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An Robert Klopstock

[Postkarte. Berlin-Steglitz, Stempel: 26.1.1924]
 

Lieber Robert, ich vermutete Sie noch immer in B., erst aus einem Brief von Max erfuhr ich, dass Sie schon in Prag sind, auch von vier Übersetzungen schrieb er, die von Ihnen erschienen sind und von denen ich nichts wußte. Auch schicken Sie mir keine mehr zur Durchsicht; wer hat die Arbeit weggenommen? Inzwischen war Irene hier und hat ein wenig von Ihnen erzählt; was war das für eine Prüfung, die Sie ihr gegenüber Weihnachten als gut bestanden erwähnten? Bei Midia war ich nicht, abend habe ich fast immer Temperaturerhöhung, bei solchen Gelegenheiten geht dann immer der "andere Schüler", er war entzückt von Midia. Von mir ist wenig zu erzählen, ein etwas schattenhaftes Leben, wer's nicht geradezu sieht, kann nichts davon merken. Augenblicklich haben wir Wohnungssorgen, eine Überfülle von Wohnungen, aber die prachtvollen zichn unerschwinglich an uns vorüber und der Rest ist fragwürdig. Wenn man etwas verdienen könnte! Aber für Bis-zwölf-im-Bett-Liegen gibt hier niemand etwas. Ein Bekannter, ein junger Maler, hat jetzt einen schönen Beruf, um den ich ihn schon manchmal beneidet habe, er ist Straßenbuchhändler, gegen zehn Uhr vormittag bezieht er den Stand und bleibt bis zur Dämmerung; und es gab schon zehn Grad Frost und mehr. Um die Weihnachtszeit verdiente er zehn Mark täglich, jetzt drei bis vier.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at