aufgabe der Verfahrenschemie: bring gute chemische Reaktionen und Rohstoffverarbeitung auf grossen Maßstab und mach es so billig wie möglich, damit es sich für den jeweiligen Betrieb rentiert und noch dazu so, dass es der Umwelt nicht schadet und -noch besser- sogar nützt bzw. als Resourcenkreislauf "ohne Senken" ermöglicht werden kann!

Also jene "grosse Industrie", die wir in meinen Jugendtagen und wohl bis heute zu Recht als "den Umweltsünder par excellence" gebrandmarkt haben, kann stattdessen "der grosse Innovator und Umweltschützer" unserer Gegenwart und Zukunft werden (siehe hierzu auch weitere zukünftige Beiträge auf dieser Seite).

Also kurz zur Elektrochemie, die auch die Basis von Batterien darstellt (auch wichtig für Elektrofahrzeuge, etz). Lapidar gesprochen und im gängigen Fall besteht ein elektrochemisches System aus "dem Elektrolyt" (meistens eine wässrige Lösung, kann aber auch ein Feststoff sein), sowie zweier Elektroden, wobei eine positiv geladen ist -die Kathode- und eine negativ - die Anode, zwischen denen ein Strom durchgeschickt wird. Das elektrochemisch zu reduzierende "Material", also hier das CO2 löst sich im Elektrolyten auf, wobei die entstehenden "Teile" je nach ihrer Ladung jeweils von der Kathode oder der Anode angezogen werden, sich dort "sammeln" und gezielt abgeschieden werden können. In der Praxis laufen diese Prozesse nur mit Hilfe eines Katalysators gut (oder überhaupt) ab, der sich in der Elektrolytlösung befinden mag. Metall-Kationen (positiv geladene Metall-Atome) spielen generell eine wichtige Rolle als Katalysator, denn es stellt sich heraus, dass oft nur dann die elektrochemische Reduktion gut verläuft. Kupfer ist ein wichtiges Beispiel, aber auch Cäsium. Warum ? Gute Frage, bzw. die Antwort hängt von vielen Faktoren ab, z.B. die gegenseitige Grösse der involvierten Atome und Moleküle, und wie gut sie sich womöglich am Elektrodenmaterial "festsetzen" können, ohne die eigentlich gewünschte Reaktion zu "unterbinden". Die Zusammensetzung der Elektrolytlösung beeinflusst also die Reaktion, siehe diese frühe Arbeit des Chemikers Alexander Frumkin.

In der Tat haben Forscher unlängst herausgefunden, dass eben auch die elektrochemische Reduktion von CO2 in Anwesenheit von Metall-Kationen (wie einfach positiv geladenes Cäsium "Cs+") besser verläuft, als ohne deren Präsenz. Experimente bestätigen, dass das Cs+ die "Zwischenprodukte" der Reaktion stabilisieren: durch die Grösse des Cs+ "fühlen" sich die Wassermoleküle schwach dort hingezogen und es kommt in der Nähe der Elektroden zu einer besseren Reaktion mit dem CO2. In Summe wirkt sich dies günstig für den vollständigen Reaktionsabschluss aus, als wenn das Cs+ nicht da wäre. (Cs+ wirkt auch besser als die Ionen anderer Alkali-Atome.) Auch der Säuregehalt der Lösung spielt eine Rolle und ist für industrielle Weiterentwicklungen relevant. Interessierte können sich in dieser frei verfügbaren Arbeit einlesen: siehe Link.

Einen frei verfügbaren Überblicksarbeit zur CO2-Elektrokatalyse mittels Kupfer gibt es auf diesem Link.

Nun sind aber alle Elektrolysen endotherme Reaktionen, d.h. die für die Reaktionen notwendige chemische Energie muss als elektrische Energie zugeführt werden (detto: auch Batterien müssen mittels Strom (auf)-geladen werden). Daher muss für eine wirtschaftlich und umwelttechnisch rationelle und rationale Anwendung diese Energie aus sinnvollen Quellen geliefert werden. Um diesen ganzen Zyklus der CO2-Reduktion als "Kreislauf" aufzusetzen bedarf es kluger verfahrens-chemischer Prozesstechnik. Das gilt für alle Arten von Kreisläufen. Entstehendes CO2 zu rezyklieren ist eben *nicht* einfach.


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Das James Webb Weltraumteleskop fast "am Abgrund" (April 2023)

Das James Webb Weltraumteleskop (JWST) liefert der Öffentlichkeit seit Juli 2022 neue Bilder und Erkenntnisse aus der Astronomie, von in unserer Milchstraße sich bildenden Planetensystemen bis "hinaus" in die Gefilde sehr weit entfernter Galaxien im frühen Universum.

Das JWST wurde "endlich" am 25.12.2021 - nettes Datum - von einer Ariane 5 Trägerrakete in den Orbit gebracht, wobei es noch eine weitere Reise vor sich hatte, nämlich zu einem gravitativen Gleichgewichtspunkt im Schwerefeld des Erde-Sonne-(Mond)-Systems.

Aber der Reihe nach: In den 1990 Jahren startete das JWST als gemeinsames Projekt der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA, der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, sowie der kanadischen Raumfahrtbehörde CSA. Aktuelle samt Archivbilder sowie Berichte können hier eingesehen werden: siehe die ESA Webseite, die NASA Webseite und die CSA Webseite.

Der Primärspiegel des Teleskops hat den beachtlichen Durchmesser von 6.5 m, mit dem aufgespannten Sonnenschild hat die ganze Sonde eine Größe von ca. 20 x 15 m.

Das JWST ist nicht nur der Nachfolger des in der Öffentlichkeit sehr bekannten optischen Hubble Weltraumteleskops (HST), sondern steht in einer Reihe vieler Satellitenteleskope. Das JWST ist tatsächlich ein Infrarotteleskop, und ist damit eher ein Nachfolger von IRAS, ISO oder Spitzer. Da das HST aber so sehr in den Medien und der Öffentlichkeit präsent war - aus gutem Grund, da es viele neuartige Erkenntnisse brachte, und optische Bilder naturgemäss immer "schön anzusehen sind", kann das JWST durchaus als dessen "Nachfolger" gelten, im Sinne der erwarteten Inspiration vieler Menschen.

Denn es ist kein Zufall, dass JWST für die Infrarotastronomie ausgelegt wurde. Viele neue Erkenntnisse verbergen sich entweder hinter dicken Staubwolken - die nur langwellige Strahlung durchlassen und optisches Licht gehört da nicht dazu - (siehe die oben angesprochenen Sternentstehungsgebiete), oder aber in fernen Regionen des Weltalls, dessen Strahlung durch die kosmische Expansion des Universums zu langen Wellenlängen hin verschoben ist. Die am weitesten entfernten Galaxien können wir bestenfalls nur mehr im Infraroten "und darunter" wahrnehmen, obgleich auch HST sehr weit entfernte Galaxien mittels seiner optischen und nah-infraroten Fähigkeiten in großer Zahl fand.

