SITTE Christian : Entwicklung des Unterrichtsgegenstandes
Geographie,
Erdkunde, Geographie und Wirtschaftskunde an den allgemeinbildenden schulen (AHS
u. APS) in Österreich nach 1945. Dissertation an der Grund- und
Integrativwissenschaftlichen Fakultät der Universität
Wien. 1989 2 Bde.
zum Inhaltsverzeichnis hier URL http://mailbox.univie.ac.at/Christian.Sitte/Dissinhalt.htm
.
V O R W O R T
Die vorliegende Arbeit verfolgt
zehn Z I E L S T E L L U N G
E N :
1. Sie will
einen Ablauf dokumentieren:
Die Entwicklung
und Veränderung eines Schulfaches, auch in einem größerem schulpolitischen
Zusammenhang darstellen.
2. Ferner soll
in dieser Arbeit einmal ein großer Teil der die fachdidaktische Entwicklung behandelnden österreichischen
Literatur verfügbar gemacht und ausgewertet werden.
3. Es wurde
versucht die bestehenden Lücken in
den publizierten Quellen, mit bisher unveröffentlichtem Material und mit Hilfe
von Interviewaussagen wichtiger, in die Fachentwicklung involvierter Schlüsselpersonen
zu schließen.
4. Generell möchte
die Arbeit damit eine Teil der
vielfältigen Einflüsse bei der Erstellung von Lehrplanentscheidungen aufhellen
(und sozusagen einen Blick in die "black-box"
der Administration werfen).
5. Im
besonderen ist die Arbeit bestrebt, den Zusammenhang (und die Brüche) zwischen vorhandenen Theorieüberlegungen, ihren verordnungsmäßigen
Festlegungen und Umsetzungen in der Schul Realität
darzustellen.
6. Neben den
LP-Verordnungen kommen daher der Dokumentation und Analyse von Schulbüchern und Lehrstoffverteilungen wichtige Rollen zu.
7. Es sollen
auch die verschiedenen, die
Schulbucherproduktion und deren Absatz beeinflussenden Faktoren
aufgehellt werden.
8. Empirisch
wurde versucht einen weiteren
Realitätsausschnitte am Beispiel "Maturafragen"
darzustellen.
9. Immer wieder
stieß der Autor auf Fragestellungen und Bereiche, die einer zukünftigen
fachdidaktischen Forschung in GW nahegelegt
werden, bzw diese motivieren sollten.
10. Ingesamt
versucht die Arbeit schulhistorisches, pädagogisches und fachdidaktisches
Material an der (zT. als Beteiligter mit erlebten)
Praxiserfahrung als Lehrer an
einer HS ("Schulversuch Mittelschule"), an AHS (Gymnasium),
HAK/HAS und in der Lehrerfort- und -ausbildung (als Betreuungslehrer am Institut für Geographie der
Uni Wien und als Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Akademie des
Bundes in Wien X) zu reflektieren und Ansätze für eine stärkere Verbindung
von Theorie und Praxis zu liefern.
Zu den
genannten Punkten im Detail:
1.
Die Genese und Metamorphose
eines Unterrichtsgegenstandes
Ursprünglich
dem naturwissenschaftlichen und
deskriptiven Bereich im Fächerkanon der Gegenstände
zugeordnet, veränderte sich
die grundsätzliche
Ausrichtung des
Unterrichtsfaches "Geographie"
("Erdkunde") in Österreich - bedingt durch äußere Einflüsse
ab Beginn der 60er Jahre - hin zu einem gesellschaftswissenschaftlich bestimmten
"Geographie und Wirtschaftskunde" -Unterricht (einer in Europa
einmalig dastehenden Konstellation - vergl, H.HAUBRICH: 1986 und 1989 ).
Diese
Akzentverschiebung erfolgte in zwei Schüben :
-
in den 60er
Jahren - siehe Kap. 3 und
-
in den 80er
Jahren - siehe Kap. 5 und 7 des
Inhaltsverzeichnisses.
