Spezielle Relativitätstheorie


3. Zeitdilatation
 

Die Lichtuhr

Ein leicht nachvollziehbarer Einstieg in die Herleitung der Effekte der Speziellen Relativitätstheorie aus den grundlegenden Postulaten bildet das Gedankenexperiment der Lichtuhr. Unter einer Lichtuhr wird eine Vorrichtung gegebener Länge verstanden, entlang der ein Photon hin- und herpendelt:

In dieser Abbildung sind die Begrenzungen der Lichtuhr in blau dargestellt. Wir können uns darunter zwei Spiegel vorstellen, die in einem gegebenen Abstand zueinander fixiert sind. Die linke Grafik zeigt die Lichtuhr vom Standpunkt eines Beobachters, der sich ihr gegenüber in Ruhe befindet, d.h. vom Standpunkt ihres Ruhsystems.

Wir fragen nun, wie derselbe Prozess in einem dagegen bewegten Inertialsystem aussieht, wobei die Bewegungsrichtung quer zur Laufrichtung der Photonen stattfinden soll. Für einen Beobachter in diesem neuen System bewegt sich die Lichtuhr, und wir bezeichnen den Wert ihrer Geschwindigkeit mit v. Die Photonen werden im bewegten System entlang schräger Bahnen laufen - das ist im rechten Teil der obigen Abbildung dargestellt. Wir können uns auch genausogut vorstellen, dass zwei Lichtuhren identischer Bauart zur Verfügung stehen und wir eine ruhende (links) und eine mit Geschwindigkeit v bewegte (rechts) betrachten.

Nach der galileischen Physik wäre zu erwarten, dass sich das von einem (quer zur Laufrichtung) bewegten Inertialsystem aus beobachtete Photon schneller als im Ruhsystem der Lichtuhr bewegt. So könnte man etwa argumentieren, dass die Geschwindigkeitskomponente in senkrechter Richtung c und in horizontaler Richtung v ist, der Betrag der Geschwindigkeit also insgesamt den Wert (c2 + v2)1/2 hätte.
 

Qualitative Argumentation

Nun kommt das Postulat von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ins Spiel. Die Photonen haben in jedem Inertialsystem die Geschwindigkeit c. Das führt zu einer für die galileische Physik unangenehmen Konsequenz:

Alle hier dargestellten Photonen haben dieselbe Geschwindigkeit. Die Wegstrecke vom unteren bis zum oberen Spiegel ist jedoch für das Photon der bewegten Lichtuhr länger als für das der ruhenden Lichtuhr, und daher vergeht eine größere Zeitspanne, bis es vom einen zum anderen Spiegel gelangt! Für die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit muss also ein Preis gezahlt werden: Die Zeitdauer, die ein Prozess in einem Inertialsystem dauert, ist nicht unbedingt gleich der Zeitdauer, die während desselben Prozesses in einem anderen Inertialsystem vergeht. Die bewegte Lichtuhr hat eine längere Periodendauer als die ruhende. Das bedeutet, dass der Vorgang des Photonenpendelns, wenn er von einem bewegten System aus beobachtet wird, langsamer ist als im Ruhsystem der Lichtuhr. Da nun eine solche Lichtuhr dazu benutzt werden kann, die Zeitdauer beliebiger anderer Prozesse zu messen (sie ist ja letztlich tatsächlich nur eine besondere Art von "Uhr"), ist dieser Effekt nicht auf Lichtuhren beschränkt, sondern betrifft den Zeitfluss in beiden Systemen ganz generell. Er wird oft in knapper Weise mit den Worten

"Bewegte Uhren gehen langsamer"

zusammengefasst und heißt Zeitdilatation ("Zeitdehnung"). Die Zeit, die für eine Uhr in ihrem Ruhsystem vergeht, heißt Eigenzeit.
 

Quantitative Argumentation

Die soeben gemachte Aussage, dass eine Uhr in einem relativ zu ihr bewegten Inertialsystem langsamer geht als in ihrem Ruhsystem, lässt sich quantitativ präzisieren. Betrachten wir die Bewegung des Photons vom unteren bis zum oberen Spiegel. Alle Längen, die in dieser Situation auftreten, sind in der folgenden Abbildung angegeben:

Analysieren wir die Eintragungen in dieser Skizze:

  • Die Dauer des Prozesses im Ruhsystem der Lichtuhr wird mit DtRuh bezeichnet. Der Abstand der beiden Spiegel ist daher c DtRuh, da c die Geschwindigkeit des Photons ist. (Wir könnten diesen Abstand mit einem eigenen Buchstaben bezeichnen, aber das ist nicht notwendig).
     
