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Postkarte an Julie und Hermann Kafka O 157
Liebste Eltern, nur eine Richtstellung: meine Sehnsucht nach Wasser (wie
es bei uns immer in großen Gläsern nach dem Bier auf dem Tisch
kommt!) und nach Obst ist nicht kleiner als nach Bier, aber vorläufig
gehst nur langsam.
Herzl. Grüße
Der Text ist überliefert auf einer an die Eltern Kafkas gerichteten
Karte Dora Dymants (er mußte aus Platzmangel auf die Ränder
schreiben), deren erster Teil so lautet: "Ich will, wenn auch sehr
verspätet, auf die so schöne letzte Karte von Sonntag antworten.
Was das für ein Freuden-Austausch war! Ihre Karte und Franzens Brief.
Wenn es doch immer so wäre. Sie hat nicht weniger Freude zu Folge
gehabt als der Expressbrief. Franz hat sie beinahe auswendig gelernt. Ganz
besonders stolz ist er auf die Möglichkeit, mit seinem ehrwürdigen
und lieben Vater, ein Glas Bier zu trinken. Ich möchte von Weitem
stehen und zusehen. Ich bin von den bloßen häufigen Unterhaltungen
über Bier, Wein, (Wasser), und anderen schönen Dingen sehr oft
beinahe betrunken. Franz ist ein leidenschaftlicher Trinker geworden. Kaum
eine Mahlzeit ohne Bier oder Wein. Allerdings in nicht zu großen
Mengen. Er trinkt wöchentlich eine Flasche Tokayer, oder anderen guten
Feinschmekker-Wein aus. Wir haben 3erlei Wein zu Verfügung, um es,
so nach rechter Feinschmecker-Art, recht abwechslungsreich zu machen."
Bei dem erwähnten Brief Kafkas handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit
um Nr. 119. Der Expressbrief der Eltern enthielt, wie aus der Fortsetzung
von Doras Bericht und einem Brief Klopstocks zu erschließen ist,
Mitteilungen über einen Ausflug Ellis und ihrer Familie und erreichte
Kafka wahrscheinlich am Samstag, dem 17. Mai: "Wie er das gehört
hat, sagte er - mit leuchtenden Augen, wie eine Sonne, "dann haben
sie auch Bier getrunken", das sagte er aber in einer solchen Begeisterung,
und Aufgehen in der Freude, dass wir, die es gehört haben, mehr
jenes Bier, das dort getrunken wurde, genossen haben, als die, die es wahrhaftig
getrunken hatten. Er trinkt, wie ich schon einmal geschrieben jetzt zu
jeder Mahlzeit Bier, es so genießend, dass es ein Ergötzen
ist, ihn anzuschauen." (Klopstock am 17. V. 1924 an die Prager Angehörigen
Kafkas) Vgl. auch Br 488 ("Warum waren wir in keinem Biergarten")
und Br 491 ("Bei dieser Trinkfähigkeit kann ich noch nicht mit
dem Vater in den Zivilschwimmschul-Biergarten gehn").
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at