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[Das dritte Oktavheft: 21. November 1917; Donnerstag]


21. November. Die Untauglichkeit des Objekts kann die Untauglichkeit des Mittels verkennen lassen.


Wenn man einmal das Böse bei sich aufgenommen hat, verlangt es nicht mehr, daß man ihm glaube.

Die Hintergedanken, mit denen du das Böse in dir aufnimmst, sind nicht die deinen, sondern die des Bösen.

Das Tier entwindet dem Herrn die Peitsche und peitscht sich selbst, um Herr zu werden, und weiß nicht, daß das nur eine Phantasie ist, erzeugt durch einen neuen Knoten im Peitschenriemen des Herrn.


Böse ist das, was ablenkt.

Das Böse weiß vom Guten, aber das Gute vom Bösen nicht.

Selbsterkenntnis hat nur das Böse.

Ein Mittel des Bösen ist das Zwiegespräch.


Der Gründer brachte vom Gesetzgeber die Gesetze, die Gläubigen sollen dem Gesetzgeber die Gesetze verkünden.


Ist die Tatsache der Religionen ein Beweis für die Unmöglichkeit des Einzelnen, dauernd gut zu sein? Der Gründer reißt sich vom Guten los, verkörpert sich. Tut er es um der andern willen oder weil er glaubt, nur mit den andern bleiben zu können, was er war, weil er die >Welt< zerstören muß, um sie nicht lieben zu müssen?


Das Gute ist in gewissem Sinne trostlos.


Wer glaubt, kann keine Wunder erleben. Bei Tag sieht man keine Sterne.


Wer Wunder tut, sagt: Ich kann die Erde nicht lassen.


Den Glauben richtig verteilen zwischen den eigenen Worten und den eigenen Überzeugungen. Eine Überzeugung, nicht in dem Augenblick, in dem man von ihr erfährt, verzischen lassen. Die Verantwortung, welche die Überzeugung auflegt, nicht auf die Worte abwälzen. Überzeugungen nicht durch Worte stehlen lassen, Übereinstimmung der Worte und Überzeugungen ist noch nicht entscheidend, auch guter Glaube nicht. Solche Worte können solche Überzeugungen noch immer je nach den Umständen einrammen oder ausgraben.


Aussprache bedeutet nicht grundsätzlich eine Schwächung der Überzeugung - darüber wäre auch nicht zu klagen -, aber eine Schwäche der Überzeugung.


Nach Selbstbeherrschung strebe ich nicht. Selbstbeherrschung heißt: an einer zufälligen Stelle der unendlichen Ausstrahlungen meiner geistigen Existenz wirken wollen. Muß ich aber solche Kreise um mich ziehen, dann tue ich es besser untätig im bloßen Anstaunen des ungeheuerlichen Komplexes und nehme nur die Stärkung, die e contrario dieser Anblick gibt, mit nach Hause.

Die Krähen behaupten, eine einzige Krähe könnte den Himmel zerstören. Das ist zweifellos, beweist aber nichts gegen den Himmel, denn Himmel bedeuten eben: Unmöglichkeit von Krähen.

Die Märtyrer unterschätzen den Leib nicht, sie lassen ihn auf dem Kreuz erhöhen. Darin sind sie mit ihren Gegnern einig.

Sein Ermatten ist das des Gladiators nach dem Kampf, seine Arbeit war das Weißtünchen eines Winkels in einer Beamtenstube.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at