  • Vom bewegten System aus betrachtet, vergeht während desselben Prozesses ein Zeitintervall, das wir zunächst nicht kennen und mit Dtbew bezeichnen. Der vom Photon (das sich ja auch in diesem Inertialsystem mit Geschwindigkeit c bewegt) zurückgelegte Weg hat daher die Länge c Dtbew. Als Abstand der beiden Spiegel übernehmen wir den im Ruhsystem ermittelten Wert c DtRuh. Während des Prozesses ist der obere Spiegel um die Strecke v Dtbew vorgerückt (da sich die Lichtuhr in diesem System mit der Geschwindigkeit v nach rechts bewegt). Insgesamt bilden diese drei Längen ein rechtwinkeliges Dreieck.

Unsere bisher nur qualitative Argumentation können wir nun in einer Formel ausdrücken: Dtbew > DtRuh. Um die Größe des Effekts quantitativ zu bestimmen, wenden wir den Satz von Pythagoras auf das rechtwinkelige Dreieck im rechten Teil der obigen Abbildung an:

(c DtRuh )2  +  (v Dtbew )2   =   (c Dtbew )2 (1)

und lösen nach Dtbew auf. Wir erhalten

Dtbew     =     DtRuh    .
________
  _______
Ö1 - v2/c2
(2)

Das ist die Formel für die Zeitdilatation, die wir kompakter auch als  Dtbew  =  DtRuh (1 - v2/c2 )-1/2  schreiben können. In Worten kann sie so formuliert werden:

"Eine mit Geschwindigkeit v bewegte Uhr geht um den Faktor  (1 - v2/c2)-1/2  langsamer als in ihrem Ruhsystem."

Dabei handelt es sich nicht um eine Art "scheinbaren Effekt" oder eine "Täuschung" - es sind hier die tatsächlichen Zeiten betroffen, wie sie mit (hinreichend genauen) Uhren beliebiger Bauart gemessen werden können. Die Zeitdauer, die ein Prozess in Anspruch nimmt, ist keine universelle Größe, sondern hängt vom Bewegungszustand des Beobachters ab. Die "Zeit" hat ihren absoluten Charakter - den sie in der galileischen Physik hatte - verloren.

Im Zuge unserer Argumentation haben wir stillschweigend vorausgesetzt, dass der Abstand zwischen den Spiegeln in beiden Systemen gleich groß ist. Wir werden im nächsten Abschnitt, der von der Lorentzkontraktion handelt, feststellen, dass nicht nur Zeitintervalle, sondern auch räumliche Abstände vom Bewegungszustand des Beobachters abhängen. Allerdings betrifft dieser Effekt nur Längen in die relative Bewegungsrichtung der beiden Systeme. Wir haben, mit anderen Worten, stillschweigend vorausgesetzt, dass Längen quer zur Bewegungsrichtung in beiden Systemen gleich gross sind. Das lässt sich mit ein bisschen mehr Aufwand aus den Postulaten ableiten - wir wollen es aber bei der hier vorgeführten vereinfachten Argumentation belassen.
 

c als Höchstgeschwindigkeit

Wir erhalten als Nebenprodukt unmittelbar ein weiteres physikalisches Resultat: Die Formel (2) macht keinen Sinn, wenn eine Geschwindigkeit v eingesetzt wird, deren Betrag größer oder gleich c ist. Offensichtlich müssen wir schließen, dass sich ein Inertialsystem relativ zu einem anderen nur mit Unterlichtgeschwindigkeit bewegen kann. Daher kann sich kein materielles Objekt, das in Bezug auf ein Inertialsystem in Ruhe sein kann, mit einer Geschwindigkeit, deren Betrag ³ c ist, bewegen. Das trifft auf alle Teilchen und Körper zu, die eine nichtverschwindende Masse haben. (Lediglich "masselose Teilchen" wie Photonen bilden hier eine Ausnahme: sie bewegen sich immer genau mit Lichtgeschwindigkeit - wir werden im Abschnitt über die Energie ein paar Worte über diese Teilchen sagen). Geschwindigkeiten, die größer sind als c, können für all diese Objekte nicht auftreten. Daraus folgt auch, dass es kein Signal gibt, das Informationen schneller als das Licht übertragen kann.