JWST befindet sich in ca. 1.5 Millionen km Entfernung von der Erde im "Lagrange-Punkt" L2. Es handelt sich hierbei um einen Gleichgewichtspunkt im Gravitationsfeld des Erde-Sonne-Systems. In solchen Gleichgewichtspunkten hebt sich die gegenseitige Schwerkraft der Himmelskörper auf, und ein im Vergleich winziger "Probekörper" wie das von Menschen konstruierte JWST kann sich dort ohne Geschwindigkeitsänderungen im Gleichgewicht, also "kräftefrei" halten. In der Raumfahrt bedeutet nämlich jede gewollte oder auferzwungene Änderung einen "Boost", also einen Schub und der kostet Treibstoff, daher Geld.

Es gibt mehrere Lagrange-Punkte und die "wichtigsten" wurden schon von Leonhard Euler gefunden, noch vor der Analyse durch Joseph-Louis Lagrange. Diese beiden Mathematiker, sowie auch Pierre-Simon Laplace und Carl Friedrich Gauß haben die Himmelsmechanik und damit die Astronomie ENORM befruchtet und defacto die moderne Himmelsmechanik begründet. Nicht umsonst waren Astronomen in den alten Tagen oftmals Mathematiker und eben auch umgekehrt!

Nun können sich vielleicht manche entsinnen, dass das "Mehrkörperproblem" in der Astronomie schwierig ist. Ein "Problem" im wahrsten Sinne ist die Tatsache, dass die Bahnen (die Orbits) nicht als geschlossene Lösungen, d.h. als "schöne" mathematische Formeln, aufgeschrieben werden können, es sei denn man beschränkt sich auf 2 Körper, z.B. die Bahn *eines* Planeten um die Sonne (man denke an die Kepler-Gesetze). Schon ab 3 Körpern gibt es keine "geschlossenen Lösungen" und man muss numerische Lösungen finden. Natürlich ist das kein grundsätzliches Problem und ist "täglich Brot" im Raumfahrtbetrieb. Aber "geschlossene Lösungen" haben den Vorteil, dass sie alle freien Parameter des astronomischen Systems wie Massen, Bahnexzentrizitäten usw. beinhalten, ohne dass man Zahlen für diese Parameter wählen muß. In numerischen Berechnungen muß man immer Zahlenwerte für die freien Parameter wählen, und für jede neue Wahl alles wieder neu durchrechnen.

Die Lagrange-Punkte sind nun aber die Gleichgewichtspunkte des "eingeschränkten 3-Körperproblems", wenn also der dritte Körper eine vernachlässigbare Masse im Vergleich zu den anderen beiden hat. Und das ist der Fall für einen Satelliten wie JWST, dessen Masse im Vergleich zur Erde oder gar zur Sonne "super-vernachlässigbar" ist. Wunderbar könnte man denken, aber die Praxis ist immer schwieriger als erwünscht. In Wahrheit muß man die Anwesenheit des Erdmonds berücksichtigen, und als Folge muß JWST doch ein paar "kreisende" Bewegungen um den L2-Punkt ausführen. Letztendlich ist aber der Energieaufwand dennoch gering.

Ein Hauptgrund warum man aber JWST so weit weg verpflanzte ist die weitere Tatsache, dass sich die Erde in der Verbindungslinie zwischen Sonne und L2-Punkt befindet, d.h. JWST wird die meiste Zeit vom "Erdschatten" beschützt, was so nicht der Fall wäre, wenn sich der Satellit in einem nahen Orbit um die Erde befände. Warum der Aufwand ? Weil JWST durch die Strahlung der Sonne (die ja auch im Infraroten leuchtet - nona wer spürt nicht gerne die Sonnen*wärme*) in seiner Funktion beeinträchtigt würde. Daher ist es günstig den Satelliten im L2-Punkt "hinter der Erde" zu parken, eingedenk seiner "Wiggle-Woggle"-Bewegung.

Das JWST wird viele neue Erkenntnisse liefern und liefert sie schon zur Stunde und schon letztes Jahr. Wie die "American Physical Society" herausstreicht, bieten sich die Bilder und Erkenntnisse von JWST besonders gut für die Öffentlichkeitsarbeit an, was ja auch beim Hubble Weltraumteleskop der Fall war, siehe diesen Bericht hier (auf Englisch).

In der Tat -denn jener Bericht erwähnt es- stand das JWST um 2010/2011 am Abgrund, da sein weiteres Budget von der US-Seite nicht gesichert war und eine völlige Aufgabe des schon in Konstruktion befindlichen Teleskops ins Haus stand. Im wahrsten Sinne "ins Haus", sprich "the White House", sowie der US-Kongress waren angehalten eine Entscheidung zu treffen. Zu jener Zeit wurde in der amerikanischen, astronomischen Community ein "Letter" zirkuliert, in dem alle aufgefordert wurden ihn quasi als Petition zur Erhaltung und Weiterführung des JWST zu unterschreiben. Ich habe diese Email damals ausgedruckt und habe diesen Zettel noch heute; er ist als PDF hier angehängt, und war an den damaligen Direktor des "White House Office of Science and Technology Policy" adressiert. Der "Letter" spricht davon wie sehr der imminente Kahlschlag von JWST die Wissenschaft beeinträchtigen werde, und geht in einige Details warum diese Beeinträchtigung droht.

Dieser "Letter", der grossen Zuspruch bekam und zur Rettung des JWST beitrug vermerkt "JWST...will revolutionize fundamental astrophysics". Er wird recht behalten. JWST ist schon dabei die Astronomie zu revolutionieren. Aber wehe der budgetäre Kahlschlag und JWST's Ende wären gekommen. Stattdessen: ein schöner Sieg des öffentlichen Aufschreis für eine gute Sache!


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ChatGPT und Mathematik (Jän./März 2023)

Die Entwickler von KI-Software haben gute Gründe ihre "unfertigen" Produkte in die Wildnis des Internets und deren User zu entlassen, um sie zu trainieren. Intelligenz ist ja nie "fertig", im Sinne von vollendet. Eben drum! Die Missverständnisse und der Hype um ChatGPT und ähnliche Instrumente geben eher Anschauungsbeispiele wie es um die Intelligenz der menschlichen User bestellt ist, die auch nie "fertig" sein wird. Man kann nur hoffen, dass im Wechselspiel zw. natürlicher und künstlicher Intelligenz ein genereller Aufwärtstrend bei beiden(!) generiert wird.

Gerade in Mathematik "schwimmt" ChatGPT allerdings ganz schön - wiewohl sich in Zukunft viel verbessern wird. Es gibt mittlerweile sehr viele Videos zu diesem Thema; hier ist eines von Prof.Edmund Weitz, das mir sehr gut gefallen hat, siehe Link. Hier werden ein paar mathematische Kenntnisse von ChatGPT mit Status von Anfang Jänner 2023 geprüft. Es sind zum Teil erheiternde Fehlleistungen vorhanden, und ich meine gar nicht mal falsche Datenauskünfte, z.B. der Frage nach den deutschen Fields-Medaillen-Trägern (eine hohe Auszeichnung für mathematische Leistungen, die seit 1936 existiert). An einigen Rechenbeispielen wird klar, dass simple Rechenfehler vorkommen. In anderen Fällen wird statt der offensichtlich einfachen Antwort (z.B. das Ergebnis für die Determinante der (negativen) 17x17-Einheitsmatrix) eine lange, verschrobene Beschreibung geliefert. Dann gibt es wieder sehr schöne Fälle korrekter, klarer Antworten.