An einem
Vergleichsbeispiel will die Arbeit demonstrieren,
was mit dem Fach GW ohne der
massiven Unterstützung durch Kräfte die ökonomische Inhalte im
Ausbildungsgang der Allgemeinbildenden Schulen verankert wissen wollen,
passieren kann (Kap. 8).
Verdeutlicht soll aber
auch werden,
daß es eine kleine Handvoll
von Didaktikern und Lehrern war, die eine innerfachliche Fortentwicklung
bewirkte. Die universitäre
Beteiligung an diesem Prozess war und ist - bis auf Einzelfälle - gering
bis einexistent.
Dies dokumentieren auch die wenigen Dissertationen (allen voran die erste und bisher wichtigste geographiedidaktische Dissertation, von H. WALLENTIN, Uni Salzburg 1979 - die allerdings nicht an einem geographischen, sondern an einem pädagogischen Institut approbiert worden ist. Es ist zu hoffen, daß die erste in Österreich angenommene fachdidaktische Habilitation für den Bereich Geographie ( Ch. VIELHABER, unveröff. Habilitationsschrift Universität Wien 1988) zur Festigung und Verbesserung der "Fachdidaktik GW" beitragen wird.
An den Bemühungen
einer gezielten (und in den nächsten Jahren aufgrund der geringer werdenden
Neuzugänge in den Schulen
unabdingbaren) Lehrerfortbildung wird es liegen, ob die derzeitig neuen Anforderungen ausgefüllt und auch zukünftige
Weiterentwicklungen nicht nur in kleinen Zirkeln versickern werden.
.
2.
Die Erweiterung
der dokumentierten Literaturbasis
:
Aufgabe
dieser Arbeit ist es unter anderem auch, mittels eines breit angelegten
Literaturverzeichnis zur
Fachdidaktik "Geographie und Wirtschaftskunde"
in Österreich eine größere Literatur und Quellenbasis zu dokumentieren
(und das ist mehr als man im allgemeinen kennt) und die häufig weit verstreuten
publizistischen Äußerungen zum Gegenstand GW
einem breiteren Kreis für zukünftige Arbeiten aufzuschließen (deshalb
ist das Literaturverzeichnis auch in drei
Teilen getrennt abgefasst).
Fachdidaktische
Literatur zu Geographie, Erdkunde bzw. Geographie und Wirtschaftskunde in Österreich
war stark von den zur Verfügung stehenden Publikationsmedien und ihrer
Breitenwirkung abhängig. Wie noch an späterer Stelle angeführt werden wird,
bestand für das Schulfach in Österreich seit der Zwischenkriegszeit ("Zeitschrift
für Schulgeographie" bei Verlag Hölder, Wien - 1880 bis 1911 und danach
der "Kartographischen und Schulgeographischen Zeitschrift" der
Kartographischen Anstalt Freytag & Berndt -1922) lange Jahre kein
breitenwirksames schulgeographisches Medium. Schulgeographische Literatur über die fachdidaktische Entwicklung,
Diskussionen und Beiträge dazu sind daher oft weit verstreut in den
verschiedensten pädagogischen Periodika. In der Zwischenkriegszeit gab es
praktisch keine fachdidaktischen Beiträge in den "Mitteilungen der
Geographischen Gesellschaft", in der Zeiten Republik zu einem Großteil
zwar über schulkartographische Fragen - die bedeutende Änderung zu "Geographie
und Wirtschaftskunde" 1962, die grundsätzliche Paradigmendiskussion davor
bzw. danach ist dort leider fast nicht zu finden.
Erst 1978 mit der Gründung der Zeitschrift GW-UNTERRICHT wird das Fachdidaktische Schrifttum über GW in Österreich nicht nur zahlreicher, sondern auch übersichtlicher. Man vergleiche dazu VIELHABER Ch/WOHLSCHLÄGL H.(1988) und SITTE W.(1988) bzw. die Inhaltsregister in GW-U Nr.10/1981, Nr.20/1985, Nr.30/1988 . . .
