50 Textbilder von einer Reise in Japan 1992 zu folgenden
Themen (jeweils 10 Bilder): Wege, Häuser, Zeichen, Spuren und Begegnungen
Fünf Beispiele aus dem Text:
Wege:
In den ersten Tagen bemerken wir, daß keiner der Männer, die nicht
aufstehen, die schöne junge Frau beachtet, die durch den Waggon geht.
Später sehen wir, wie sie uns anschauen. Wer hat sich verändert?
Häuser:
Das Haus in ehemals ruhiger Lage hat einen fast leeren Raum, von dem aus
man den Bambusbrunnen zwischen den Steinen des Gartens sieht. Hier wird der
Tee bereitet und die Farbe der Bäckerei besprochen. Die Fremde bedient
uns knieend. Sie lebt erst ein Vierteljahrhundert in diesem Haus, ihr Mann
ist tot, die Kinder erwachsen.
Zeichen:
Es ist ganz einfach, sagte er, du mußt nur verstehen, was die Form
und was der Inhalt von ein paar Dutzend Zeichen ist, und was die alten Chinesen
sich gedacht haben, als sie damit die anderen bildeten. Bei meinen morgendlichen
Übungen denke ich manchmal, er sollte es mir noch einmal erklären.
Spuren:
Die Todai ist eine würdige Stätte. In den Speichern des Instituts
für Orientalische Studien zeigt mir der Professor etwas, was die wahrscheinlich
kompletteste Sammlung alter chinesischer Bücher sei. Wie sie hinkam,
erfahre ich später: nach dem Sino-Japanischen Krieg hatte China kein
Geld, die Reparationen zu bezahlen.
Begegnungen:
Den Gang zu einer Bank, die Euroschecks einlöst, sollte nur antreten,
wer viel Zeit und ein empfängliches Gemüt hat. Noch bei der sechsten
glaube ich lieber dem kunstvollen Blick, der mir sagt, wie schön es doch
sei, daß ich geboren bin, als dem ablehnenden Wort. Ich glaube dem
Telefonat, dem Bankenverzeichnis, dem Stadtplan mit dem leuchtfarben markierten
Weg, dem Angestellten, der mich zur nächsten Bank begleitet und Mozarts
wegen nach Wien möchte. Wer es eilig hat, überquert einfach den
Platz vor dem Zentralbahnhof, aber er wird eine Fülle ergebnisloser
Umarmungen nicht erleben.