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Postkarte an Felice Bauer

[Prag,] 24. XI.16
 


Früh habe ich eine Karte an Dich zu schreiben begonnen, wurde dann gestört und kann nun die begonnene Karte nicht finden. Sonst geschieht mir das nur mit Akten. Unangenehm ist es. - Liebste, so wie Du es meinst ist es aber nicht gewesen. Du scheinst tatsächlich mein Geburtstagstelegramm nicht bekommen zu haben. Die Unzuverlässigkeit der Beförderung ist jetzt so groß. Ich gab es am 17. abends auf. Es lautete: - Umarmung aus der Ferne -. Vielleicht war dieser Text zu ungewohnt und wurde deshalb nicht befördert. Ich werde es vielleicht reklamieren. Augenblicklich sind meine Hauptgedanken, und zwar recht traurige, wieder bei meiner Wohnung. Die Entscheidung mußte wieder um paar Tage hinausgeschoben werden und es ist wieder ein wenig unsicherer geworden, ob ich sie bekomme. Du mußt wissen, es handelt sich um eine Wohnung, aus zwei Zimmern ohne Küche bestehend, die in allem meinen ausschweifendsten Wunschträumen zu entsprechen scheint. Ich würde es schwer tragen, wenn ich sie nicht bekäme. Diese Wohnung würde mir, zwar nicht die innere Ruhe wiedergeben, aber doch eine Möglichkeit zu arbeiten; die Paradiestore würden nicht wieder auffliegen, aber ich bekäme vielleicht in der Mauer zwei Ritzen für meine Augen. - Heute las ich einen Brief des Grenadiers Lehmann an Max, in welchem er Deine fleißige Arbeit besonders hervorhebt. - Weihnachten? Ich werde nicht fahren können.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at