Diese unübersichtliche
Situation bei der Literatur
bedingte eine Vernachlässigung oft wesentlicher Aspekte,
Hintergründe und Realitätsausschnitte. 1975 ist durch das Buch "Schulgeographie
im Wandel" (SITTE W./H.WOHLSCHLÄGL, Hg.: 1975 am Institut für Geographie
der Uni Wien) ein erster, bis dahin schmerzlich als lückenhaft
empfundener Bereich,
für die damals aktuelle Situation überblickshaft
erschlossen worden, W. SITTEs
Artikel (1982) in H.HAUBRICHs Sammelband
über die internationale Entwicklung des Schulfaches Geographie (und
Wirtschaftskunde) bot kurz ergänzende Informationen und Literatur.
In der "Festschrift für Wolfgang Sitte" zum 60. Geburtstag (WOHLSCHLÄGL
H./Ch.SITTE, Hg.: 1986) haben wir versucht, unter Erweiterung und Aktualisierung
der Literaturbasis, eine Synopsis der Entwicklung Mitte der achziger Jahre zu
liefern.
Um ein realitätsnahes
Bild der Hintergründe der fachdidaktischen Entwicklung in GW zu zeichnen,
bedarf es aber mehr. Für einen ersten Teilbereich entstand - dank des
Interesses des
Schriftleiters der "Mittelungen der Österreichischen Geograpischen
Gesellschaft", o.Univ.Prof K.STIGLBAUER, sozusagen als ein erster Teil der
Arbeiten zu dieser
Dissertation, die Veröffentlichung
"einer Datenbasis (Bibliographie) zur
Entwicklung der Schulbücher aus Geographie
(Geographie und Wirtschaftskunde) in
Österreich" (Ch.SITTE: 1987) - in dieser Arbeit als 3.Teil des
Literaturanhangs.
.
Die
Schwierigkeit lag früher vielleicht auch an den fehlenden Publikationsmedien,
aber damals wie heute
liegt auch ein großes
Kommunikationsproblem in der (-
auch bei Lehrern die
an Universitäten ausgebildet worden sind ) mangelnden schriftlichen
Diskussionskultur in unserem Land.
Es ist
bezeichnend, daß von den an 14 pädagogischen Akademien
Beschäftigten und fachdidaktisch Tätigen Geographen, mehr als die Hälfte
überhaupt nie publiziert hat und
von den veröffentlichten Schriften sich
praktisch nur solche von Akademieprofessoren
aus Wien, Klagenfurt und Salzburg (Anm.: 2001: seit den 1990er Jahren sticht die
Initiative der PA in Linz
hervor mit ihrem ZIP)
mit der fachdidaktisch-methodischen Situation
im/zum GW-Unterricht auf der Stufe der 10-14jährigen intensiver beschäftigten
- wenig wenn man bedenkt, daß Fachdidaktik
seit Beginn der siebziger Jahre an den PädAks fest verankert ist. ( Eine Rolle
dürften hier auch oft die hauptsächlich auf Wahrung der schulpolitischen
Machtverhältnisse bedachte Besetzungspolitik der Landesschuräte sein, wie die jüngste
Welle ( Anm.: gemeint ist bes. diejenige knapp vor 1989 ) von Nachbesetzungen an den Akademien in Wien, Baden, Eisenstadt mit
Leuten, die noch nie einen Satz fachdidaktisch veröffentlicht oder sich sonst
fachdidaktisch-fachwissenschaftlich profiliert hatten - Musterbeispiel ist, daß
der erste Autor einer fachdidaktischen Dissertation an der Akademie, wo er
Besuchsschullehrer ist n i c h t den Fachdidaktikbereich betreuen darf ; in Wien
1989 ein politisch unterstützter Lehrer eines Oberstufenrealgymnasiums ( ! )
einem habilitierten ( ! ) AHS-Lehrer der auch 10-14jährige unterrichtet, vorgezogen wurde .