Fassen wir zusammen (wobei v den Betrag der Geschwindigkeit bezeichnet):

  • Für die Bewegung eines Körpers, der eine nichtverschwindende Masse besitzt, gilt immer (in Bezug auf jedes Inertialsystem)  v < c.
  • Ein Photon bewegt sich immer (in Bezug auf jedes Inertialsystem) mit  v = c.
  • Ein physikalisches Signal bewegt sich immer (in Bezug auf jedes Inertialsystem) mit  £ c.

Damit haben wir eine der berühmtesten Aussagen der Speziellen Relativitätstheorie (das "Verbot der Überlichtgeschwindigkeit") begründet. Es folgt unmittelbar aus den Ausgangspostulaten. Der Faktor  (1 - v2/c2 )-1/2 , der mathematisch gesehen dafür verantwortlich ist, wird in den folgenden Abschnitten noch im Zusammenhang mit sehr vielen anderen Effekten auftreten. Die Rolle von c als Höchstgeschwindigkeit hängt also nicht speziell mit der Zeitdilatation zusammen, sondern ergibt sich aus praktisch allen relevanten Resultaten der Speziellen Relativitätstheorie.

Eine dynamische Begründung der Aussage  v < c  für Körper mit nichtverschwindender Masse ergibt sich, wenn relativistische Versionen der Begriffe Masse und Energie entwickelt werden (siehe den Abschnitt über die Energie). Wir wollen hier nur erwähnen, dass der Ausdruck "Masse" genau genommen "Ruhemasse" heißen muss (wohingegen Photonen keine nichtverschwindende Ruhemasse zugeordnet werden kann), und dass die Beschleunigung eines Körpers, dessen Ruhemasse ¹ 0 ist, mehr Energie benötigt als zunächst vermutet. Die Beschleunigung eines solchen Körpers auf Lichtgeschwindigkeit würde unendlich viel Energie erfordern, ist also dynamisch unmöglich.

Das alles mag zunächst ein bisschen eigenartig klingen, weil es unseren Alltagsvorstellungen von Geschwindigkeiten widerspricht. Was geschieht etwa, wenn sich ein Teilchen mit 3/4 der Lichtgeschwindigkeit in einem Zug, der selbst mit 3/4 der Lichtgeschwindigkeit fährt, nach vorne bewegt - müsste es sich im System der Schienen dann nicht mit eineinhalbfacher Lichtgeschwindigkeit bewegen? Die Antwort ist nein, und wie groß seine tatsächliche Geschwindigkeit ist, erfahren Sie im Abschnitt über die relativistische Geschwindigkeitsaddition.

Es gibt ein häufig gehörtes Argument, das gegen die Überlichtgeschwindigkeit ins Treffen geführt werden kann: Sie führt zur Möglichkeit von Zeitreisen, also Reisen in die eigene Vergangenheit. Die Ausarbeitung einer genaueren Argumentation ist als Aufgabe im Abschnitt Kniffliges vorgesehen. (Um sie lösen zu können, sollte bereits in Grundzügen bekannt sein, was die Lorentztransformation ist).

Wir wollen noch eine Warnung aussprechen: Das Verbot der "Überlichtgeschwindigkeit" bezieht sich nur auf die Bewegung physikalischer Objekte wie Körper, Teilchen, Photonen usw., also Bewegungen, mit deren Hilfe Information ("von einem Punkt zum nächsten") übertragen werden kann. Es können aber durchaus auch andere Formen von "Geschwindigkeiten" auftreten, die keinerlei Begrenzung unterworfen sind: In Vorträgen wird manchmal mit Hilfe eines Laserpointers ein Lichtpunkt auf einen Bildschirm projiziert. Wird der Laserpointer schnell gedreht, so flitzt der Lichtpunkt über den Bildschirm - die Geschwindigkeit, mit der er dies tut, kann im Prinzip durchaus größer als c sein (wenn der Bildschirm genügend weit entfernt ist), denn mit ihm ist nicht die Bewegung eines Objekts (oder die Übertragung von Information) "von einem Punkt zum nächsten" verbunden!