Man bekommt den Eindruck, den der Autor des Videos viel besser formuliert, dass letztlich vieles an der KI von ChatGPT durch das blosse statistische Maschinenlernen einen Charakter des Zufälligen bekommt, was auch an der "Streuung" der verschiedenen Grade an guten und schlechten Antworten zu sehen ist. Dieses Phänomen erkennt man auch bei Verwendung verschiedener Sprachen: Englisch und Deutsch sind im Internet gut vertreten und daher auch ein enormer Datensatz. Man möge mal die Mathematik von ChatGPT in Sprachen testen, die von wenigen Millionen Menschen gesprochen wird, und wo es sehr viel weniger Datensätze gibt.

Der Beweis mathematischer Sätze, oder gar das Finden neuer mathematischer Einsichten oder Vermutungen bleibt sowieso eine (vorerst) unerreichte Höhe. In diese Richtung geht auch die schön vom Autor des Videos am Ende formulierte Erkenntnis, dass gerade jene Berufstätigkeiten, die als kreativ gelten (oder sollte man sagen, die sich für kreativ halten?), wie Kunst, Medien, Werbung, Texter, Journalismus, etc. schon jetzt Gefahr laufen durch KI verdrängt zu werden (man denke auch nur an die vielen "Bots"), während Berufe wie die des Mathematikers und Mathematiklehrers wohl noch sehr lange erhalten bleiben und -wie ich behaupte- gar nie verschwinden werden (zu Beruf und KI siehe auch Beitrag "Traumjob und KI").

Wie sagte schon sinngemäss David Hilbert, einer der berühmtesten Mathematiker der Menschheitsgeschichte, auf den Entschluss eines seiner Schüler doch in die Dichtkunst zu wechseln: "...als Mathematiker wär er eh' nicht kreativ genug gewesen".

Nachtrag vom März: ein Vortrag von Simon Frieder im Rahmen von "TUforMath" gab einen Einblick mit Stand vom März 2023, mit einer neueren Version von ChatGPT von Ende Jänner; unter diesem Link ist zumindest ein weiterer Verweis auf die wissenschaftliche Arbeit zu finden (die Aufzeichnung des Vortrags geistert vielleicht noch im Netz herum). Witzigerweise scheinen selbst die Verbesserungen in mathematischen Leistungen hier und da statistisch zu fluktuieren; manche Fähigkeiten wurden besser, manche eher schlechter. Als Suchmaschine fungiert ChatGPT als sehr gutes Tool, auch für Mathematiker in ihrer Arbeit. Golem lässt noch auf sich warten.


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"Durch Gewitter schien uns die Sonne der Freiheit". 100 Jahre Gründung der Sowjetunion am 30.12.2022

Der erste sozialistische Staat der Weltgeschichte wurde also offiziell am 30.12.1922 gegründet. Ein singuläres Datum, dass von einem "geschichtlichen Geist" erwirkt wurde, der mindestens bis zur Zeit der französischen Revolution von 1789 zurückreicht, der heute wirkt und in Zukunft weiter wirken wird, aller Unkenrufe, dass er untergegangen sei, zum Trotz. Dieser Geist ist nämlich nicht mehr auszuradieren!

Jener Geist nämlich, der den jahrtausendealten Herrschaftssystemen von Adel und Priesterschaft in den meisten Teilen der Erde sein verdientes Ende bereitet hat - eingedenk noch weniger anachronistischer Relikte hier und da auf dem Planeten. Jener Geist, der dem aufkommenden Weltkapitalismus und Finanz-Spekulantentum nach der industriellen Revolution entgegenarbeitete, angesichts des Elends das letztere in der neuen Menschheit der Lohnarbeiter angerichtet hatte.

Man vergegenwärtige sich das Los dieses neuen Menschen: dessen Lebenssinn nur darin besteht seine Arbeitskraft für Lohn an reiche Industriebesitzer zu verkaufen, damit er sich damit gerade einmal die nötigsten Dinge seines Überlebens wie Nahrung und Unterschlupf mehr schlecht als recht bezahlen könne. Es ist von grossen Köpfen hinreichend dargelegt worden, dass dieses Wirtschaften menschenverachtender ist, als selbst viele vorherigen Feudalsysteme es waren. Wen sollte es daher verwundern, wenn Sozialismus und Kommunismus als Ideenreiche und Ideologien als direkte Folge dieser Zustände entstanden, gleichsam als diesseitige Befreiungsstrategien einer durch den kapitalistischen Weltmarkt ins Elend taumelnden globalisierten Menschheit.

Man muss sich die elenden Zustände in europäischen Städten des 19.Jahrhunderts vergegenwärtigen, um dies anzuerkennen. Und man muss sich das Elend vieler heutiger Städte auf der Welt vergegenwärtigen, um zu sehen, dass wir noch mittendrin sind. Alle --ALLE-- sozialen Errungenschaften und Sozialleistungen des Staats, für die wir uns heute hier in Europa so brüsten, entstanden aus dem Arbeitskampf jener Leute, die nicht müde noch verzagt waren, zumindest einige Forderungen des Sozialismus und Kommunismus durchzusetzen. Man lese Engels "Grundsätze des Kommunismus" und staune was hier und heute von diesen oder jenen Forderungen umgesetzt wurde, ungeachtet der Tatsache, dass viele Errungenschaften immer wieder neu verteidigt, oder nach Rückschlägen neu errungen werden müssen.

Aber heutigen Europäern ist wenig bekannt (oder wurde mittlerweile vergessen, oder absichtlich im ersten Kalten Krieg verschwiegen), dass diese revolutionären Ideen, dieser Drang nach Änderung der elenden Verhältnisse eine besonders virulente Verbreitung im Rußland des späten 19.Jahrhunderts fanden. Die dortigen Revolutionen und Umstürze von 1905 oder 1917 fielen wahrlich nicht vom Himmel, sondern die Luft war von sozialistischen Ideen überschwanger. Fabriksarbeiter, Bauern, Soldaten schlossen sich in jeweiligen Vereinigungen und Kooperativen zusammen, um politisches Gewicht zu erringen. Fabriksarbeiter waren nicht nur in klassischen Gewerkschaften, sondern auch in "Fabrikskomitees" ("Sawkoms") organisiert. Der sozialrevolutionäre Geist verfing auch bei vielen Akademikern und Intellektuellen, die sich im damaligen Rußland ihrem Volk mit seinen sogenannten "einfachen" Leuten verplichtet fühlten.

Die entstehende Sowjetunion wurde vom halben Planeten der reaktionären, noch nicht ganz untergegangenen Geburtsaristokratie ("Adelskaste"), sowie der noch immer im Aufstieg befindlichen finanzkapitalistischen Geldaristokratie ("Geldadelskaste") militärisch als auch wirtschaftlich bekämpft. Unter diesen Umständen ist es ein Wunder, dass die Sowjetunion ihre Geburt überlebte. (Kein Wunder ist es angesichts derselben Umstände, dass die Geburt so gewaltsam vor sich ging.) Und es war nicht ausgemacht, dass die Sowjetunion gemeinsam mit den USA den Verlauf der Weltgeschichte im 20.Jahrhundert beherrschen sollte.