Auch die lange
Zeit mangelhafte Verankerung und
die, Schulgeographie nur als „Nebenprodukt“ betrachtende Universitätsgeographie trug dazu bei, daß auch
heute fachdidaktische Diplomarbeiten und
Dissertationen in Österreich noch sehr selten sind, bzw. daß dadurch natürlich
auch gegenüber der Schulbehörde mit, auf derartigen Schriften fußenden
Qualifikationskriterien für fachdidaktische Schlüsselpositionen
argumentiert werden kann und
umgekehrt universitäre Äußerungen gegenüber den in der Schule Tätigen, von
diesen wiederum als realitätsfern beiseite geschoben werden
(zB. die zT. berechtigte Forderung Schulbuchapprobation stärker nach
wissenschaftlichen Kriterien zu betreiben).
Viele
Geschehnisse, Meinungspositionen
und Entscheidungen in der
Entwicklung des Gegenstandes „Geographie
und Wirtschaftskunde“ ließen sich daher nur mit Hilfe von Interviews mit, in
dem Lehrplanentstehungsprozeß eingebundenen
Schlüsselpersonen etwas
transparenter gestalten. Daneben wurden von mir eine größere
Anzahl von Erlässen, Protokollen, Entwürfen Papiere von
Lehrerarbeitsgemeinschaften etc. als Originalmaterial
in diese Arbeit miteingearbeitet um so auch einem größeren
Benutzerkreis zur Verfügung zu stehen.
3.
Lehrplanentwicklung in Österreich
Zu einen
Bereich der fachdidaktischen Entwicklung, nämlich der Analyse von Lehrplänen, trugen schon
Dissertationen besonders die oben schon erwähnte von H.WALLENTIN (1979 in
Salzburg) und in etwas geringerem Maße, weil ungenauer recherchiert, und mit
gravierenden Mängeln in der Perzeption grundlegender fachdidaktischer Literatur
auch A. HOFMANN (1984 in Graz) bei.
Gerade
in diesem Zusammenhang
aber war es notwendig auch
unveröffentlichtes Material,
zumindest aus den
Schulversuchen und den LP-Erstellungsphasen Mitte und zweite Hälfte der
achziger Jahre miteinzubeziehen, genauso
wie es auch notwendig schien die Verbindung
zur allgemeinen
schulpolitischen Entwicklungen
zu schlagen, um dadurch oft tiefer liegende Wurzeln freizulegen.
Ausgangspunkt für die
dabei angestellten
Untersuchungen waren E.WENIGERs
schon 1930 (!)
getroffenen Aussagen von der
politischen Dimension bei der Erstellung von Lehrplänen:
"
Nicht als ob
die Lehrpläne wirklich
immer den didaktischen
Gehalt , den inneren Zusammenhang des Lehrgefüges zureichend
und in angemessener begrifflichen Form
zum Ausdruck brächten ...
...Der Kampf um den Lehrplan ist nicht, wie es manchmal scheint, ein
Streit um die besten Methoden des
Unterrichts oder um die Auswahl und Verteilung eines gegebenen Stoffes, sondern
ein Kampf geistiger
Mächte, und wie
es heute im Geistigen keine
einseitige Machtentscheidung mehr geben kann, so ist das Ringen um den Lehrplan
ein Ringen um eine Lagerung der Kräfte in Schule und Lehre,
die den jeweiligen Machtverhältnissen der an der Schule
beteiligten Faktoren entspricht " (WENIGER
: 1930, S.22).
"
Schon in einer ganz einfachen, scheinbar nur aus methodischen Gründen
vorgenommenen Änderung der Stoffanordnung können sich
Veränderungen in den Kräfteverhältnissen der ... Mächte ... ausdrücken "(ebenda, S.23).
Auch der
Meinung von HAFT H./HOPPMANN St.(1987,S.389), daß Lehrplanentwicklung
durch verwaltungsabhängige
Kommissionen geschehe ...(und) ein administratives Interesse
(bestehe) an einem möglichst
handlichen, möglichst wenig
kontroversen Dokument zulässiger Unterrichtsinhalte,
(das sich decke) mit den Wünschen
jener Schulpraktiker, die
Lehrplanarbeit auf Lizensierung gelungener Praxis
beschränkt sehen möchten - wurde in dieser Arbeit
anhand konkreter Sachverhalte aus
dem LP-Erstellungsprozeß in GW
nachgegangen.