In der Teilchenphysik wird manchmal von "Tachyonen" gesprochen, die sich mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen. Dabei handelt es sich tatsächlich um hypothetische überlichtschnelle Teilchen, die in gewissen Theorien auftreten und dort Probleme machen. Es gibt zwei Methoden, diese Probleme loszuwerden: (i) Eine Theorie, in der Tachyonen auftreten, wird verworfen. (ii) Die Theorie wird so geändert, dass die in ihr enthaltenen Tachyonen nicht mit dem Rest der Welt wechselwirken und daher als rein mathematische Struktur angesehen werden können, die in der physikalischen Realität keine Entsprechung besitzt.
 

Eine Verfeinerung: lokalisierte Uhren

In der oben vorgeführten Argumentation wird eine räumlich ausgedehnte Konstruktion (bestehend aus zwei Spiegeln und einem zwischen ihnen pendelnden Photon) als "Uhr" verwendet. Wie jede Uhr kann sie dazu benutzt werden, Zeitintervalle zwischen Ereignissen zu messen - sie misst dabei direkt die Zeit, die "in ihrem Ruhsystem vergeht". Das ist nun allerdings ein schwieriger Begriff - zumal ja der universelle Zeitfluss (das synchrone Schlagen aller Uhren, unabhängig von ihrem Bewegungszustand, wie es in der galileischen Physik angenommen wird) aufgrund des Effekts der Zeitdilatation verloren gegangen ist.

Einfacher ist die Vorstellung, eine Uhr sei sehr klein (im Grenzfall punktförmig) - also gewissermaßen ein "Teilchen", das in regelmäßigen Zeitabständen "tickt". Eine als punktförmig angenommene Uhr hat stets einen wohldefinierten Ort, und nur dort kann sie Zeitintervalle zwischen Ereignissen messen. Sie stellt das Konzept eines von einem Beobachter auf seinem Weg mitgenommenen Zeitmessers dar. Eine Zeitmessung ist dann - wie es auch in der physikalischen Praxis der Fall ist - zunächst eine Ablesung an einer solchen - hinreichend kleinen, lokalisierten - Uhr. (Die "globale" Zeit, die innerhalb eines Inertialsystems gilt, kommt erst durch die Synchronisation lokalisierter Uhren, die sich an verschiedenen Orten befinden und relativ zueinander ruhen, zustande. In der Einleitung haben wir kurz über die Synchronisation von Uhren gesprochen, und im Abschnitt Gleichzeitigkeit werden wir das Thema wieder aufnehmen).

Es ist aber nicht schwierig, aus dem Konzept der Lichtuhr eine lokalisierte Uhr herauszufiltern: Wir können sie als jenen Punkt an einem der beiden Spiegel definieren, auf den das Photon in regelmäßigen Zeitabständen immer wieder auftrifft. Dies veranschaulicht die folgende Abbildung:

Das "Ticken" wird durch das wiederholte Auftreffen des Photons am unteren Spiegel repräsentiert, und es ist klar, dass sich eine derart konstruierte "Uhr" mit Geschwindigkeit v nach rechts bewegt. Zudem kann der Abstand zwischen den Spiegeln (und damit die Periodendauer) beliebig klein gemacht werden.

Lokalisierte Uhren können als Weltlinien in Raumzeit-Diagrammen dargestellt werden. Weiters können sie nicht nur geradlinig gleichförmige, sondern auch beschleunigte Bewegungen ausführen. Diesen beiden Themen wenden wir uns nun noch kurz zu.
 

Darstellung im Raumzeit-Diagramm

Die Weltlinie einer lokalisierten, in einem gegebenen Inertialsystem geradlinig gleichförmig bewegten Uhr kann in einem Raumzeit-Diagramm als Gerade dargestellt werden:

Auf der Weltlinie sind Ereignisse als rote Punkte eingezeichnet, die das "Ticken" repräsentieren, wovon zwei die Namen A und B tragen. Die Zeit Dtbew, die zwischen ihnen im gegebenen Inertialsystem vergeht, kann direkt abgelesen werden. (Man spricht daher auch von der Koordinatenzeit in Bezug auf das gegebene System). Die Zeit DtRuh, die zwischen A und B im Ruhsystem der Uhr - d.h. für die Uhr selbst, man kann auch sagen: entlang ihrer Weltlinie - vergeht, ist kürzer (obwohl die Verbindungsstrecke zwischen A und B im Diagramm länger ist als ihr vertikaler Abstand Dtbew ): das ist der Effekt der Zeitdilatation. Allerdings kann die Zeit, die für eine bewegte Uhr vergeht, in einem solchen Diagramm nicht einfach als "Länge entlang ihrer Weltlinie" abgelesen werden. Falls sie benötigt wird, kann sie mit Hilfe der Formel  DtRuh  =  Dtbew (1 - v2/c2 )1/2  berechnet werden.
 

