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An Ludwig Hardt

[Prag, Anfang Oktober 1921]
 

Verehrter Herr Hardt, ich bin nachmittag um 6 Uhr unten im Blauen Stern. Ich komme so spät und gehe bald wieder, weil ich meine wenigen Kräfte sparen will, um bestimmt Mittwoch abend kommen zu können. Natürlich kann ich nicht voraussetzen, dass Sie gerade in dieser zufälligen Stunde Zeit haben werden; haben Sie keine Zeit, dann schicken Sie mich brieflich fort, ich werde beim Portier nachfragen. Sollte ich Sie auf diese Weise Dienstag nicht mehr sehen können, dann bitte ich Sie nur uni eines: Wäre es möglich und wären Sie so freundlich, Mittwoch die Kleistsche Anekdote in das Programm aufzunehmen?

Ihr herzlich ergebener

Kafka


[Nachschrift mit Bleistift:]

Verehrter Herr Hardt, eben kam Ihr Brief, gewiß wäre der Abend das Beste, aber ich getraue mich nicht, an zwei Abenden gleich nacheinander bei diesem regnerischen Wetter auszugehen. Ich werde deshalb doch versuchen Sie um 6 Uhr zu treffen. Gelingt es nicht, werde ich versuchen um halb neun zu kommen, doch werde ich hinsichtlich dessen um sechs Uhr noch einen Zettel beim Portier lassen. Was für Kompliziertheiten! Nehmen Sie es mir, bitte, nicht übel.




Ludwig Hardt : Der Rezitator Ludwig Hardt las häufig auch Prosa von Kafka.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at