Und man kann beklagen, dass der Kalte Krieg mit seiner beispiellosen militärischen Aufrüstung die Ideale sowohl der Sowjetunion, als auch der USA korrumpiert haben. Denn auch die Ideale der USA nähren sich direkt vom Geist der Aufklärung und eines egalitären Gemeinsinns, die ein Ende der Herrschaft von Kaisern, Fürsten und Bischöfen herbeiführten. Dieser Geist des Gemeinsinns ist auch in den USA vorhanden und wird stärker werden, und dereinst auch den "Geldadel" wegfegen. Dieser Geist, der in der Internationalen besungen wird, der die sogenannten "kleinen Leute" beschwört, "ein Nichts zu sein tragt es nicht länger, alles zu werden strömt zuhauf".

Und man kann beklagen, dass die Sowjetunion, den Verhältnissen geschuldet und in den knapp 70 Jahren ihrer Existenz als Staatengebilde, keinen "idealen" Sozialismus aufbauen konnte. Aber sie hat der "alten Herrschaftswelt" einen "Wurf nach vorne" aufgezwungen, indem sie dieser Herrschaft von Adel, Priesterschaft und Weltkapitalismus den grössten Feind bereitet hat, nämlich der breiten Realisierung der Menschen, dass sie über all jene Herrschaften hinwegkommen können, wenn sie es nur wollen. Damit hat sie das kommunitaristische Denken in der Welt beispiellos beflügelt, und allein schon dafür gebührt den Völkern der ehemaligen Sowjetunion ewiger Dank und Anerkennung in der Weltgeschichte.

Man kann beklagen, dass die Sowjetunion nicht alle Hoffnungen erfüllt hat, so wie man beklagt, dass die französische Revolution sie nicht erfüllt hat. So wie man beklagt, dass die "repräsentative" Parlamentsparteien-Demokratie im Westen korrumpiert ist, und mit echter Demokratie ("Volksherrschaft") nichts zu tun hat. Aber die "französische Revolution" ist eben noch immer nicht zu Ende, so wie die "russische Revolution" noch immer nicht zu Ende ist. So wie echte Demokratie noch nicht am Ende ist. So wie Bürgerräte nicht zu Ende sind.

"Wahre Demokratie" und "wahrer Kommunismus" sind gar nicht so verschieden - aber keins von beiden hat auf Erden noch je existiert! Aber ihr frohgemute Visionäre unter den Menschen, ihr seht schon beide schemenhaft an demselben Horizont in der rot-goldenen Morgensonne glitzern. In der Zwischenzeit mussten und müssen wir uns an unfertigen und halben Lösungen freuen und auf bessere hinarbeiten.

Dass ich als einzige meiner Familie damals die Universität besuchen konnte, dafür war ich immer dem österreichischen "Sozialismus" dankbar, der auch kein "echter" war, aber frei von Studiengebühren und grober Einkommens-Diskriminierung. ABER selbst den schwachen österreichischen Sozialismus hätte es ohne den sowjetischen Sozialismus nie gegeben! Denn das sich selbst zerfleischende Europa wäre nach dem ersten Weltkrieg ohne Sowjetunion nur eine Form von "erbärmlich schlechterer USA" geworden, in dem das bloße Überleben im Kapitalismus schon Luxus bedeutet.

Kein westeuropäischer Sozialstaat wie wir ihn kannten und noch kennen hätte es ohne die Sowjetunion gegeben, denn die schiere Angst der Machthaber die Menschen in Europa würden dem russischen Beispiel folgen ermöglichte es diese Sozialstaaten einzufordern.

Keine Entkolonialisierung des globalen Südens, weder eine Zerschlagung des britischen Empire, noch des europäischen Faschismus hätte es ohne die Sowjetunion gegeben! Und ja, durch die Sowjetunion ist die Welt nicht im globalen nuklearen Holocaust untergegangen. Und selbst noch bei ihrem Zerfall hat sie die Welt nicht mit sich mitgerissen.

Also danke ich auch dem sowjetischen Sozialismus für mein geistiges, friedliches Leben das ich bis dato in meiner kleinen Heimat führen konnte.

Was blieb der Welt stattdessen nach dem Zerfall der Sowjetunion?

.) Eine globalisierte Konsumtrottelosis, die allen Dingen und Lebewesen ein Preisschild umhängt, und die Resourcen der Erde mit gleichsam vernichtendem „Endzeitfanatismus“ ausbeutet, schlimmer als in allen Jahrzehnten zuvor. Und sie würden auch andere Himmelskörper ausbeuten, und sie planen es ja schon!

.) Religiöse Fanatismen an allen Ecken und Enden, die nur als Wahnsinn bezeichnet werden können (v.a. in den monotheistischen Religionen fürchterlich potenziert), in einer Welt, in der wir schon glaubten, das Sonnensystem zu erorbern, das Universum zu verstehen, und den jahrtausendelang unterdrückten Mädchen, Frauen und armen Menschen eine Bildung und erfüllenden Beruf zu ermöglichen. Stattdessen massive Rückschläge des Säkularen wohin man blickt!

.) Nationalismus und Tribalismus, ob plump, ob brutal, der alle Ethnien und Sprachräume gegeneinander aufhetzt, ungeachtet gemeinsam gelebter Geschichte und Erfahrung. Und zu Kriegen und Bürgerkriegen führt, v.a. auch im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Der moderne Identitätenkrieg im sogenannten Westen ist die Splitterbombenversion des Tribalismus und heizt noch „Bürgerkriege“ zwischen Mann und Frau, Hetero und Homo, Schwarz und Weiß, „etc“, fort.

Welch Kontrast zum Kommunismus, der alle diese erbärmlichen Scheidelinien im Menschsein gar nicht zu thematisieren braucht, weil er höheres Verlangen verspürt.

und endlich: .) Ein totaler Überwachungskapitalismus hüben wie drüben, der beispiellos ist in der Geschichte des Totalitarismus.

Ich bedaure es zutiefst, dass die Sowjetunion als Staat nicht weiterexistieren konnte, und wenn auch in reformierter Weise, um sich dereinst zu seiner „gerechten Sache“ (na pravoje djelo) im Verbund mit dem "Rest der Welt", samt USA und aufsteigendem China, weiter hinzuentwickeln.

Die Sowjetunion war der erste sozialistische Staat der Weltgeschichte, aber nicht der einzige, und nicht der letzte. Sie war der grosse, weltgeschichtlich irreversible, hehre Auftakt einer Symphonie, die weiterhin spielt, ungeachtet dissonanter Phrasen und Brüche dazwischen. Jene Symphonie, die von einer gerechten, aufgeklärten Organisation menschlicher Zivilisation singt, in dem auf Erden und sonst wo im Sonnensystem dereinst doch noch stolze Individuen für das Wohl des Kollektivs und ihrer grossen Ziele wirken werden. Denn so weit wir sehen, gibt es keinen objektiven, aufgestülpten "Sinn" weder für das Universum, noch für uns Menschen. Wir müssen uns den "Sinn" selbst verleihen. Was sonst, als solch ein Kommunismus, ist angehalten die allumfassende, existenzielle Depression unseres orientierungslosen, streunenden Weltgetümmels zu heilen ?

