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[Tagebuch, 29. Juli 1917; Sonntag]

29. Juli 17

Hofnarr. Studie über den Hofnarr.

Die großen Zeiten des Hofnarrentums sind wohl vorüber und kommen nicht wieder. Alles zielt anderswohin, das ist nicht zu leugnen. Immerhin habe ich das Hofnarrentum noch ausgekostet, mag es sich jetzt auch aus dem Besitz der Menschheit verlieren.

Ich saß immer tief in der Werkstatt, ganz im Dunkel, man mußte dort manchmal erraten, was man in der Hand hielt, trotzdem aber bekam man für jeden schlechten Stich einen Hieb des Meisters.

Unser König machte keinen Aufwand; wer ihn nicht von Bildern kannte, hätte ihn nie als König erkannt. Sein Anzug war schlecht genäht, nicht in unserer Werkstatt übrigens, ein dünner Stoff, der Rock immer aufgeknöpft, fliegend und zerdrückt, der Hut verbeult, grobe schwere Stiefel, nachlässige weite Bewegungen der Arme, ein starkes Gesicht mit großer grader männlicher Nase, ein kurzer Schnurrbart, dunkle ein wenig zu scharfe Augen, kräftiger ebenmäßiger Hals. Einmal blieb er im Vorübergehn in der Tür unserer Werkstatt stehn und fragte die Rechte oben am Türbalken: Ist Franz hier? Er kannte alle Leute bei Namen. Ich drängte mich aus meinem dunklen Winkel zwischen den Gesellen durch. "Komm mit" sagte er nach kurzem Blick. "Er übersiedelt ins Schloß" sagte er zum Meister.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at