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Postkarte an Felice Bauer

[Stempel: Prag - 25. VII. 16]


Meine arme Liebste (arm, weil wir alle arm sind und weil man Armen, wenn man nicht anders helfen kann, die Wangen streichelt), wieder im Bureau, im Bodensatz des Jammers. Unter anderem einen Brief vom Verlag [Kurt Wolff] gefunden, in welchem - nein, unsinnige Dinge augenblicklich, die vor 2, 3 Jahren wunderbaren Sinn hätten haben können. - Wollte als letzte Marienbader Handlung auf dem Balkon Dir schreiben, aber die Zeit reichte nur zu kleinem Umblick und zum Verschlingen eines ½ kg Kirschen. Die letzte Nacht war übrigens die beste, fast 6 Stunden (meines Wissens) ununterbrochenen Schlafes, eine unerhörte Leistung meiner Nerven. (Immerfort stören mich Leute und umstehen meinen Tisch.) Hier aber fängt noch mehr an meinem Kopf zu rütteln an als dort, weiß nicht, wie es sein wird. Gewiß, dass wir einander festhalten ist gut. - Der "Heizer" kann doch nicht vergriffen sein, nach Marienbad kam er, allerdings spät. Ich schicke ihn. Über Erdmuthe nächstens, das Buch ist genug wichtig für uns. Jüdisches Volksheim? Viele Grüße und Annahme des einen ewigen Kusses.

Franz
 




einen Brief vom Verlag: Vgl. Brief an den Kurt Wolff Verlag vom 28. Juli 1916, Briefe, S. 146f.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at