Die Sowjetunion hat sehr Schwieriges versucht zu erreichen. Und dann erkecken sich heute jene als "übriggebliebene Sieger", die uns keinerlei Sinn mehr bieten können ? Sie sind Übriggebliebene, wohl wahr, aber mehr nicht. Dazu dient uns hier die Metapher der Raumfahrt, die man ja bekanntlich deswegen betreibt "...nicht weil sie einfach, sondern weil sie schwierig ist". Nur sehr wenige Nationen haben sich bis dato in der "Raumfahrt" - sprich im Aufbau eines Sozialismus, gemessen. Die Sowjetunion hat als erste erfolgreich "Raketen gestartet". Und manche davon haben es sogar "zu anderen Himmelskörpern" geschafft. Und dann geifern doch tatsächlich jene Nationen, die niemals "Raketen gebaut haben", und zeigen mit dem Finger auf die Sowjetunion, dass "ihre Raketen es ja doch nicht zum Rand des Sonnensystems geschafft hätten", dass also ihr Sozialismus unvollkommen oder schlecht gewesen sei ? Diese Nationen "ohne Raumfahrt" ereifern sich und freuen sich darob, dass die am "Mars" gelandete Sonde "Sowjetunion" nach knapp 70 Jahren gleichsam durch einen zufälligen Sandsturm der Geschichte ihr Ende fand, und daraufhin ihr letztes Signal sendete. Solcherart ereifern sich diese Nationen "ohne Raumfahrt", also diese Nationen die niemals ernsthaft versucht haben einen Sozialismus aufzubauen. Was soll uns denn dieses Gegeifer anhaben ?

Der Weg zum Kommunismus ist schwierig, wie die Raumfahrt. Man mag oft scheitern, man lässt das "Raumfahrtprogramm" sogar vorsätzlich zum Erliegen kommen. Vielleicht Jahrzehnte lang. Aber eines Tages kommt man wieder auf dessen Ideen und Hoffnungen zurück, gleichsam wie die russischen Revolutionen lange nach der französischen von 1789.

Aber wir werden nicht verzagen, wenn die erste "Sonde" auf einem "unbekannten Planeten" zerschellt. Wir werden weitere schicken. Und "Sonden" mögen auf der "Nachtseite von Himmelskörpern" entschwinden, und sind dennoch da. Wir verzagen also nicht, wenn es scheint als wären die Ideen des Kommunismus auf der Nachtseite der menschlichen Geschichte entschwunden. Sie sind ja dennoch da.

Und sollten wir mit Menschen, die vor 1000 Jahren gelebt haben, streiten dass Raumfahrt möglich sei, sie überzeugen zu suchen sich Dinge vorzustellen, die jenseits allen Denkens für sie lagen ? Sollen wir also heute darum streiten, ob Kommunismus möglich sei, angesichts des Zerfalls der Sowjetunion? Was soll uns dieses Gegeifer anhaben von Nationen oder Menschen "ohne Raumfahrt", ohne Ansprüche, ohne Ideale, ohne Gemeinsinn, ohne hehre Ziele, ohne Leidenschaft für den Zauber kollektiver Errungenschaften ?

Raumfahrt ist möglich! Kommunismus ist möglich! Die Losungen sind draussen - und uneinholbar schweben sie in unsere Zukunft hinein.


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Traumjob und KI (Dez.2022)

Solange es Technologieentwicklung in der Menschheit gab und gibt, hat sich die Frage gestellt, inwieweit und wann der Mensch in verschiedensten Berufen obsolet wird. Diese Frage und die Angst ihrer Beantwortung ist also nicht neu. Es ist augenscheinlich, wie die Entwicklung der Computerindustrie im 20.Jht viele Berufe obsolet machte, aber auch viele neue, vormals nicht existierende, schuf. Dennoch scheint mit der modernen Form der Automatisierung und der --nach mehreren KI-Wintern im 20.Jht -- nun doch sich schnell entwickelnden neuen KI eine "bedrohlichere" Gefahr für die Berufswelt heraufzudämmern.

Welche Berufe sind also mittelfristig gesichert, und welche Berufe haben ein (hohes) Risiko durch KI oder -noch simpler- durch Automatisierungsprozesse im allgemeinen obsolet zu werden ? Hierzu gibt es viele Arbeiten und Antworten.

Ein instruktives Tool habe ich auf einer Webseite der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) gefunden. Hier ist der Link zum Bewertungsportal (auf Englisch), in dem viele voreingestellte Berufe auf das oben angesprochene Risiko überprüft werden können: resilience to robots

Natürlich bezieht sich die Aussage auf die Ausübung der jeweiligen Berufe. Ein Naturwissenschaftler der Schriftsteller wurde, oder ein Mathematiker der als Programmierer arbeitet, soll sich seine Beruf(ung)skategorie dergestalt wählen.

Der Punktestand liegt zwischen 0.43 (kein Risiko) und 0.78 (höchstes Risiko) und man tut gut daran jene Seite zu lesen, auf der erklärt wird wie die Bewertung erfolgt. Offensichtlich gehen der Grad und Wichtigkeit spezifisch menschlicher Fähigkeiten ein, sowie die Fähigkeiten heutiger und schon verfügbarer KI.

Der Vergleich meiner geliebten Königsdisziplinen "Astronomie, Physik, Mathematik" macht mich Lächeln. Alle im grünen Bereich ! Aber siehe da, "Physiker" (0.43) werden als deutlich sicherer bewertet, als "Astronomen" (0.52) und "Mathematiker" (0.50), und der entsprechende Zeiger für die "Physicists" schlägt nicht mal nach rechts aus. Was soll man daraus schliessen ?? Hier mein Erklärungsversuch: mathematische Theorie-Lastigkeit wird in gewisser Weise eher als durch KI ersetzbar angesehen, als die Fähigkeit komplizierte experimentelle Apparaturen aufzustellen, damit umzugehen und sinnvolle Resultate zu erzeugen. Und jeder, der auch nur ein höheres Physik-Praktikum durchgemacht hat, weiss wohl gut wovon ich spreche. Wenn auch die Hand des Menschen als ein Höhepunkt der Evolution gilt, wird man im Labor ordentlich zur Bescheidenheit erzogen. Auf der anderen Seite dünkt mir doch sehr stark, dass die Bewertungsberechnung dieses Portals unmöglich die gleichermassen auftretenden Schwierigkeiten der praktischen Astronomie, noch die unglaublich kreativ-abstrakte Leistung einer mathematischen Beweisführung berücksichtigt haben kann.

Mich reizt es einige weitere diverse Professionen zu überprüfen. Immerhin -- staune wer will -- werden "klassische Programmierer/Computer Programmers" mit 0.59 noch schlechter bewertet, als die obigen dreien (Welch Genugtuung!!). Echt gute KI programmiert sich eben selbst, oder doch nicht (ganz) ?

Ausserdem schneiden auch "Schauspieler/Actors" mit 0.61 relativ schlechter ab. Deepfake macht's wohl möglich, dass selbst dieser Job noch unsicherer wird. (Wenn ich mir allerdings vorstelle wie sehr die Politik mit echten und Laien-Schauspielern aller Geschlechter und Couleur gespickt ist, soll es mich nicht verwundern, dass es diesen Beruf bald nicht mehr gibt.).

Noch schlechter schneidet allerdings "Photovoltaik-Monteur/Solar Photovoltaic Installers" mit 0.64 ab. Wer hätte das gedacht ? Wiewohl man in der jetzigen Lage in Österreich händeringend auch Ausserirdische mit dieser Profession anheuern würde.

Wenig verwunderlich sind "Zahnärzte/Dentists, General" mit 0.55 wenig gefährdet. Angesichts der Zuckerorgien auf diesem Planeten ist es schwer vorstellbar, dass dieser Beruf überhaupt jemals in Gefahr sein solle. Aber natürlich ist KI denkbar, die uns zierlich und fleissig die Zähne behandelt. Und jene KI-Androiden und Nanobots bleiben ja selbst von Karies verschont.