Beschleunigte Uhren

Obwohl der Effekt der Zeitdilatation - Formel (2) - nur für Uhren, die sich relativ zueinander mit konstanter Geschwindigkeit bewegen, hergeleitet worden ist, gilt er auch für beschleunigte Uhren. Um ihn korrekt zu formulieren, müssen wir

  • ein Inertialsystem I fixieren und
  • eine (lokalisierte) Uhr betrachten, die eine beschleunigte Bewegung ausführt. Die Bewegung soll nicht ruckartig sein, so dass die Uhr - vom System I aus betrachtet - zu jeder Zeit t eine wohldefinierte Momentangeschwindigkeit v(t) besitzt. Klarerweise soll sich die Uhr immer langsamer als das Licht bewegen: -c < v(t) < c.

Nun sei dt ein kleines (genauer: ein "infinitesimal kleines") Zeitintervall. Zwischen den Zeiten t und t + dt vergeht im System I die Zeitspanne dt. Das ist im folgenden Raumzeit-Diagramm illustriert:

Das Ereignis A findet im System I zur Zeit t statt, das Ereignis B zur Zeit t + dt. Zwischen diesen beiden Ereignissen ist für die beschleunigte Uhr das (kleinere) Zeitintervall

dtUhr   =   dt (1 - v(t)2/c2 )1/2 (3)

vergangen. (Unter dtUhr können wir uns das von der Uhr selbst angezeigte Zeitintervall vorstellen. Wie im Fall gleichförmig bewegter Uhren wird die von der Uhr selbst angezeigte Zeit Eigenzeit genannt. Wir wollen dabei natürlich annehmen, dass die durch die Beschleunigung verursachten Kräfte keinen mechanischen Einfluss auf den Gang der Uhr haben. Genau genommen handelt es sich bei der Aussage (3) um den Effekt der Zeitdilatation für das "momentane Ruhsystem" der Uhr: Wird die Bewegung der Uhr zwischen den Ereignissen A und B als gleichförmig angenommen (was für sehr kleine dt legitim ist), so ergibt sich (3) als direkte Anwendung von Formel (2). Die Rolle, die die konstante Geschwindigkeit v in (2) spielt, wird hier von der - im System I gemessenen - Momentangeschwindigkeit v(t) übernommen.

Durch eine Integration lassen sich die in Formel (3) vorkommenden Zeiten aufsummieren: Führt die Uhr zwischen den - im System I gemessenen - Zeiten t0 und t1 eine beliebige beschleunigte Bewegung aus (siehe die obige Abbildung), so vergeht für sie nicht das Zeitintervall t1 - t0, sondern das (kleinere) Eigenzeit-Intervall

  t1  
TUhr   =   ò dt (1 - v(t)2/c2 )1/2  .
  t0  
(4)

Experimentell ließe sich dieser Effekt einfach durch eine Ablesung an der beschleunigten Uhr bestätigen! In dieser Aussage steckt bereits der Effekt des Zwillingsparadoxons. Für den Spezialfall einer gleichförmig bewegten Uhr ( v(t) = const ) reduziert sie sich auf Formel (2). Die Aussagen (3) und (4) gelten auch für Bewegungen, die nicht geradlinig verlaufen: v(t)2 bedeutet dann das Quadrat des Geschwindigkeitsvektors (d.h. das Quadrat des Betrages des Geschwindigkeitsvektors).

Aufgaben hierzu:

  • Zeige, dass aus (4) immer  TUhr £ t1 - t0   folgt, ganz gleich, wie sich die Uhr bewegt!
  • Zeige, dass  TUhr = t1 - t0  genau dann, wenn die Uhr im System I ruht!

¬   Postulate Übersicht Lorentzkontraktion   ®