Die von mir zur
Dissertation eingereichte Arbeit sollte aber
nicht nur solche Hintergründe aufhellen versuchen,
sondern auch unterschiedliche Vorgangsweisen in Österreich bei der
Lehrplanerstellung am Beispiel GW demonstrieren.
Der „Eingriff
obrigkeitlicher Macht zugunsten außerhalb des Lehrplans
liegender Zwecke“ (WENIGER: 1930, S.24) wird
ebenso an einem konkreten Beispiel gezeigt, wie Strategien und Möglichkeiten
derart gelagerte Bestrebungen zu unterlaufen.
Grundsätzlich
läßt sich mit den angeführten Beispielen zeigen, daß die Kommissionen fast
immer unter Zeitdruck und ohne lange theoretisch-fachdidaktische
Vorbereitungen ihre Konzepte pragmatisch erstellen mußten.
Lehrplanarbeit stellte sich nicht zuletzt als ein gruppendynamischer
Prozeß des Harmonierens oder
Disharmonierens von diesen oft
kurzfristig zusammengewürfelten
Gruppen dar.
Denn ein
(wie HAFT/HOPMANN: 1987,S.390 für die BRD beschreiben) auf LP-Arbeit
„spezialisierter Stab“ besteht in Österreich höchstens in den obersten
Ertagen der Hoheitsverwaltung. In
den, die konkrete LP-Arbeit und LP-Konzepte
entwickelnden Kommissionen sind - auch aufgrund
mangelnder theoretischer Qualifikationsmöglichkeiten der „Praktiker“
(vergl. dazu SCHULENTWICKLUNG Bd. II:1980 S.147 - in dieser Arbeit
zitiert bei Kap. 6.2)
pädagogisch-fachdidaktisch-fachwissenschaftlich mit einigermaßen gleich
fundiertem "back-ground" ausgestattete Mitglieder
(zumindest in GW) selten. Kommunikationsprobleme
aufgrund unterschiedlicher
Abstarktionsniveaus und
unterschiedlicher Begriffsanwendungen
(vergl. dazu auch die
Schilderungen eines langjährigen
Kommissionsmitglieds G. KRAMER: 1986, in der "Festschrift für W.
Sitte" S.48) lassen zunächst
erst einmal lange Grundsatzdiskussionen aufkommen,
die häufig den Charakter eines "on-the-job-trainings" annahmen
(was - wenn es erfolgreich verlaufen ist, durchaus
eine zielführende „Lehrerfortbildung“,
für - dann in der folgenden LP-propagierenden
Fortbildungstätig wirkenden - Kommissionsmitglieder auch sein kann !)
Es verwundert
in der Realität dann also nicht, wenn
in der Regel (mitunter gibts auch Ausnahmen),
wie P. MENCK (1987,S.366) es formulierte:
"...häufig als Inhalte des
Lehrplans das ausgewählt wird, was bereits im System vorhanden ist:
selektiert wird, was bereits selektiert ist.
Erfolgversprechend
waren daher immer Bemühungen einzelner Kommissionsmitglieder dann,
wenn sie schon vorher Konzepte
bereitgehalten hatten (eine Aufgabe der die akademische
Forschung in Zusammenarbeit mit den heute in der Lehrerausbildung dort
verstärkt eingebundenen Betreuungslehrern
viel stärker nachkommen sollte,
um bereits vorbereitend derartige
Konzeptvorstellungen zu diskutieren und in den Köpfen der Praktiker
vorzubereiten) .
Allerdings
zeigten alle untersuchten Fälle, daß Lehrpläne eher
einen Kompromisscharakter, denn
ein wirklich stringentes, ausgefeiltes theoretisches Konzept haben. Ansprüche
von Curriculumkonzepten (wie zB.
HENDINGER/SCHRAND: 1981) mußten in
der LP-Arbeitsgruppe erst
"mehrheitsfähig" gemacht
werden.
Konstituierend
dafür die Auswahl der Kommissionsmitglieder durch die Schulbehörde - auch hier
werden geglückte,
als auch gezielt zu Fall gebrachte Erneuerungsprozesse
in GW im Rahmen dieser Arbeit
vorgeführt.
