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[Prag, Mitte Oktober 1918]


Lieber Max, nicht kommen! Ich habe etwas Fieber und liege im Bett. Dr Thieberger habe ich nicht verständigt. Könntest Du es nicht tun, falls Du es für nötig hältst?Ich schicke Dir hier 2 Nr der Česká stráž und eine Česká Svoboda. Die Svoboda hat über die Namenfrage eine andere Auffassung, sogar zwei andere Auffassungen (Notiz und Gedicht)

    Herzliche Grüße

Dein Franz        
 



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


Dr Thieberger: Der Schriftsteller Friedrich Thieberger (1888-1958), bei dem Kafka um diese Zeit Hebräischstunden nahm.


Česká stráž . . . Česká Svoboda: In der Zweiwochenschrift Česká stráž ("Tschechische Wache"), Jg. 1 Nr. 30, erschien am 4. Oktober 1918 eine Notiz, in der ironisch berichtet wurde, dass ein Herr Nefeles bereits im Jahre 1916 seinen Namen auf Neruda hatte tschechisieren lassen; in der folgenden Nummer erschien am 11. Oktober eine weitere Notiz ("Nochmals Herr Nefeles-Neruda"), die sich mit den täglich zunehmenden Gesuchen um Tschechisierung von jüdischen Namen befaßte. In der Česká Svoboda ("Tschechische Freiheit"), Jg. 1 Nr. 21 (12.Oktober 1918), erschien einerseits eine Notiz unter dem Titel "Fleischmannová-Masaryková", in der diese Namensänderung positiv bewertet wurde, andererseits aber ein satirisches Gedicht unter dem Motto: "Juden suchen an der Statthalterei um Namensänderung an. Es heißt, dass Silberstein Stříbrný heißen wird und einer des Nefelesse Neruda".


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at