Franz M. Wimmer
Du sollst argumentieren! Zur Ethik des Überzeugens
in: Helmuth Vetter und Michael Potacs, Hg.:
Beiträge zur
juristischen Hermeneutik
Wien: Literas 1990, S. 106-114
Aus dem Inhalt:
Wenn die Rede vom Überzeugen ist, so muß auch von der
Verführung und von der Überredung gesprochen werden. Diese
drei Verfahren, die ich als gezielte und methodische Verfahren zur
Meinungs- und Verhaltensbildung verstehe, deren Ziel es ist, bei dem zu
Beeinflussenden (dem Adressaten der Argumentation) dieselben Urteils-
und Handlungsstandards zu bewirken, die der Urheber der Argumentation
(wirklich oder vorgeblich) hat, möchte ich hier etwas näher
untersuchen.
Als Termini zur Kennzeichnung von drei Verfahren der Beeinflussung des
Urteilens oder Verhaltens schlage ich vor: Verführen, Überreden und Überzeugen.
Ziel der als Überzeugen,
Überreden und Verführen benannten Verfahren ist die Veränderung von Standards des
Urteilens und/oder des Verhaltens bei mindestens einer Person,
d.h. diese Verfahren haben jeweils (mindestens) einen Adressaten. Ich
schließe den Fall aus, daß eine solche Veränderung
mittels (physischer oder psychischer) Gewalt erreicht wird, will also
nichts weiter als die Struktur von Einflußnahmen untersuchen, die
in geringerem oder höherem Grad die Verwendung von Argumenten
voraussetzen.
Die Erreichung des Ziels
dieser Verfahren ist dann gegeben, wenn diejenige Person, die von etwas
überzeugt, zu etwas überredet oder die zu etwas verführt
wird (der Adressat der Verfahren), dem
Inhalt der Überzeugung, Überredung oder
Verführung zustimmt. Es
muß nicht in allen Fällen zutreffen, daß der Autor
dieses Prozesses dem Inhalt ebenfalls zustimmt (im Fall der
Verführung zu einer Urteilsweise, also im klassischen Fall der
Manipulation muß dies nicht der Fall sein), die angesprochene
Person jedoch muß zustimmen, wenn das Ziel des Verfahrens
erreicht werden soll. Wir werden zwar auch bei den Adressaten
verschiedene Grade oder Arten des Zustimmens unterscheiden müssen,
aber diese Arten des Zustimmens (in einem der drei genannten Fälle
von Argumentation) sind noch näher zu differenzieren.
Die drei Verfahren unterscheiden sich ferner nach den Mitteln, die jeweils zur
Erreichung der Zustimmung als moralisch zulässig oder als
intellektuell ausreichend erachtet werden. Diese Mittel sind auf die
jeweils initiativen (oder aktiven) und responsiven (oder passiven)
Teilnehmer an einem zetetischen Verfahren gesondert zu untersuchen.
Insgesamt ist also, um alle beteiligten Faktoren und den
Prozeßcharakter des Verfahrens kenntlich zu machen, zu
unterscheiden:
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