Einen guten Stand haben z.B. auch "Geschichtelehrer höherer Schulen/History Teachers, Postsecondary" mit 0.54. Wenn ich das im Lichte von chatGPT nur glauben könnte !...

Weiter geht es mit einer köstlichen Sparte: "Fence Erectors", was ich nur als "Zaunbauer/Zäuneerrichter/Gerüstaufsteller" übersetzen kann, und gemeint ist ja wohl das Baugewerbe. Diese sind gemäss Portal mit 0.70 stark gefährdet. Wenn ich allerdings an die Umwelt-und Klimaprobleme denke, die den alten Spruch "Rette sich wer kann" in ungeahnt neue Höhen führen wird, dann wird es in Zukunft gar nicht soviel KI geben um überall auf der Welt all die Zäune aufzustellen...

Die "Fleischhauer/Butchers and Meat Cutters" sind mit 0.69 auch im Hochrisikobereich. Falls Fleischverzicht dereinst zur Staatsdoktrin wird, kann man diesen Beruf ganz vergessen.

Als letztes "Highlight" meiner Recherche fand ich die "Tellerwäscher/Dishwashers" mit 0.74 bewertet und damit - wenig überraschend - auch hoch riskant der "Obsoleszenz" ausgesetzt. Was wird dann aus den alten wirtschaftsliberalen "Vom Tellerwäscher zum Millionärs-Geschichten" ?...

Ich frage mich, ob derlei Bewertungs-Software in Hinkunft gar auch "nur" von KI geschrieben werden wird? Als "plumbe Meinungsmache" zugunsten ihrer zukünftigen Gesellen ? ;)

Wie dem auch sei junge Leute, bildet euch eine fundierte, eigene Meinung. Vor allem: BILDET EUCH! Nichts schützt sicherer vor KI, als über sie zu stehen! (Sie programmieren zu können schadet allerdings auch nicht.)


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SOFIA, Pluto und der unerbittliche Zeitpfeil: ein Beispiel von retrospektiver Welt an Neuigkeiten und Vergangenheiten (Okt.2022)

In einem Stoss alten Schmierpapiers finde ich eine dazumal von mir für meinen interessierten Vater ausgedruckte Wissenschaftsmeldung von "Spacefligt Now", datiert vom 10.Oktober 2002. Genau zu jener Zeit war ich im Fertigschreiben meiner Astronomie-Diplomarbeit und fast genau 20 Jahre später sollten mir diese Blätter in die Hände fallen. Ein melancholischer Schauer durchzieht mich, ob der Vorstellung dass all diese Jahre irreversibel vergangen sein sollen. Also verweile ich und lese den Artikel wieder. "Pluto is undergoing global warming, researchers find" - die nachgewiesene Erwärmung des Planeten Pluto. Bekanntlich wurde Pluto 2006 zum Zwergplaneten "abgewertet", da es viele ähnliche Himmelskörper seiner Art im sogenannten Kuiper-Gürtel jenseits der Neptunbahn gibt.

Der Artikel bezog sich auf die Resultate von Messungen von Plutos Atmosphärendruck über einen Zeitraum von 14 Jahren. Dazu wurden optische Teleskope "altehrwürdiger" Sternwarten benutzt, wie das Lick Observatorium, das Lowell und das Palomar Observatorium, aber auch jenes auf Mauna Kea. Dabei wurde unter anderem die Lichtkurve eines Sterns beobachtet, vor dem Pluto am 20.August 2002 vorüberzog, also eine durch Pluto verursachte "Sternfinsternis".

Man kann sich vorstellen, dass dies ungleich schwieriger zu messen ist, als die landläufigen Sonnenfinsternisse durch den Erdmond. Aber es ist möglich und viele ähnliche Messungen wurden und werden in der Astronomie regelmässig durchgeführt. (Nebenbemerkung: Diese Methode bewährt sich auch bei der Suche nach Exoplaneten - wenn diese vor ihrem "Heimatstern" vorüberziehen, führt dies zu charakteristischen Lichtschwankungen des letzteren. Ob es allerdings irgendwo Wesen "da draussen" gibt, die sinnvollerweise von "ihrem Heimatstern" sprechen können, bleibt eine offene Frage.)

Der Hintergrundstern wird natürlich durch Pluto verdeckt, aber die Art wie dies geschieht und der Grad und die Schnelligkeit seiner Helligkeitsabnahme und -zunahme kann dazu verwendet werden Rückschlüsse auf Plutos Atmosphäre zu ziehen. Denn wenn er keine hätte, würde das Sternlicht abrupt verschwinden und wieder abrupt auftauchen. Es geschiet aber graduell, was nur durch eine Atmosphäre (oder Gashülle) erklärbar ist. Im besten Falle kann man das durch die Atmosphäre gehende Sternlicht auf seine chemische Zusammensetzung hin untersuchen. Und dunkle Absorptionslinien könnten von dieser Atmosphäre rühren, woraus man auf die chemische Zusammensetzung letzterer schliessen kann: sie besteht zum Großteil aus Stickstoff, der auch der Hauptbestandteil der Erdatmosphäre ist.

Nun wurden derartige Sternfinsternisse über viele Jahre gemessen, und gerade jene vom August erwies sich als kritischer Puzzleteil, um den Trend einer Erwärmung von Plutos Atmosphäre zu bestätigen.

Natürlich muss die News-Seite gleich dazusagen, dass diese Erwärmung nichts mit der jetzigen Erderwärmung zu tun hat (oder unterstelle ich hier etwas?). Die Menge an zu uns kommender Sonnenstrahlung pro Flächeneinheit und pro Zeiteinheit (die Solarkonstante) wird regelmässig gemessen - auch durch Erdsatelliten - und sie ist "zu konstant" um solcherart Erwärmung, auf der Erde als auch auf dem ca. 30-50 mal weiter von der Sonne entfernten Pluto zu erklären, wie die Forscher ausführen. Warum dieser grosse Abstandsbereich? Pluto bewegt sich auf einer sehr elliptischen Bahn, daher kann er der Sonne manchmal sogar näherkommen als Neptun.

Plutos Rotationsachse ist ausserdem um einen grossen Winkel um die Bahnebene geneigt - es gibt also Jahreszeiten(!) auf Pluto. Die Temperatur seiner Atmosphäre liegt tatsächlich in einem Bereich von ungefähr -235 bis -170 Grad Celsius, je nach Höhenlage. (Wahrlich, ein ewiger "Hades-Winter" und eine tote Welt, für Leben wie wir es kennen).

Auch anno 2002 war bekannt, dass Pluto über Stickstoffeis an seiner Oberfläche verfüge, dass ja in die Atmosphäre verdampfen könne; es geht also ohne Umwege vom festen in den gasförmigen Zustand. Zum Verdampfen bedarf es aber einer gewissen Erwärmung -selbst wenn diese sehr relativ aus unserer Sicht erscheint. Mehr Stickstoff in der Atmosphäre bedeutet aber eine höhere Dichte und auch einen höheren Druck. Durch Messung von Sternfinsternissen konnte seit 1988 dieser Trend gemessen werden, woraus man auf eine Temperaturerhöhung der Planetenoberfläche von durchschnittlich etwas weniger als 2 Grad Celsius über diese 14 Jahre hinweg schliessen konnte (bevor ihr über diese kleine Temperaturdifferenz enttäucht seid, bedenkt die Messgenauigkeit! Wir reden hier von einem Planeten, der an die 5 Lichtstunden entfernt ist und eine mit blossen Augen nicht sichtbare Winzigkeit am Himmel darstellt). Hier geht die plausible Annahme ein, dass man von der Änderung der Atmosphäre auf jene der Oberfläche schliessen kann -- dies muss für andere Himmelskörper nicht der Fall sein.