Des weiteren
zeigten die Analysen (LP 1967 - Kap.3.3.4, 1985 - Kap.5,
1988 - Kap.8.2.4 , 1989 - Kap.7), daß die so erstellten amtlichen
Konzepte im sogenannten Begutachtungsverfahren nur mehr marginal geändert
werden (können). Auch haben
hierbei Stellungnahmen unterschiedliches (politisches) Gewicht !
Der Einbau des
politischen Umfelds ist also mindestens so wichtig wie die fachdidaktische
Vorarbeit und Analyse.
.4.
Die in Unterrichtsmaterial gegossene Interpretation der LPe
„Lehrpläne
dienen der Steuerung des
Unterrichts. Sie erfüllen diese Funktion immer nur einschränkend und in
Verbindung mit anderen Einflussfaktoren“ (J.v.BRUGGEN:1989,S.39) .
„Der Lehrplan
gibt eben nur an, 'was im
Unterricht gelten soll' , aber noch nicht,
wie der Unterricht konkret vollzogen wird“ (HAFT H./HOPMANN
St.:1989,S.11). .
„Die pädagogische
Chiffre für diese Freisetzung lautet seit dem (dt.)Normallehrplan von 1816
'Methodenfreiheit'...
... Umgekehrt würden
den Lehrkräften ohne jede staatliche Rahmensetzung in Anfechtungsfällen die
Berufungsgrundlage fehlen, auf die sie sich zu ihrer Entlastung zurückziehen können
! (ebenda, S.12).
Eine Möglichkeit
der Operationalisierung der
schulgeographischen Realität stellen
( siehe dazu schon die Bibliographie oben) Zugänge über die verwendeten
Schulbücher und Lehrstoffverteilungen dar. Hier eröffnet sich meiner Meinung
nach ein breites, auch durch studentische Arbeiten im Rahmen der Ausbildung nötiges
Forschungsfeld. Motivation dazu könnte auch das, 1988 von BAMBERGER R. und
E.VANECEK ins Leben gerufene, „Institut für SchulbuchForschung“
in Wien sein, bzw die Motivation die neue Welle von Unter- und
Oberstufenbücher auf Operationalisierbarkeit,
die Möglichkeit heterogener Differenzierung etc. zu analysieren.
Das Kapitel 9
dieser Arbeit will nicht nur Ergänzungen zur obengenannten
Schulbuchbibliographie und Ausleuchtung des Unterrichts im Zusammenhang
mit den Lehrplänen sein, sondern
auch einige, beispielhaft nur angeführte Ansätze von zukünftiger
Schulbuchforschung in GW aufzeigen.
Fast überhaupt
nicht in der Literatur beleuchtet ist dabei die Prozedur der Zulassung von
Schulbüchern.
Anhand einer
Auswertung von solchen Approbationsgutachten sollen einerseits
manche Probleme bei der Schulbuchproduktion
durchschaubarer werden, andererseits auch hier - am besten sicher auch im
Rahmen des schon genannten „Schulbuchforschungsinstituts“
- Ansätze für eine Problematisierung aber auch fachdidaktische Verbesserung
angeführt werden.
" Damit
die staatliche Kontrolle der Unterrichtsinhalte nicht durch private Verlage
faktisch unterlaufen wird, bedürfen Schulbücher dieser ministeriellen Zulassung
...
Der
Selektionslogik 'Auswahl durch Ausschluß' folgen dann aber auch Konferenzen,
die unter den zugelassenen Schulbüchern
nicht das ideale finden, sondern eines (gemessen an ihren Vorstellungen)
kleinstes Übel wählen, Lehrer, die das Buch nicht ganz durcharbeiten lassen,
sondern nur bestimmte Texte
oder Aufgaben entnehmen, und Schüler, die ihre Aufmerksamkeit auf den Text
(die Aufgabe) richten, oder auf den Reißnagel (und darauf, dabei nicht
erwischt zu werden).
Erzwingen kann
entlang der ganzen Skala von der Verfassung bis zum Unterricht niemand
irgendetwas, ausgenommen Entscheidungen; und begünstigen kann man das Erwünschte
organisatorisch immer nur durch Verengung von Ermessensspielräumen, durch
strengere Selektion oder konsequente Negation.
