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[An die Eltern] E. Nr. 28
Also endlich glücklich übersiedelt. Hier
scheint es wirklich sehr schön zu sein. Nur einwenig kalt noch. Es
wäre doch sehr gut, wenn Franz das Federbett bekommen könnte.
Hier im Sanatorium, war auch keines zu bekommen. Die Decken können
's nicht ganz ersetzen. Vielleicht, auch, wenn es irgendwie geht, ein Polster.
Franz möchte Lieber ein hartes aus Roßhaar. Dann ist alles in
Ordnung.
Franz wird nur anschreiben, weil er beleidigt ist, dass
er nichts von zu Hause hört. Außerdem auch müde.
Liebste Eltern, nach dem früheren Sanatorium konnte
ich, wenigstens jetzt, nicht wieder zurück, es war für mich mit allzu abscheulichen Erinnerungen belastet, dann die
Ärzte, einer tyrannisch einer weichmütig, aber beide medicingläubig
und in der Not hilflos, dann die schreckliche Entfernung von Wien (4 Stunden)
falls ich etwa wieder hinmüßte, auch das Essen nicht sehr erfreulich,
stark gewürzt, wenig Gemüse, Kompot
Euer F
Postkarte, 14 x 9 cm, beide Seiten mit Tinte beschrieben, einschließlich
der Adresse: Hermann Kafka, Prag, Staroměstská náměstí
č 6/III posch. Über der Adresse der Zusatz 21/4 1924,
offensichtlich von der Hand der Mutter. Frankierung: 1500 österreichische
Kronen.
Undatiert; Zuordnung nach dem Poststempel: 21.IV.24, bestimmt.
1] glücklich übersiedelt: Am 19. April
1924 - vgl. Nr. 27 und dazu Anm.3.
2] weil er beleidigt ist, dass er nichts von zu Hause
hört: Vgl. Anfang von Nr. 27.
3] Herzlichste Grüße. D. : Die Karte
ist zum erstenmal in umgekehrter Reihenfolge geschrieben worden: der erste
Teil von Dora, der zweite Teil von Franz.
4] nach dem früheren Sanatorium: D. h. nach
dem Sanatorium Wienerwald beim Dorfe Ortmann, vgl. Nr. 20-22.
5] mit allzu abscheulichen Erinnerungen belastet:
Vgl. Nr. 20, Anm. 1.
6] die Ärzte: Über die Ärzte des
Sanatoriums Wienerwald vgl. RH, 100-102.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at