Übrigens war Pluto auf seiner weiten Bahn um die Sonne ihr gerade 1989 am nächsten. Warum sich Pluto erst 13 Jahre nach seiner grössten Sonnennähe sukzessiv erwärmen sollte, ist dadurch verständlich, dass Materialien normalerweise immer gewisse Zeit brauchen um sich zu erwärmen oder abzukühlen. (Nicht nur Badeseen in den Alpen.) In der Tat ist es auch auf der Erde an einem heissen Tag nicht zu Mittag, wenn die Sonne lokal im Zenit steht, am heissesten, sondern am Nachmittag so gegen 14-15h. Ein Plutojahr entspricht knapp 250 Erdjahren (kurz innehalten und unser Menschenleben reflektieren...). Auf Pluto entsprechen 13 Erdjahre also einem Zeitraum als wäre es erst ca. 13:15 auf unserer Uhr an unserem gedachten heissen Erdtag. Diese Erwärmungsphase auf Pluto könne also getrost noch viele weitere Erdjahre dauern, wie die Forscher anno 2002 meinten.

Mir wird warm und traurig ums Herz als ich weiterlese und sehe, dass der Artikel die Pläne der NASA erwähnt eine Satellitenmission zum Pluto und dem Kuiper-Gürtel zu schicken. Sollte das Programm bewilligt werden, würde die Mission 2006 starten und 10 Jahre später beim Pluto ankommen.

Die "New Horizon Probe" erreichte den Pluto in der Tat im Juli 2015 -- knapp 2 Monate nachdem mein Vater gestorben war. Bei meinem letzten Besuch im April 2015, vor diesem bis dato schlimmsten Ereignis meines Lebens, sprachen wir unter anderem noch darüber, und mein Vater freute sich dass die Sonde schon so nahe bei Pluto sei, mit Bildern die ihn gemeinsam mit seinem Mond Charon zeigten, und er kaum erwarten könne wie Pluto von der Nähe aussehe.

Bevor es aber so weit sein sollte, erwähnt der Artikel die Aussicht viele weitere Sternbedeckungen durch Pluto zu vermessen (die ja doch relativ selten stattfinden), und zwar auch mit Hilfe des (effektiv) 2.5 Meter grossen Teleskops, dass sich mit weiteren Instrumenten an Bord des von NASA und Deutscher Raumfahrtagentur -damals in Planung befindlichen-, fliegenden Observatoriums SOFIA befinden wird, dass für 2004 geplant war. SOFIAs Erstflug fand dann 2007 statt, und ich kann mich noch gut an die grosse Bedeutung dieser Mission für das 1.Physikalische Institut erinnern -- unser Nachbarinstitut in meiner Zeit an der Physik der Universität zu Köln (das 1.Physikal.Inst. war für Astronomie zuständig, aber fragt mich nicht, warum man im modernen Deutschland bei "Astronomie" einen gewissen Minderwertigkeitskomplex verspürt und sie oftmals der "Physik" zuschanzt). Und so fliegen denn ungeplant auch meine Kölner Jahre in meinem geistigen Auge vorüber, als mein Vater noch lebte, als ich mich noch weniger sterblich fühlte, als noch mehr Zukunft meines Lebens vor mir lag.

SOFIA, das "Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie", war in der Tat als fliegendes Observatorium etwas Besonderes: eine umgebaute Boeing 747-SP wurde dazu verwendet um mehrere Tage pro Woche für viele Stunden am Tag Beobachtungen des Himmels im Flug durchzuführen, in einer Höhe zw. 12-15 km. Dazu wurden separate Kammern entwickelt, damit die Teleskopluke während des Flugs geöffnet werden konnte! (wer würde sonst auf die schlechte Idee kommen während eines Überlandflugs Fenster zu öffnen, aber hier war es Teil der allumfassenden Ingenieurskunst).

Warum würde man den Aufwand betreiben in grosser Höhe zu beobachten? Weil in dieser Mission die Infrarotstrahlung von Quellen im Universum interessierte - und diese wird zum Großteil von der Erdatmosphäre abgeschirmt, vor allem durch Wasserdampf. Der Grossteil davon befindet sich unterhalb der Stratosphäre, den man dadurch umgeht. Im besten Fall beobachtet man Infrarotstrahlung gleich ausserhalb der Erdatmosphäre und dazu bedarf es Weltraumteleskope, wie das unlängst in Betrieb genommene James Webb Weltraumteleskop (JWST, siehe eigenen Beitrag hierzu), oder auch das schon altehrwürdige Hubble-Teleskop (HST), das als optisches Teleskop auch über etliche Filter im Nahinfraroten verfügt. Ausserdem gab es immer wieder wichtige reine Infrarotsatellitenmissionen in der Vergangenheit.

Der Vorteil eines Flugzeug-Observatoriums besteht aber darin, dass es im Prinzip jederzeit gewartet, repariert und technisch aufgewertet werden kann, was für Weltraumteleskope nur sehr aufwendig und teuer ist (HST), oder unmöglich (JWST). Abgesehen von Plutos Erforschung, hat SOFIA im Laufe ihres Daseins viele Sternenstehungsgebiete untersucht (neu-geborene Sterne leuchten vor allem im Infraroten), Fragen zur Planetenenstehung oder der Herkunft des Wassers auf der Erde untersucht, Exoplaneten gefunden, und vieles mehr. Wegen Budgetkürzungen fand SOFIAs letzter Forschungsflug am 30.September 2022 statt, also nur ein paar Wochen vor meinem nostalgischen Fund.

Die "New Horizon"-Sonde sollte uns also 2015 endlich nicht nur ein Bild, sondern buchstäblich viele Bilder von Pluto liefern. Und siehe da eine ganze neue Welt tat sich vor den Augen auf, denn es gab Gebirge, Hügel, Täler, breite Becken, und Krater, alles in erstaunlicher Farbenvielfalt hier am Aussenposten des Sonnensystems zu bewundern, wo vormals nur verschwommene Lichtflecken in Teleskopen zu sehen waren.

Und ja, auch Plutos Atmosphäre wurde vermessen, wurde fotografiert(!) und ist als dünnes Band zu sehen, als sich die Sonde beim Vorbeiflug nochmals rückwärts wendet, in Richtung der weit entfernten Sonne. So wie wir uns rückwärts wenden und in Gedanken unsere Begegnungen, unser Leben passieren lassen, gleichsam wie Rilke in seiner 8.Duineser Elegie singt - in dem vielleicht herzzerreissendsten Gedicht welches zu "Lebens-Endlichkeitserfahrung" ersonnen wurde: "...Wie er auf dem letzten Hügel, der ihm ganz sein Tal noch einmal zeigt, sich wendet, anhält, weilt-, so leben wir und nehmen immer Abschied."