Wer das nicht
will, muß Organisation mit
Interaktion anreichern, kann nicht
nur auf Mitgliedschaft, sondern muß
auch auf Teilnahme setzen und darauf, daß normative
Orientierung von anderen übernommen werden - freiwillig übernommen
werden. " (J. DIEDERICH: 1988,
S.121).
5.
Ein weiterer empirischer Aufschluß der Unterrichtsinhalte
In einigen
wenigen Ansätzen schon vor dieser Arbeit untersuchtes, aber ein auch weiterhin
ein wichtiges Forschungsgebiet für den „Output“
oder auch das Image des Faches in der Öffentlichkeit, bieten Analysen von
Maturafragen (Kap.11), die ja
protokolliert überall öffentlich zugänglich sind. Dieser Bereich wird noch in
Zukunft mit der
zur Zeit (1989) erst versuchsweisen,
in Kürze aber definitiven Einführung
einer schriftlicher „Fachsbereichsarbeit“ im Rahmen der Reifeprüfungsreform
noch interessanter werden, bzw.
liegen gerade hier Möglichkeiten und wichtige Tätigkeitsbereiche der - auch von
Universitätsseite her unterstützungswürdigen
- Lehrerfortbildung (bzw. Anlegen von Datenbänken gestellter Maturafragen, Prämierung
besonders gelungener Fachbereichsarbeiten etc.).
6.
Zukünftige Entwicklungen,
Ansätze und Problemfelder
Den Ausblick
(Kap.12) sollen zwei gegensätzliche Beispiele geographischen Unterrichts
bieten. Einerseits
eine ( wie im „Wiener Schulversuch Mittelschule“ , an dem
der Verfasser als Lehrer
auch tätig ist) versuchte
Integration geographisch-wirtschaftskundlicher
Ziele und Inhalte in einem größerem
fächerübergreifenden, projektorientierten Unterrichtskonzept - wobei die
Fachdidaktik GW dazu praktisch noch keine Beiträge geliefert hat.
Andererseits
soll die Darstellung des britischen „Concept-Geography
Programms“ (vgl.
BÄUERLE L. in Internat. Schulbuchforschung 1/1983) zeigen,
daß über die 1985 ff
erstellten thematischen Konzeptionen
auch fachdidaktisch hinausgedacht
werden muß, für eine zukünftig ebenso wie in der Vergangenheit schon durch
den gesellschaftlichen Veränderungsprozeß
nötige Weiterentwicklung.
7 .Der Dokumententeil im Anhang
soll auch als
selbständig verwendbare Materialsammlung ebenso wie die umfangreiche
Literaturliste ermöglichen, verstreutes bzw auch gar nicht veröffentlichtes
Quellenmaterial sozusagen als Grundstock für weitere fachdidaktische Betrachtungen
synoptisch zu betrachten. Daneben dient er als Zusammenstellung der in der
Arbeit angeführten Lehrpläne.
Danken möchte
ich zum Abschluß den Univ.
Professoren Dr. K. STIGLBAUER und
Dr. F. OSWALD , die es mir
ermöglicht haben, dieses zwischen zwei Instituten, dem der Fachwissenschaft und
der Pädagogik angesiedelte Unterfangen einer fachdidaktischen Dissertation
durchzuführen; ferner den im Text immer wieder genannten Kollegen, die als
Teilnehmer im Erneuerungsprozeß des Faches „Geographie und
Wirtschaftskunde“ mir durch ihre in Interviews gegebenen Hinweise
Hintergründen und Zusammenhänge transparenter werden ließen:
W. ANTONI,
F. FORSTER, J. KLIMPT, G. KRAMER, E. KUTSCHERA, H. SCHNELL, F. ZACH
und
Wolfgang SITTE
(dessen umfangreiches Material ich aufarbeiten konnte) - und der den Stein ins Rollen gebracht hat .
.
Originaltext Wien im Sommer 1989
Christian Sitte (Internetform 2001)