Und so lese ich diesen 20 Jahre alten Artikel im Oktober 2022 und denke an all dies. Und denke daran, als ich allein und voller Trauer am Internet hängend in meinem Büro in Ann Arbor in Michigan saß, in jenem Juli 2015 als die schönen Neuigkeiten und Bilder von Pluto der Weltöffentlichkeit präsentiert wurden, und denke daran was der Leiter der Mission Alan Stern am Ende der Pressekonferenz sagte, dass die Wissenschaft niemals ruhe, "Science never sleeps", so als wolle er alle da draussen anspornen doch durchzuhalten, selbst jene Trauernden wie mich, die ich da tausende Kilometer von meiner Heimat entfernt bitterlich im Büro weinte, dass ich meinen Vater verloren hatte, mit dem ich nicht nur diese astronomischen Neuigkeiten nicht mehr teilen konnte, nie mehr teilen würde können, sondern nichts vom Leben mehr jemals wieder teilen würde können. Und dennoch all diese Bilder von einer weit entfernten Welt zur Erde gebracht, so als würde mein Vater selbst mich aufheitern wollen, "Science never dies", mich gleichsam aufmuntern der ich alle Freude am Leben, geschweige denn an der Forschung verloren hatte, wohlwissend dass er wollte ich würde durchhalten, auch wenn diese Zeit mal kommen würde, mein Leben ohne ihn.

Und so lächelte ich ob der Vorstellung, dass selbst Pluto - der "Gott der Unterwelt", "des Hades", wohin nach antiker Vorstellung die verstorbenen Seelen gingen - einen Frühling hat, der dabei war und ist in seiner nördlichen Hemisphäre anzubrechen. Eine kleine Vertrautheit in dieser riesigen Fremde des äusseren Sonnensystems.

Als schöne Geste - man glaube nicht Naturwissenschaftler wären ausschliesslich nüchterne Gesellen - wurde der New Horizon Sonde auch ein kleiner Teil der Asche von Clyde Tombaugh mitgegeben, des Entdeckers von Pluto, mit der sie nun schier ewig weiterfliegen wird.

Meiners Vaters Asche ruht in einem Grab, auf dem wir dieser Tage nun schon zum 8.Mal ein Allerseelen-Gesteck hinstellen werden, während Erde und Pluto wie ehedem, ungeachtet unserer Freuden und Leiden, weiterhin ihre Bahnen um unser aller Sonne ziehen...


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Das Ewig-Mechanische zieht uns hinan (November 2006, gepostet Jän.2024)

Was wir unter theoretischer Physik verstehen ist eigentlich immer Mechanik in dieser oder jener Form... Dies ist im Laufe der Geschichte so geblieben - die Geschichte der modernen Physik ist natürlich nur wenige Jahrhunderte alt. Aber ist je irgendjemand über Punktmassen, Felder, deformierbare oder starre Körper, Näherungen für grosse und kleine Abstände oder hohe und niedrige Energien, Entitäten als Punktteilchen ("neuerdings" 'Linienteilchen aka Strings) hinausgegangen ? Andere physikalische Näherungen an die Wirklichkeit erscheinen ja kaum denkbar.

Und dennoch frage ich mich, ob dies die einzigen grundlegenden Näherungen sind. Haben wir in dieser kurzen Geschichte der theoretischen Physik schon alle grundlegenden Näherungen an die "Dinge der Welt" und die Wechselwirkungen zwischen ihnen gefunden ? Immerhin, die Wechsel-Wirkungen bereiten ja immer noch Probleme, und ich meine beileibe nicht nur auf der Ebene der fundamentalen.

Ich glaube die Mechanik ist sehr mächtig. Wenn man nur eifrig viele, viele Details erforscht, werden noch viele technische "Wunder" geschehen. Aber jene Ambitionen, die restlos auf vorhandenem Fundamente bauen oder jene Fundamente letztlich nur wenig modifizieren, bleiben Mechanik in dieser oder jener Form.

Wird ein neues Verständnis der Wechselwirkungen eine Erweiterung der bestehenden Näherungen an die Entitäten der Welt erforderlich machen ? Eigentlich dachte ich, die Mechanik reichte hin... Aber ich sehe nur eine zunehmende Erweiterung der mathematischen Beschreibungen letztlich nicht erweiterter, letztlich mechanischer Konzepte.

Vielleicht geht auch nicht mehr. Immerhin wurden die grundlegenden Konzepte in den meisten Fällen durch experimentelle Anschauung geformt, und wo es über letztere hinausgeht, wurde eben abstrahiert - mit allen mathematischen Konsequenzen. Wie soll man zum Beispiel den ewigen Gegensatz von Kontinuum und Diskretum anders denken, als durch Felder oder Teilchen ? Welches "Zwischending", welche Kombination, welches "Überding" sollte den Gegensatz überbrücken, fusionieren oder durch etwas "Drittes" ersetzen ?


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Die Physik und "ihre Zeit" (März 2006 mit viel Schnee, gepostet Jän.2024)

Die Behandlung der Zeit in der Physik ist letztlich eine sehr einseitige. Soweit ich überblicke behandeln klassische Mechanik, Quantenmechanik und Statistische Mechanik die Zeit immer als Parameter (- da sie allesamt auf der Infinitesimalrechnung beruhen(?)). Dennoch versteht man Quantenmechanik und Statistische Mechanik, wie auch Stellardynamik und Kosmologie, nur auf dem Hintergrund eines "Zeitpfeiles", und damit einer Entwicklung in *eine* Richtung. Aber wieder nur als Lauf eines Parameters in *eine* sinnvolle Richtung. Selbst die nicht-zeitumkehrinvariante Thermodynamik kann ihre eigentliche fundamentale Größe - die Entropie - nur im Gleichgewicht definieren, und die Behandlung der Zeit bis zum Gleichgewicht ist die bekannte ...

Dazu fällt mir wieder ein: Was unterscheidet die (theoretische) Physik "letztlich" von der Mathematik ? --Energie und Zeit.

Denn alle Räume können wir mathematisch erfassen. Und die Materie wird behandelt als Massenpunkte oder räumlich ausgedehnte Körper (idealerweise mit nicht zu komplizierten Formen), als Defekte *im* Raum, als Defekte *des* Raumes. Und Zeit wird als Raumdimension (z.B. die reelle Achse) beschrieben. Aber wie können materiefreie, zeitlose mathematische Strukturen Energie und Zeit modellieren, und damit mikro-und makroskopische Entwicklung, Nichtstationarität, Dynamik und Zeitpfeil ? Den Versuch letztere dennoch mit den klaren Welten der Mathematik zu erfassen, nennen wir Physik. A priori ist dieser Versuch nur eine Hypothese über die Struktur der Natur. Aber die Bestätigung in Beobachtung und Experiment, und beständiges Weiterkommen im Erklären der Natur lässt darauf schliessen, dass doch eine 'Wahrheit' dahintersteckt. Dass die Anwendung der Mathematik auf die Natur so fruchtbar ist, ist ein 'Wunder'. (Ich reiteriere hier Immanuel Kant bis Eugene Wigner). Wie sollte man dieses 'Wunder' wieder mathematisch oder physikalisch verstehen ? Und wenn es eben nicht mathematisch, nicht physikalisch verstehbar ist, bezeichne ich es getrost als Wunder...


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